Devachan
► (Allgemein)

Deva ist Gott und Chan: Gebiet, Wohnung; Devachan heißt also Gottesgebiet. Insofern der Mensch ein geistiges Wesen ist, hat er Anteil an dieser geistigen Welt. [1] Dann ist unsere Welt auch durchdrungen von einer noch höheren Welt (als dem Astralplan), der eigentlichen geistigen Welt, die wir in der Theosophie die devachanische oder die mentale Welt nennen und die, wenn wir den Blick dafür geöffnet haben, es uns möglich macht, die Gedanken, welche nicht von Gefühlen und Wünschen durchzogen sind, die also reine Gedanken sind, wie Dinge zu sehen. [2]

Wir haben es nicht zu tun mit einer Welt, die an irgendeinem anderen Ort des Kosmos liegt, sondern mit einer Welt, welche uns überall umgibt, welche überall um uns vorhanden ist. An jedem Punkte unserer Welt ist zugleich diese geistige Welt vorhanden. Es ist kein Wandern in eine andere Welt, wenn wir von der geistigen Welt oder von Devachan sprechen, sondern es ist ein Aufschließen der Organe, ein Erreichen eines anderen Zustandes. [3] Genauso, wie sich eine Flüssigkeit mit einer anderen, feineren Flüssigkeit mischt, so daß die eine Flüssigkeit die andere in allen Teilen durchsetzt, so durchsetzt die astrale Welt unsere Welt des Physischen; und diese astrale Welt ist wiederum durchsetzt von einer noch höheren Welt, welche wir die mentale Welt (Devachan) nennen, das ist die eigentliche geistige Welt. So sind drei Welten ineinandergefügt, die eine immer die andere durchsetzend, von denen der Mensch mit seinen gegenwärtigen Organen aber nur die physische Welt wahrnimmt. Allmählich den Sinn aufzuschließen für die unsichtbaren und unter gewöhnlichen Umständen unhörbaren Welten, das ist die Aufgabe der Theosophie. [4] Ebenso, wie wir durch die sinnliche Luft gehen, gehen wir durch die geistigen Welten hindurch. Beziehungen zu den geistigen Welten ergeben sich, wenn man in die Feinheiten des menschlichen Seelenlebens hineinsieht. [5] Es ist eingegliedert in die astralische und physische Welt die Welt des geistigen Tönens, der Sphärenharmonien, die Welt des Devachan, die man durch das Hellhören erkennen kann. [6] Genauso wie Sie nun musikalische Eindrücke hier im Physischen von den Bewegungen der Saiten erhalten, so hört derjenige, der zu der Stufe des Hellhörens (siehe: Hellhörigkeit) im Devachan emporgedrungen ist, die Bewegung der Himmelskörper als Sphärenmusik. [7] Alle Welten, die wir durchschreiten können von unserer physischen Welt durch die höheren Welten immer weiter und weiter, sie haben immer Gemeinsames. Es ist richtig, daß wir, wenn wir in eine höhere Welt kommen, zwar immer Neues und Neues finden, aber dennoch immer Gemeinsames mit der vorhergehenden Welt. [8]

Man muß sich der Gleichnisse bedienen, um den Devachan zu schildern. Denn unsere Sprache, die zumeist nur der sinnlichen Wirklichkeit dient, ist mit Ausdrücken, die sich für das «Geisterland» unmittelbar anwenden lassen, nicht gerade reich gesegnet. Besonders hier muß daher gebeten werden, manches, was gesagt wird, nur als Andeutung zu verstehen. Es ist alles, was hier beschrieben wird der physischen Welt so unähnlich, daß es nur in dieser Weise geschildert werden kann. Der Schreiber dieser Darstellung ist sich immer bewußt, wie wenig seine Angaben wegen der Unvollkommenheit unserer für die physische Welt berechneten sprachlichen Ausdrucksmittel wirklich der Erfahrung auf diesem Gebiete gleichen können.

Diese Welt ist aus dem Stoffe gewoben – auch das Wort «Stoff» ist natürlich hier in einem sehr uneigentlichen Sinne gebraucht – gewoben, aus dem der menschliche Gedanke besteht. Aber so wie der Gedanke im Menschen lebt, ist er nur ein Schattenbild, ein Schemen seiner wirklichen Wesenheit. Wie der Schatten eines Gegenstandes an einer Wand sich zum wirklichen Gegenstand verhält, der diesen Schatten wirft, so verhält sich der Gedanke, der durch den menschlichen Kopf erscheint, zu der Wesenheit im Devachan, die diesem Gedanken entspricht. Wenn nun der geistige Sinn des Menschen erweckt ist, dann nimmt er diese Gedankenwesenheit wirklich wahr, wie das sinnliche Auge einen Tisch oder einen Stuhl wahrnimmt. Wie dem operierten Blindgeborenen auf einmal seine Umgebung mit den neuen Eigenschaften der Farben und Lichter erscheint, so erscheint demjenigen, der sein geistiges Auge gebrauchen lernt, die Umgebung mit einer neuen Welt erfüllt, mit der Welt lebendiger Gedanken oder Geistwesen. [9]

Die Gedankenbilder, die Sie haben, sind die Schattenbilder, die aus der devachanischen oder mentalen Welt geworfen werden. Der Gedanke, der in Ihnen lebt, den sieht der Seher im Zusammenhang mit einer Wesenheit. Wenn der Mensch von diesen höheren Welten nichts weiß, so ist er ihnen wie ein Sklave hingegeben, der gegenüber demjenigen, der an den Ketten zieht, machtlos ist. [10]

Allerdings ist der erste Einblick in dieses «Geisterland» noch verwirrender als derjenige in die seelische Welt, (in den Astralplan). [11] Und wenn wir nun die geistigen Welten selber betreten und ein wenig dieses Leben in dem Devachan erfahren, dann treten uns da ganz andere Verhältnisse entgegen als hier im physischen Leben der Erde. Deshalb ist es so ausserordentlich schwierig, in Menschenworten und Menschengedanken hereinzuholen diese Verhältnisse der geistigen Welten. Und es klingt manchmal so paradox, wenn man versucht, sich konkret auszusprechen über die Verhältnisse der geistigen Welten. [12] Wo sind die elementarischen Wesenheiten, die Wesenheiten der höheren Hierarchien? Überall sind sie um uns herum. Aber sie sind zunächst in bezug auf Verhältnisse der Dinge und Vorgänge der Außenwelt so dünn und so flüchtig, daß man sagen kann, sie entgehen eben der Aufmerksamkeit der Menschen. Die Menschen gehen durch die ganze Geisteswelt immer durch und sehen sie nicht, weil sie notwendigerweise durch ihre Organisation, die noch unvorbereitet ist für die geistige Welt, eben unaufmerksam sind dafür. Und wenn sie Gelegenheit hätten, in die geistige Welt einzudringen, wie das zur Nacht im Schlafe der Fall ist, erweist sich das Bewußtsein so schwach, daß, trotzdem der Mensch, immer vom Einschlafen bis zum Erwachen in der geistigen Welt ist, er zu dumpf ist, um die geistigen Wesenheiten wahrzunehmen, die um ihn herum sind. Er ist die ganze Nacht in der geistigen Welt, in dieser feinen fluktuierenden Welt, aber er nimmt sie nicht wahr, weil sein Bewußtsein zu dumpf ist dazu. [13] Wie uns physisch die Luft überall umgibt, so umgibt uns geistig die geistige Welt. Wir sind also auch im wachenden Zustand in der geistigen Welt immerfort darinnen. [14]

Es ist durchaus ein Verkennen, wenn man glaubt, erst das imaginative, das inspirierte und das intuitive Erkennen führe den Menschen in die geistige Welt hinein. Nein, der Mensch lebt schon in der geistigen Welt, wenn er Sinneswahrnehmungen hat und wenn er Vorstellungen bildet. Die Sinneswahrnehmungen sind daran geknüpft, daß überhaupt schon tote Materie, rein physikalische Apparate in unseren Organismus eingelagert sind, die nur vom Ätherleib durchzogen werden, aber sie sind eingelagert. Der physische Apparat wird nicht erlebt; das Geistige, das darinnen vorgeht, wird erlebt. Seinem Wesen nach ist der Inhalt der Sinneswahrnehmung durchaus geistig. Das ist das Eigentümliche, daß uns das Geistige zunächst in den Sinneswahrnehmungen und in den Vorstellungen bewußt wird, aber nur in Bildern. [15]

Auf dem Devachanplan hat der Lichtäther (siehe: Ätherarten – Lichtäther) sein Leben, daher die innere Beziehung zwischen Weisheit und Licht. [16] Wir sprechen nun in der gewöhnlichen Wissenschaft heute von dem Licht, als in dem Beleuchteten enthalten. Geisteswissenschaft spricht so von Licht: sie nennt Licht auch dasjenige, was andern Sinneswahrnehmungen zugrunde liegt, wie zum Beispiel das Licht der Tonwahrnehmung. Kurz, für alle Wahrnehmungen liegt zugrunde ein viel Allgemeineres als Licht, als was man in der Physik heute Licht nennt. Es ist gewiß irreführend, das gebe ich Ihnen zu, daß so von Licht gesprochen wird. [17]

Wenn der Mensch durch die Pforte des Todes gegangen ist, das Kamaloka hinter sich hat, in die eigentliche geistige Welt eintritt, lebt er in einer Welt, die ganz so ist, als wenn er nach allen Seiten umgeben wäre von lauter Visionen; nur sind diese Visionen Abbilder von Wirklichkeiten. Und man kann sehr wohl sagen, während wir die Welt des Physischen wahrnehmen durch Farben, die uns das Auge vorzaubert, durch Töne, die uns das Ohr vermittelt, nehmen wir die geistige Welt auch dann, wenn wir durch die Pforte des Todes getreten sind in Visionen wahr, in die wir hineinverwoben sind. [18] Das erste Erlebnis ist also die Wahrnehmung des eigenen Leibes; von diesem Erlebnis nehmen alle andern ihren Ursprung. Stark empfindet da der Mensch das Gefühl der Befreiung von den leiblichen Hüllen, denn es ist ja der beglückende Augenblick, wo er auch den letzten der Leichname, den Astralleichnam, abgelegt hat. Wie eine in einen Felsspalt eingeklemmte Pflanze es als Seligkeit empfände, wenn sie befreit würde, so wird dieses Gefühl der Seligkeit zu einer Grundempfindung des Menschen. Diese Seligkeit durchdringt und verklärt dann auch die früher mehr irdisch durchlebten Gefühle, zum Beispiel solche der Freundschaft, die hier vielleicht gewissen Wandlungen unterworfen waren und die drüben vertieft und geläutert werden. Durch Liebe arbeitet sich der Mensch schon hier empor aus der Enge der Selbstsucht ins Umfassende des Welterlebens. Dort aber ist nichts voneinander abgeschlossen, getrennt, einer arbeitet für den andern, denn Arbeit ist auch dort das die Seelen tragende und fördernde, verbindende Element, die Liebe aber der unerschöpfliche Quell alles Lebens. [19]

In dem Augenblicke, in dem wir über den Mond hinauskommen (siehe: Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt), da tritt etwas ein, was wir jetzt auch geistig innerlich bezeichnen können – wir sind von Visionen umgeben. Wenn wir einem verstorbenen Freund begegnen nach dem Tode, ist es eine Vision, aber er ist es selber, er lebt in dieser Realität drinnen; aber es sind Visionen, die sich aufbauen auf das Gedächtnis an das, was wir hier getan haben. [20]

Alles, was der Mensch früher nur gedacht hat, seine Gefühle und Leidenschaften, alles, was er hier erlebt hat, das tritt ihm da im Devachan entgegen in der Gestalt der Dinge um ihn herum. Zuerst sieht man den eigenen physischen Leib in seinem Urbilde. So wie wir hier auf der Erde über Felsen, Berge und Steine gehen, so geht man dort über alle die Gestalten, die hier in der physischen Welt vorhanden sind; also man geht dort über seinen eigenen physischen Leib. Das ist geradezu ein Kennzeichen für den Menschen nach dem Tode, daß er seinen eigenen physischen Leib (im Urbilde) als Sache außer sich hat. Daran erkennt er, daß er vom Kamaloka ins Devachan hinaufgekommen ist. Hier spricht er zu seinem Leibe: «Das bin ich!» Dort sieht er ihn und sagt: «Das bist du!» Die Vedanta-Philosophie läßt ihre Schüler meditativ einüben dieses «Das bist du!», damit sie durch Übungen dieser Art ein Verständnis dafür haben, zu ihrem Leib zu sagen: «Das bist du!» (Tat tvam asi).

Außerdem sieht man um sich herum alles das, was man hier auf der Erde erlebt hat. Wenn ein Mensch hier Rache, Unliebe, allerlei schlimme Gefühle hegt gegen seine Mitmenschen, dann treten ihm diese schlimmen Gefühle entgegen wie eine Wolke außerhalb seiner selbst, und das ist eine Lehre für den Menschen. Er kann lernen, was das alles für eine Bedeutung und Wirkung hier in der Welt hat. [21]

Der Devachan ist immerfort um uns herum. Also sind auch all die Seelen der Menschen, die entkörpert sind, um uns herum. Sie arbeiten um uns herum. Wenn wir als Seher sie aufsuchen, können wir finden, wenn wir das Licht nicht bloß sinnlich wahrnehmen, innerhalb des Lichtes die toten Menschen. Das Licht, das uns umgibt, bildet den Körper der Toten. Das Licht, das die Erde umspült, ist Stoff für die Wesen, die im Devachan leben. Sehen wir draußen eine Pflanze, die von Sonnenlicht sich nährt; sie empfängt nicht nur das physische Licht, sondern in Wahrheit die Tätigkeit geistiger Wesen, und unter ihnen sind auch diese (entkörperten) Menschenseelen. Sie selbst strahlen als Licht auf die Pflanzen nieder, sie umschweben die Pflanzen als geistige Wesenheiten. Wenn das Auge des Sehers sich entwickelt, macht er oft eine eigentümliche Wahrnehmung. Wenn er sich in die Sonne stellt, hält sein Körper das Licht auf. Er wirft einen Schatten. Wenn er nun hineinschaut in diesen Schatten, ist das oftmals der erste Moment, wo er den Geist entdeckt. Der Körper hält auf das Licht, doch nicht den Geist, und im Schatten, den der Körper wirft, kann man den Geist entdecken. Deshalb nennen primitive Völker, die immer ein Hellsehen gehabt haben, den Schatten auch die Seele. [22]

Alle die Vorgänge in den Naturreichen um uns herum, alles, was sich abspielt in Luft und Wasser, ist nichts anderes als Vorgänge in der geistigen Welt, die sich offenbaren durch das, was im Physischen geschieht. Sie sind Offenbarungen geistiger Vorgänge. Diese sind die wahre Wirklichkeit, die Realität. Nichts ist real als die geistige Welt, und erst wenn wir in allen Dingen und Vorgängen das Geistige erkennen können, dann haben wir in Wahrheit die Realität erkannt. Alles in der physischen Welt hat nur den Wert eines Gleichnisses für dasjenige, was dahintersteht, die geistige Welt. Alle Vorgänge in der Tier- und Pflanzenwelt müssen wir so betrachten lernen und auch alles, was wir im Menschenreich sehen, was Eindruck macht auf den Verstand, den Intellekt. Alles das sind nichts als Gleichnisse, und erst derjenige, der sie deuten lernt, kommt zu der Wirklichkeit, der Realität. [23] Ganz andere Art und Weise des Zusammenwirkens geschieht in dieser geistigen Welt, in dieser, den physischen Ereignissen parallelgehenden Folge oder Strömung der geistigen Ereignisse. [24] Also es ist etwas sehr Bedeutsames damit gesagt, daß in der nächsten Welt schon, welche die unsere als eine übersinnliche durchdringt, gar nicht diejenige Ordnung herrscht, die wir mit Begriffen und ihrer Beweiskraft durchdringen können, sondern daß da ein Schauen Platz greift, in dem eine ganz andere Ordnung zu den Ereignissen waltet. [25] (Siehe dazu auch: Kausalität).

In dem Augenblick, wo man in die geistige Welt hineinschaut, ist es, wenn man in das Vergangene hineinsieht, so, daß das Vergangene wie stehen geblieben ist. Das ist noch da. Die Zeit wird zum Raume. Das Vergangene hört auf, unmittelbar Vergangenes zu sein. Dann hört der Begriff der Notwendigkeit auch auf einen Sinn zu haben. Man hat nicht ein Vergangenes, ein Gegenwärtiges, ein Zukünftiges, sondern man hat ein Dauerndes. Blickt man in die geistige Welt, so ändern sich alle Begriffe von Notwendigem und Zufälligem, da herrscht Vorsehung. [26]

In der geistigen Welt finden wir die Toten, aber in dieser Welt ist ja vieles andere darinnen. Und unter dem, was darinnen ist, ist eben die Wirksamkeit von solchen Kräften, wie sie in den Ausstrahlungen der Menschen leben. Das ist in gewissem Sinne ein höchst gefährliches Weltengebiet, in das man da hineinkommt. Alle Kräfte, alle Impulse der gegenwärtigen Epoche müssen dem zueilen, auf Erden die Vitalstrahlung (siehe: Strahlungen des Menschen) zu verwenden. Aber ungeheuer naheliegend ist es, daß man da in dasjenige hineinkommt, was zwischen dieser Vitalstrahlung und allen anderen Strahlungen, die man so gern haben möchte liegt: die schwarze Magie. [27]

(Durch geistige Schulung) wird die Welt nach außen hin immer geistiger, je weiter wir in der Erkenntnis vordringen. So daß man wirklich aufhört, alle jene Konstruktionen ernst zu nehmen, welche aus chemischen oder sonstigen Vorstellungen geholt sind. Aller Atomismus wird einem gründlich ausgetrieben, wenn man die Erkenntnis nach außen erweitert. Hinter den Sinneserscheinungen ist geistige Welt. [28]

Immer wieder müssen wir uns dabei klarmachen, daß der Aufenthalt des Menschen im Devachan nicht irgendwo anders ist als da, wo wir sonst auch sind. Denn Devachan, Astralplan und die physische Welt sind durchaus drei ineinandergeschobene Welten. Die richtigste Vorstellung vom Devachan kann man sich machen, wenn man sich die Welt der elektrischen Kräfte denkt, bevor die Menschen die Elektrizität entdeckt haben. Davor war schon alles in der physischen Welt enthalten, nur war es damals eine okkulte Welt. Alles, was okkult ist, wird einst entdeckt. Der Unterschied zwischen dem Leben im Devachan und demjenigen in der physischen Welt ist der, daß der Mensch in seinem gegenwärtigen Zyklus mit Organen ausgerüstet ist, die ihn befähigen, die physische Welt zu schauen, aber nicht mit Organen, die ihn befähigen, die Erscheinungen des Devachans zu schauen. [29]

Der Devachan – oder der Sitz der Götter – entspricht in der Geisteswelt der Okkultisten dem christlichen Himmel. Es versteht sich von selbst, daß man diese Regionen – die nur scheinbar außerirdisch sind, da sie in lebendiger Beziehung zu unserer Welt stehen, die aber außerhalb der Reichweite unserer physischen Sinne sind – nur in Symbolen und Gleichnissen beschreiben kann, denn unsere Sprache taugt nur für die Welt der Sinne. Der Devachan umfaßt sieben Grade oder sieben verschiedene Regionen, die sich in aufsteigender Ordnung staffeln. Es handelt sich nicht um Stockwerke oder genaue Orte, sondern um Zustände der Seele und des Geistes. [30] Das Kontinentalgebiet enthält alles Physische, das Meeresgebiet alles Leben, der Luftkreis alle Empfindungen und der Ätherkreis alle Gedanken. An der Grenze des Ätherkreises ist die Akasha-Chronik. Sie enthält alles, was je gedacht ist. Jenseits der Akasha-Chronik liegt alles noch nicht Gedachte, Arupa. Alles neu Gedachte, alle Erfindungen und so weiter kommen aus der Aruparegion (oberes Devachan). [31]

Das, was wie die Wärme die irdischen Dinge und Wesen, alles im Devachan durchdringt, das ist die Gedankenwelt selbst. Nur sind die Gedanken da als lebende, selbständige Wesen vorzustellen. [32] Diese Welt ist aus dem Stoffe gewoben, aus dem der menschliche Gedanke besteht. Aber so wie der Gedanke im Menschen lebt, ist er nur ein Schattenbild, ein Schemen seiner wirklichen Wesenheit. Wie der Schatten eines Gegenstandes an einer Wand sich zum wirklichen Gegenstand verhält, der diesen Schatten wirft, so verhält sich der Gedanke, der durch den menschlichen Kopf erscheint, zu der Wesenheit im Devachan, die diesem Gedanken entspricht. In dieser Welt sind zunächst die geistigen Urbilder aller Dinge und Wesen zu sehen, die in der physischen und seelischen Welt vorhanden sind. Man denke sich das Bild eines Malers im Geiste vorhanden, bevor es gemalt ist. Dann hat man ein Gleichnis dessen, was mit dem Ausdruck «Urbild» gemeint ist. Solche Urbilder sind für alle Dinge vorhanden, und die physischen Dinge und Wesenheiten sind Nachbilder dieser Urbilder. [33] Allerdings ist der erste Einblick in dieses «Geisterland» noch verwirrender als derjenige in die seelische Welt. Denn die Urbilder in ihrer wahren Gestalt sind ihren sinnlichen Nachbildern sehr unähnlich. Ebenso unähnlich sind sie aber auch ihren Schatten, den abstrakten Gedanken.

In dem Devachan ist alles in fortwährender beweglicher Tätigkeit, in unaufhörlichem Schaffen. Eine Ruhe, ein Verweilen an einem Orte, wie sie in der physischen Welt vorhanden sind, gibt es dort nicht. Denn die Urbilder sind schaffende Wesenheiten. Sie sind die Werkmeister alles dessen, was in der physischen und seelischen Welt entsteht. Ihre Formen sind rasch wechselnd; und in jedem Urbild liegt die Möglichkeit, unzählige besondere Gestalten anzunehmen. Sie lassen gleichsam die besonderen Gestalten aus sich hervorsprießen; und kaum ist die eine erzeugt, so schickt sich das Urbild an, eine nächste aus sich hervorquellen zu lassen. Und die Urbilder stehen miteinander in mehr oder weniger verwandtschaftlicher Beziehung. Sie wirken nicht vereinzelt. Das eine bedarf der Hilfe des andern zu seinem Schaffen. Unzählige Urbilder wirken oft zusammen, damit diese oder jene Wesenheit in der seelischen oder physischen Welt entstehe. Sobald der «Hellsehende» aufsteigt aus dem Astralplan in den Devachan, werden die wahrgenommenen Urbilder auch klingend. Dieses «Klingen» ist ein rein geistiger Vorgang. Es muß ohne alles Mitdenken eines physischen Tones vorgestellt werden. Der Beobachter fühlt sich wie in einem Meer von Tönen. In diesem geistigen Klingen drücken sich die Wesenheiten der geistigen Welt aus. In ihrem Zusammenklingen, ihren Harmonien, Rhythmen und Melodien prägen sich die Urgesetze ihres Daseins, ihre gegenseitigen Verhältnisse und Verwandtschaften aus. Was in der physischen Welt der Verstand als Gesetz, als Idee wahrnimmt, das stellt sich für das «geistige Ohr» als ein Geistig-Musikalisches dar – die Sphärenmusik der Pythagoreer. Man muß, wenn man einen Begriff von dieser «geistigen Musik» erhalten will, alle Vorstellungen von sinnlicher Musik beseitigen, wie sie durch das «stoffliche Ohr» wahrgenommen wird. In den folgenden Beschreibungen des Devachan sollen der Einfachheit halber die Hinweise auf diese «geistige Musik» weggelassen werden. Man hat sich nur vorzustellen, daß alles, was als «Bild», als ein «Leuchtendes» beschrieben wird, zugleich ein Klingendes ist. Wo von Urbildern in dem Folgenden gesprochen wird, sind also die Urtöne hinzuzudenken. Auch andere Wahrnehmungen kommen hinzu, die gleichnisartig als «geistiges Schmecken» und so weiter bezeichnet werden können. [34] Dem Devachanischen ist besonders eigen, daß es eine tönende Welt ist, wenigstens im Wesentlichen. Man darf sich selbstverständlich nicht denken, daß die Devachanwelt nicht auch eine in Farben erstrahlende sei. Sie ist selbstverständlich auch durchleuchtet von der astralen Welt, denn sie ist ja nicht getrennt von ihr, das Astralische durchdringt auch das Devachanische. Auf einem noch höheren Plan des Devachan wird aus dem Ton etwas Wortähnliches. Von dort kommt alle wirkliche Inspiration, und in diesem Gebiete bewegen sich die Autoren, die inspiriert waren. [35]

Nun ist zunächst notwendig, die verschiedenen Arten der Urbilder voneinander zu unterscheiden. Auch im «Geisterland» hat man eine Anzahl von Stufen oder Regionen auseinanderzuhalten, um sich zu orientieren. Die einzelnen Regionen sind nicht etwa schichtenweise übereinandergelagert zu denken, sondern sich gegenseitig durchdringend und durchsetzend. [36]

Zitate:

[1]  GA 94, Seite 134   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[2]  GA 88, Seite 36   (Ausgabe 1999, 256 Seiten)
[3]  GA 88, Seite 107   (Ausgabe 1999, 256 Seiten)
[4]  GA 88, Seite 21   (Ausgabe 1999, 256 Seiten)
[5]  GA 194, Seite 206   (Ausgabe 1983, 254 Seiten)
[6]  GA 101, Seite 29   (Ausgabe 1987, 288 Seiten)
[7]  GA 101, Seite 152   (Ausgabe 1987, 288 Seiten)
[8]  GA 158, Seite 210   (Ausgabe 1993, 234 Seiten)
[9]  GA 9, Seite 120f   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[10]  GA 96, Seite 79f   (Ausgabe 1974, 350 Seiten)
[11]  GA 9, Seite 122   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[12]  GA 140, Seite 339   (Ausgabe 1980, 374 Seiten)
[13]  GA 156, Seite 17   (Ausgabe 1967, 183 Seiten)
[14]  GA 154, Seite 44   (Ausgabe 1973, 142 Seiten)
[15]  GA 208, Seite 123   (Ausgabe 1981, 220 Seiten)
[16]  GA 93a, Seite 46   (Ausgabe 1972, 286 Seiten)
[17]  GA 317, Seite 47   (Ausgabe 1979, 200 Seiten)
[18]  GA 140, Seite 66   (Ausgabe 1980, 374 Seiten)
[19]  GA 100, Seite 55   (Ausgabe 1981, 276 Seiten)
[20]  GA 140, Seite 72   (Ausgabe 1980, 374 Seiten)
[21]  GA 99, Seite 44f   (Ausgabe 1962, 172 Seiten)
[22]  GA 99, Seite 46f   (Ausgabe 1962, 172 Seiten)
[23]  GA 143, Seite 153f   (Ausgabe 1970, 248 Seiten)
[24]  GA 166, Seite 30   (Ausgabe 1982, 142 Seiten)
[25]  GA 166, Seite 32   (Ausgabe 1982, 142 Seiten)
[26]  GA 163, Seite 89f   (Ausgabe 1975, 152 Seiten)
[27]  GA 243, Seite 149f   (Ausgabe 1983, 246 Seiten)
[28]  GA 205, Seite 99   (Ausgabe 1967, 247 Seiten)
[29]  GA 93a, Seite 105   (Ausgabe 1972, 286 Seiten)
[30]  GA 94, Seite 78f   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[31]  GA 95, Seite 156   (Ausgabe 1978, 164 Seiten)
[32]  GA 13, Seite 114   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[33]  GA 9, Seite 120f   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[34]  GA 9, Seite 122ff   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[35]  GA 283, Seite 24   (Ausgabe 1975, 186 Seiten)
[36]  GA 13, Seite 112   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)

Quellen:

GA 9:  Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung (1904)
GA 13:  Die Geheimwissenschaft im Umriß (1910)
GA 88:  Über die astrale Welt und das Devachan (1903-1904)
GA 93a:  Grundelemente der Esoterik (1905)
GA 94:  Kosmogonie. Populärer Okkultismus. Das Johannes-Evangelium. Die Theosophie an Hand des Johannes-Evangeliums (1906)
GA 95:  Vor dem Tore der Theosophie (1906)
GA 96:  Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft. Christliche Esoterik im Lichte neuer Geist-Erkenntnis (1906/1907)
GA 99:  Die Theosophie des Rosenkreuzers (1907)
GA 100:  Menschheitsentwickelung und Christus-Erkenntnis. Theosophie und Rosenkreuzertum – Das Johannes-Evangelium (1907)
GA 101:  Mythen und Sagen. Okkulte Zeichen und Symbole (1907)
GA 140:  Okkulte Untersuchungen über das Leben zwischen Tod und neuer Geburt. Die lebendige Wechselwirkung zwischen Lebenden und Toten (1912/1913)
GA 143:  Erfahrungen des Übersinnlichen. Die drei Wege der Seele zu Christus. (1912)
GA 154:  Wie erwirbt man sich Verständnis für die geistige Welt?. Das Einfließen geistiger Impulse aus der Welt der Verstorbenen (1914)
GA 156:  Okkultes Lesen und okkultes Hören (1914)
GA 158:  Der Zusammenhang des Menschen mit der elementarischen Welt. Kalewala – Olaf Åsteson – Das russische Volkstum – Die Welt als Ergebnis von Gleichgewichtswirkungen (1912-1914)
GA 163:  Zufall, Notwendigkeit und Vorsehung. Imaginative Erkenntnis und Vorgänge nach dem Tode (1915)
GA 166:  Notwendigkeit und Freiheit im Weltengeschehen und im menschlichen Handeln (1916)
GA 194:  Die Sendung Michaels. Die Offenbarung der eigentlichen Geheimnisse des Menschenwesens (1919)
GA 205:  Menschenwerden, Weltenseele und Weltengeist – Erster Teil:. Der Mensch als leiblich-seelische Wesenheit in seinem Verhältnis zur Welt (1921)
GA 208:  Anthroposophie als Kosmosophie – Zweiter Teil:. Die Gestaltung des Menschen als Ergebnis kosmischer Wirkungen (1921)
GA 243:  Das Initiaten-Bewußtsein. Die wahren und die falschen Wege der geistigen Forschung (1924)
GA 283:  Das Wesen des Musikalischen und das Tonerlebnis im Menschen (1906/1920)
GA 317:  Heilpädagogischer Kurs (1924)