Astralleib-Organe und deren Organisation
► 2-blättrige Lotusblume der Nasenwurzel (sanskrit: Ajna-Chakra)

In den neueren Zeiten hat sich der okkulte Sinn aus den Wissenschaften zurückgezogen. Seit Kopernikus und Galilei ist die Wissenschaft auf die Eroberung der physischen Welt bedacht. Aber es ist im ewigen Plane der Menschheitsentwickelung gelegen, daß auch diese physische Wissenschaft den Zugang zur geistigen Welt finden kann. In dem Zeitalter der physischen Forschung ist die Mathematik bereichert worden durch Newtons und Leibnizens Analyse des Unendlichen, durch die Differential- und Integralrechnung. Wer nun nicht nur abstrakt zu verstehen, sondern innerlich zu erleben sucht, was ein Differential wirklich darstellt, der prägt sich ein sinnlichkeitsfreies Anschauen ein. Denn im Differential wird die sinnliche Raumanschauung selbst im Symbol überwunden, das Erkennen des Menschen kann für Augenblicke rein mental werden. Dem Hellseher offenbart sich das dadurch, daß die Gedankenform des Differentials nach außen offen ist, im Gegensatz zu den Gedankenformen, die der Mensch durch sinnliches Anschauen erhält. Diese sind nach außen geschlossen. So wird durch die Analysis des Unendlichen einer der Wege eröffnet, durch die sich die höheren Sinne des Menschen nach außen öffnen. Dem Okkultisten ist bekannt, was für ein Vorgang mit demjenigen der Chakras sich vollzieht, das zwischen den Augenbrauen sitzt (2-blättrige Lotusblume), wenn er den Geist des Differentials in sich entwickelt. Ist nun der Mathematiker ein selbstloser Mensch, so kann er das, was er auf diese Art erringt, auf dem allgemeinen Altare der Menschenverbrüderung niederlegen. Und aus der scheinbar trockensten Wissenschaft kann eine wichtige Quelle für den Okkultismus werden. [1]

Michelangelo hat an seinem Moses die zweiblättrige Lotusblume als zwei Hörner wiedergegeben. Zunächst werden da zwei Lichtstrahlen bemerkbar, die immer breiter werden und dann anfangen, sich zu bewegen. Sie befähigt uns den Willen auszubilden. [2] Dieses Organ ist ein ins Astrallicht hinaufgehobenes Geruchsorgan. Damit lernt der Geistesschüler die wahre Stofflichkeit aller Dinge erkennen, die wahre Materie. [3]

Könnte man miterleben mit der Farbe, daß Rot und Blau lebendig und beweglich wird, so würde man tatsächlich auch innerlich mit dem lebendig sich bewegenden Farbenflutigen mitgehen, man würde die wie im Wirbel übereinander sich lagernden Attacken und Sehnsuchten, gleichzeitig in seiner Seele nachempfinden. All das, was der Mensch empfangen soll an Sehnsuchtsgewalten, ist etwas, was sich etwa in dem Blauen ausleben könnte. Das muß der Mensch auf der einen Seite so in seinem Haupte tragen, daß es gestaltend ist, und alles das, was in der roten Hälfte ausgedrückt ist, das muß der Mensch so haben, daß es aus seinem Organismus hinaufflutet bis zum Gehirn. Und diese zwei Strömungen sind tätig im menschlichen Gehirnbau. Äußerlich die Welt – das, nach dem der Mensch Sehnsucht hat, und das immer überflutet wird durch das, was aus dem eigenen Leibe aufwärtsflutet. Bei Tage ist es so, daß dasjenige, was in der blauen Hälfte ist, stärker flutet als dasjenige, was in der rot-gelben Hälfte ist. Bei Nacht ist es umgekehrt mit dem physischen Organismus. Und ein getreues Abbild von dem ist die 2-blättrige Lotusblume, die ebensolche Beweglichkeit und ebensolche Farbigkeit zeigt für den Betrachter. Und niemand wird je das, was in der Gestaltenwelt als das Produktive lebt, als der obere Teil des menschlichen Hauptes, richtig durchschauen können, wenn er nicht imstande ist, dieses verborgene Farbenfluten wiederum zu verfolgen. [4]

Fängt die 2-blättrige Lotusblume an sich zu bewegen, so findet der Mensch die Möglichkeit, sein höheres Ich mit übergeordneten geistigen Wesenheiten in Verbindung zu setzen. Die Ströme, welche von dieser Lotusblume ausgehen, bewegen sich so zu höheren Wirklichkeiten hin, daß die entsprechenden Bewegungen dem Menschen völlig bewußt sind. Wie das Licht dem Auge die physischen Gegenstände sichtbar macht, so diese Strömungen die geistigen Wesen höherer Welten. Durch Versenkung in der Geisteswissenschaft entstammende Vorstellungen, welche Grundwahrheiten enthalten, lernt der Schüler die Strömungen der Augenlotusblume in Bewegung setzen und dirigieren. [5]

Alle weißen Rassen sind jetzt dazu berufen, die (spirituelle) Kultur der fünften nachatlantischen Zeit in sich aufzunehmen. Nehmen wir nun an, Menschen würden sich dagegen sträuben. Dann bliebe vor allem das Blut, ohne dasjenige, was hineinkommen würde, wenn sie sich nicht sträuben würden. Das Zurückbleiben hinter der Evolution bedeutet, daß der Mensch sich gewissermaßen mit einem Formphantom, das giftig ist, imprägniert. Nun ist es so, daß gerade diese Lotusblume an solchen Menschen dasjenige, was da entsteht, sehr sichtbar macht; denn das geht bis zur Wärmewirkung, und solche Menschen züngeln gewissermaßen gegen die Verhältnisse der Außenwelt an, wenn diese etwas von dem zeigen, was für das Zeitalter heilsam wäre. [6]

In der 7. Wurzelrasse (siehe: Erdentwickelung – Zukunft) wird diese Lotusblume entwickelt. [7] Es wird sich eines Tages in zwei Fühlern oder Flügeln entwickeln. Die rechte Hand ist dazu bestimmt, sich später zurückzubilden. Die linke Hand ist das Organ, das überleben wird, wenn die zwei Flügel an der Stirn sich entwickelt haben werden. Das Gehirn der Brust wird das Herz sein, das ein Bewußtseinsorgan sein wird. Und es wird drei Organe für die Fortbewegung geben (linke Hand und die zwei Flügel). Die Sphinx fragte: Welches Wesen geht in seiner Kindheit auf allen vieren, in der Mitte seines Lebens auf zwei, im Alter auf drei Beinen? Dies Rätsel und seine Lösung bezieht sich auf die Entwickelung der ganzen Menschheit: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, wie man sie in den alten Mysterien kannte. Vierfüßig in einer verflossenen Epoche seiner Evolution, hält sich der Mensch heute aufrecht auf zwei Beinen. In der Zukunft wird er fliegen und wird sich dreier Hilfsmittel bedienen: die zwei Flügel, die sich aus der zweiblättrigen Lotusblume entwickeln, werden das Organ seines Bewegungswillens sein, und außerdem das umgewandelte Werkzeug der linken Brustseite und der linken Hand. Solcherart werden die Werkzeuge der zukünftigen Fortbewegung sein. [8]

Der Mensch bildet dasjenige, was (an der Nasenwurzel) sitzt und was im Groben nur als Geruchssinn erscheint, aber in das herüberspielt die Fähigkeit, die Tätigkeit des Auges, der Mensch bildet es aus ins Astralische hinein. Dadurch aber bekommt er die Fähigkeit, nicht bloß das wärmeelektromagnetische Fluidum zu verfolgen (wie das Tier), sondern eine fortwährende Wechselwirkung hervorzurufen mit dem Astrallichte, und wahrzunehmen mit der zweiblättrigen Lotusblume, was der Mensch fortwährend sein ganzes Leben hindurch ins Astrallicht hineinschreibt. Der Hund riecht nur dasjenige was geblieben ist, was da ist. Der Mensch verfährt anders, indem er mit seiner zweiblättrigen Lotusblume sich bewegt; auch dann, wenn er mit ihr nicht wahrnehmen kann, schreibt er fortwährend alles dasjenige, was in seinen Gedanken ist, in das Astrallicht hinein. Das Schauen befähigt ihn dann nur, das, was er hineinschreibt, eben zu verfolgen, wahrzunehmen, namentlich den wahren Unterschied von Gut und Böse. [9]

Indem der Mensch sich auf einen Punkt zwischen den Augen, an der Nasenwurzel, konzentriert mit dem Gedanken «Ich bin», da entwickelt er das Organ, welches wir die zweiblättrige Lotusblüte nennen, und welches ihn zum «Ich» macht. Das Tier kann nicht «ich» zu sich sagen. Nur der Mensch kann unter allen Wesen der Natur, die wir kennen, «ich» zu sich sagen. Als das Vorderhirn des Menschen sich bildete, da wurde das Organ des Ich in den Kopf des Menschen hineinverlegt an die Stelle der Nasenwurzel. Beim Menschen lebt das Ich dort. Aber beim Tiere ist das Ich nicht im Schädel, sondern draußen vor dem Kopfe. Es lebt beim Tier im Astralen. So haben zum Beispiel alle Hunde ein Ich im Astralen. An der Stelle, an der wir das Organ des Ich haben, strömt bei den Hunden ein roter Strom aus dem Astralen ein, und dies Ich äußert sich beim Hund in den niederen Trieben. Beim Menschen strömt an dieser Stelle das Ich aus. Nun genügt es aber nicht, daß beim Menschen das Organ des Ich ausgebildet ist. Damit das höhere Selbst in ihn einströmen kann, um ihn zu einem höheren Wesen zu machen, dafür finden wir das Organ, wenn wir von der Stelle über dem Mittelpunkt des Kopfes eine senkrechte Linie ziehen bis in das Gehirn. Dies Organ ist die Zirbeldrüse (Epiphyse). Durch die Zirbeldrüse tritt der Mensch in Verbindung mit dem göttlichen Selbst in der Welt. [10]

Zitate:

[1]  GA 34, Seite 550   (Ausgabe 1960, 627 Seiten)
[2]  GA 94, Seite 175f   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[3]  GA 233a, Seite 80   (Ausgabe 1980, 176 Seiten)
[4]  GA 286, Seite 104   (Ausgabe 1982, 136 Seiten)
[5]  GA 10, Seite 154   (Ausgabe 1961, 232 Seiten)
[6]  GA 174, Seite 15f   (Ausgabe 1966, 320 Seiten)
[7]  Bei 71, Seite 32   (Ausgabe 1980, 0 Seiten)
[8]  GA 94, Seite 71f   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[9]  GA 233a, Seite 79   (Ausgabe 1980, 176 Seiten)
[10]  GA 266/1, Seite 138   (Ausgabe 1995, 622 Seiten)

Quellen:

Bei 71:  Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe. Heft 71: Marie Steiner und Beatenberg (1980/1981)
GA 10:  Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? (1904/1905)
GA 34:  Lucifer – Gnosis. Grundlegende Aufsätze zur Anthroposophie und Berichte aus den Zeitschriften «Luzifer» und «Lucifer – Gnosis» 1903 – 1908 (1903-1908)
GA 94:  Kosmogonie. Populärer Okkultismus. Das Johannes-Evangelium. Die Theosophie an Hand des Johannes-Evangeliums (1906)
GA 174:  Zeitgeschichtliche Betrachtungen. Das Karma der Unwahrhaftigkeit – Zweiter Teil (1917)
GA 233a:  Mysterienstätten des Mittelalters. Rosenkreuzertum und modernes Einweihungsprinzip - Das Osterfest als ein Stück Mysteriengeschichte der Menschheit (1924)
GA 266/1:  Aus den Inhalten der esoterischen Stunden. Band I (1904-1909)
GA 286:  Wege zu einem neuen Baustil. «Und der Bau wird Mensch» (1914)