Auge

Das Auge ist ein kleines Gehirn, das von unserem Geiste so bearbeitet ist, daß der eigentliche Nervenapparat zurückgeschoben ist an die hintere Wand, wo sie zur Netzhaut des Auges geworden ist. So arbeiten die Baumeister der Natur, die Bildner der Formen. Im Grunde herrscht ein Bauplan in allen menschlichen Organen, der nur im einzelnen, je nach Bedarf, abgeändert wird. [1]

Der Ätherleib ist anders eingeschaltet im Muskel als im Auge: Im Muskel so, daß er sich mit den Funktionen des Muskels verbindet, im Auge so, daß gewissermaßen, weil das Auge sehr isoliert ist, der Ätherleib nicht eingeschaltet ist in den physischen Apparat, sondern verhältnismäßig selbständig ist. Dadurch kann mit dem Ätherleibteil im Auge der Astralleib eine innige Verbindung eingehen. Unser astralischer Leib ist innerhalb des Auges ganz anders selbständig als innerhalb unserer anderen physischen Organisation. Wenn sie sich so durchdringen wie Astralleib und Muskeln, so entsteht (vergleichsweise) Grau, und wenn sie sich so durchdringen wie unser Astralleib und unser Auge, so entsteht (vergleichsweise) Farbe, weil sie relativ selbständig bleiben, trotzdem sie im selben Raume sind. [2]

Das Auge ist eigentlich halb von außen gebildet; es ist dem Organismus eingegliedert. Der Organismus spart von sich aus – grob gesprochen – die Augenhöhle aus. Dann wird das Auge eingelagert. Es wird dem Organismus ein Fremdkörper eingegliedert. Es würde nie aus dem menschlichen Organismus heraus so etwas wie die Form der Linse oder des Glaskörpers, oder die substantielle Zusammensetzung der Linse oder des Glaskörpers erfolgen. Nun das alles, was sich da einlagert, was zum Teil sogar noch beim Auge ätherische, nicht bloß physische Einlagerung ist, das wird umfaßt durch den astralischen Leib und die Ich-Organisation, die eigentlich möglichst emanzipiert sind vom Physischen und Ätherischen beim Auge. [3] Die materiellen zwei Augen sind im Geistigen eines. Und das sitzt hier hinter der Nasenwurzel, dieses eine Auge (siehe: Astralleib – Organe: 2-blättriges Organ) dieses geistige, das sich abbildet und zu den zwei Augen wird. [4] Das Auge, das schon fertig ist, sieht die Vorderseite des Lichtes, das Physische. Aber das Auge wird von dem Geistigen, von dem Seelischen des Lichtes, von dem, was dahinter liegt, gebildet. [5] (Siehe dazu auch: Sinnesorgane).

Dasjenige, was vorgehen muß im menschlichen Organismus, damit sich die Augen so bilden – natürlich in einer langen Entwicklungsgeschichte des Menschen –, ist eigentlich ein fortdauernd ins Normale hinübergezogener, also nicht bis zum Ausbruch gekommener Entzündungsprozeß. Denken Sie sich dieselben Vorgänge, die im Entzündungsprozeß wirken, aufgehalten, verlangsamt und zusammen-geschoben, dann haben Sie den Bildungsprozeß des menschlichen Auges. So daß Sie sogar aus dem Anblick der Augen einen Eindruck bekommen können vom Menschen, ob er zu entzündlichen Zuständen neigt oder nicht. Sie werden das den Augen ansehen, wenn Sie sich darauf einschulen. [6]

In dem Maße, wie man ernsthaft während seiner esoterischen Entwickelung zum Beispiel das Auge ausschaltet, nicht mehr auf das physische Sehen reflektiert, in dem Maße lernt man kennen etwas, was sich in die eigene Organisation so hineinbohrt wie Lichtorganismen; man lernt dann wirklich erkennen, daß die inneren Lichtkräfte an unserem Organismus gearbeitet haben. Denn während man absieht von aller Tätigkeit des physischen Auges, fühlt man das Blickfeld durchzogen von den ätherischen Lichtkräften, die organisierend auf das Auge wirken. [7]

Die Verwandtenehe wirkt heute schädigend auf die geistige Tätigkeit der Kinder, besonders auf das Sinnesorgan, das mit der Verstandesentwickelung zusammenhängt, das Auge, daher gibt es so viele Blinde in Verwandtenehen. [8]

Es ist das Eigentümliche unserer zwei Augen, daß sie in bezug auf das Auffassen nicht gleich sind. Das rechte Auge ist mehr eingeschult auf Verstehen, wenn es etwas sieht; das linke Auge ist mehr eingestellt auf Interessehaben für dasjenige was man anschaut. [9]

Da wo der Sehnerv eintritt, ist das Auge unempfindlich (sogenannter blinder Fleck). Man sollte glauben, wenn der Nerv wirklich das wäre, was das Licht empfindet, da müßte er am stärksten es empfinden da, wo er eintritt. [10] Je weiter Sie nach außen gehen, desto physischer finden Sie das Auge, je mehr nach innen, desto mehr von Vitalität durchzogen. [11]

Wenn Sie des Morgens aufwachen, da sehen Sie manchmal sehr undeutlich die Ränder der Gegenstände, da sehen Sie diese so wie mit einem kleinen Nebel umgeben. In dem Augenblick, wo wir aufwachen, sind die Linse und der Glaskörper einander noch nicht angepasst. Die Linse ist mehr unlebendig, der Glaskörper von Vitalität durchzogen. Der Glaskörper will uns noch die Gegenstände so abbilden, wie er es kann, und die Linse so, wie sie es kann. Und wir müssen erst warten, bis sie sich gegenseitig eingestellt haben. [12]

Zitate:

[1]  GA 115, Seite 66   (Ausgabe 1965, 318 Seiten)
[2]  GA 320, Seite 59f   (Ausgabe 1987, 204 Seiten)
[3]  GA 314, Seite 316   (Ausgabe 1975, 328 Seiten)
[4]  GA 214, Seite 156   (Ausgabe 1980, 208 Seiten)
[5]  GA 218, Seite 319   (Ausgabe 1976, 336 Seiten)
[6]  GA 312, Seite 268   (Ausgabe 1976, 392 Seiten)
[7]  GA 145, Seite 46   (Ausgabe 1976, 188 Seiten)
[8]  GA 97, Seite 172   (Ausgabe 1981, 340 Seiten)
[9]  GA 282, Seite 191   (Ausgabe 1926, 414 Seiten)
[10]  GA 320, Seite 75   (Ausgabe 1987, 204 Seiten)
[11]  GA 320, Seite 128   (Ausgabe 1987, 204 Seiten)
[12]  GA 320, Seite 75   (Ausgabe 1987, 204 Seiten)

Quellen:

GA 97:  Das christliche Mysterium (1906/1907)
GA 115:  Anthroposophie – Psychosophie – Pneumatosophie (1909/1911)
GA 145:  Welche Bedeutung hat die okkulte Entwicklung des Menschen für seine Hüllen (physischer Leib, Ätherleib, Astralleib) und sein Selbst? (1913)
GA 214:  Das Geheimnis der Trinität. Der Mensch und sein Verhältnis zur Geistwelt im Wandel der Zeiten (1922)
GA 218:  Geistige Zusammenhänge in der Gestaltung des menschlichen Organismus (1922)
GA 282:  Sprachgestaltung und Dramatische Kunst. Dramatischer Kurs (1924)
GA 312:  Geisteswissenschaft und Medizin (1920)
GA 314:  Physiologisch-Therapeutisches auf Grundlage der Geisteswissenschaft. Zur Therapie und Hygiene (1920/1924)
GA 320:  Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik, I. Erster naturwissenschaftlicher Kurs: Licht, Farbe, Ton – Masse, Elektrizität, Magnetismus (1919/1920)