Gehirn

So sonderbar dies klingt den heute gebräuchlichen Vorstellungen gegenüber: Das Gehirn ist am meisten irdisches Erzeugnis. Äußerlich zeigt sich dieses übrigens dadurch, daß bis zu einem hohen Grade eben um das siebente Jahr herum das menschliche Gehirn zu einer Art von Abschluß gekommen ist in seiner inneren Formung, im Verfestigen seiner Teile und so weiter. [1]

Man hat zwischen den gewöhnlichen Gedanken und einer die Welt durchflutenden Gedankenwelt zu unterscheiden. Weil dieses Gehirn aus der Gedankenwelt geboren ist, ist der menschliche Geist imstande, nicht nur solche Gedanken hervorzubringen, welche der Gedankenwelt des Gehirns entsteigen, sondern auch an jener Gedankenwelt teilzuhaben, die hinter der physischen Organisation waltet. So haben wir es mit einem Doppelsein des Geistes zu tun. Wir haben den Geist, der uns zunächst an der Oberfläche in den Naturerscheinungen, in Kunst und Wissenschaft und in ökonomischen Erzeugnissen der Technik und der Industrie erscheint. Dieser Geist ist ein Erzeugnis des physischen Leibes. Aber hinter diesem steht sein Schöpfer, und der ist wieder Geist. Durch ein Bild machen Sie sich das klar. Sie denken sich, ich hätte hier Wasser, das ich durch eine bestimmte Prozedur so abkühle, daß es zu Eis wird. Wenn wir einen Teil des Eises so erwärmen, daß es wieder zu Wasser wird, dann haben wir ein dreifach Verschiedenes: das ursprüngliche Wasser ringsherum, das Eis und das, was wiederum zu Wasser wird. So betrachten Sie das menschliche Gehirn. Der Geist, der die ganze Welt ausfüllt, hat sich zum Gehirn verdichtet wie das Wasser zum Eis, und vom Gehirn werden wieder die Gedanken abgeschieden wie das Wasser von dem erwärmten Eis. So können Sie alles Materielle im Grunde genommen wie eine Verdichtung des Geistes auffassen, wie eine Zusammenziehung des Geistes, und das Geistige, das in der physischen Welt erscheint, können Sie betrachten als hervorgegangen aus dem Physischen. [2]

Im Gehirn ist das Ätherische mit dem Physischen zusammen. Während wir beim Wachen in bezug auf den übrigen Leib sehr stark zusammenhängen wenigstens mit dem astralischen, mit dem physischen Organ, behalten wir für das Gehirn den Zustand, in dem wir im Schlafe sind, am meisten bei. Daher brauchen wir für das Gehirn den physischen Schlaf am meisten. [3]

An der Gehirnsubstanz hat einen wesentlich großen Anteil der astralische Leib und nur einen geringen der Ätherleib (siehe dazu: Bildekräfte). [4] Das was da (an Vorstellungen) durch die Arbeit des Gehirns erscheint, das ist innere übersinnliche Tätigkeit der drei höheren Glieder der menschlichen Organisation. Daß diese für den Menschen selber erscheinen kann, dazu ist der Spiegel des Gehirns notwendig, so daß wir das, was wir übersinnlich sind, wahrnehmen durch den Spiegel des Gehirns. Und es ist lediglich eine Folge der gegenwärtigen menschlichen Organisation, daß das so sein muß. Der Mensch würde seine Gedanken zwar denken, aber er könnte nichts wissen von ihnen als gegenwärtiger Erdenmensch, wenn er nicht den spiegelnden Leibesorganismus, zunächst das Gehirn hätte. In alledem, was äußere physische Leibesorganisation ist, geht gar nichts vor von dem, was Denken, was Erkennen ist, sondern das geht (alles) in dem anschließenden Ätherleib, Astralleib und so weiter vor. Da drinnen sitzen die Gedanken. Und diese Gedanken gehen nicht etwa in das Gehirn hinein – das zu denken wäre ein völliger Unsinn, sondern sie werden gespiegelt durch die Tätigkeit des Gehirns und wiederum zurückgeworfen in den Ätherleib, Astralleib und das Ich, und die Spiegelbilder, die wir selbst erzeugen und die uns sichtbar werden durch das Gehirn, die sehen wir, wenn wir als Erdenmenschen gewahr werden, was wir eigentlich treiben in unserem Seelenleben. Da drinnen im Gehirn ist gar nichts von einem Gedanken. Das Gehirn ist ein ungeheuer komplizierter Spiegel, und es muß eine komplizierte Tätigkeit stattfinden, damit das Gehirn das Werkzeug werden kann, um nicht unsere Gedanken zu erzeugen, sondern sie zurückzuspiegeln. [5]

Das ganze Gehirn ist eine Absonderung. Und wenn man das Gehirn mit etwas vergleichen will, so muß man es nicht vergleichen mit dem Darm (als Organ), sondern mit dem was im Darm drinnen ist. Die Denktätigkeit besteht nicht in einer Tätigkeit des Gehirns, sondern die Denktätigkeit besteht darinnen, daß das Gehirn vom Denken ausgesondert, abgesondert wird. Nur der physische Leib und der Ätherleib bauen auf. Der astralische Leib und das Ich bauen wieder ab, die sind zum Absondern da, die sondern fortwährend ab. [6]

Man wird das Gehirn des Menschen nur begreifen, wenn man in ihm die knochenbildende Tendenz sehen kann, die im allerersten Entstehen unterbrochen wird. [7] Im Gehirn ist das Ich als geistige Wesenheit tätig. Seine formbildende, ins Physische hinein wirkende Kraft wird aber da ganz vom ätherischen Organisieren, ja von den Eigenkräften des Physischen überwältigt. Dem Gehirn liegt die organisierende Kraft des Ich nur leise zugrunde; sie geht im Lebendigen und in den physischen Eigenwirkungen unter. Gerade das ist der Grund, warum das Gehirn der Träger der geistigen Ich-Wirkung ist, daß die organisch-physische Betätigung da von der Ich-Organisation nicht in Anspruch genommen wird, diese daher als solche völlig frei sich betätigen kann. Das Knochenskelett dagegen ist zwar das vollkommene physische Bild der Ich-Organisation; diese aber erschöpft sich in dem physischen Organisieren, so daß von ihr als geistige Betätigung nichts mehr übrig bleibt. Die Vorgänge in den Knochen sind daher die am meisten unbewußten. [8]

Man hat die Imagination eigentlich nötig, um den Gehirnbau zu verstehen. [9] Das beruht darauf, daß in der Tat das menschliche Gehirn, überhaupt das ganze Nerven-Sinnessystem, ein Abdruck eines Imaginativen ist. Und vollständig verstehen lernt man den Wunderbau des menschlichen Gehirnes erst, wenn man imaginativ forschen kann. Dann hat man dieses menschliche Gehirn gegeben als realisierte menschliche Imagination. Das imaginative Erkennen lehrt, das äußere Gehirn, das Gehirn, das wir durch die Physiologie und durch die Anatomie kennenlernen, als realisierte Imagination kennenzulernen. [10] Das Gehirn ist eigentlich wie eine realisierte, wie eine stoffgewordene Imagination des seelischen Lebens, es ist Bild; während der rhythmische Organismus es nicht bis zum Bild gebracht hat. Erst dann wird die Gehirnphysiologie auf einer gesunden Grundlage sein, wenn man einmal auf diese Weise als materialisierte Imagination das Gehirn wird aufzufassen in der Lage sein. [11]

Das hellseherische Bewußtsein sieht den Kopf des ganz jungen Kindes umgeben von ätherischen, astralischen Strömungen und Kräften. Diese ätherisch-astralischen Strömungen und Kräfte werden aber allmählich undeutlicher und verlieren sich nach einiger Zeit. Was da vorgeht, können Sie eigentlich schon erschließen ohne hellseherische Beobachtung, es bestätigt das, was jetzt gesagt wird. Sie können sich sagen, daß das Gehirn des Menschen unmittelbar nach seiner Geburt noch nicht so ist wie später, nach einigen Wochen oder Monaten. Das Kind nimmt zwar die Außenwelt schon wahr, aber in seinem Gehirn ist noch nicht solch ein Instrument gegeben, daß es die äußeren Eindrücke in einer bestimmten Weise miteinander verbinden kann. Diese Verbindungsstränge, durch die der Mensch allmählich lernt, das, was er in der Außenwelt sieht, gedanklich zu verknüpfen, werden erst nach und nach ausgebildet, nachdem das Kind schon geboren ist. Diejenigen Kräfte, welche die Verbindungsstränge herausgliedern, sind in den ersten Wochen der kindlichen Entwickelung für den Hellseher zu sehen wie etwas, was das Gehirn noch extra einhüllt. Aber das, was das Gehirn einhüllt, geht hinein in das Gehirn und lebt später im Gehirn drinnen. Was hineingeschlüpft ist, das wird hüllenlos tätig erst im 20. bis 22. Jahre, da wird es frei, dann entwickelt es die Intensität. [12]

Wenn es nur die elementarische und nur die geistige Welt geben würde, dann hätte niemals das zustande kommen können, was das menschliche Organ der Intelligenz ist. Zwar ist die Welt des Geistes eine hohe, eine bedeutend hohe Welt. Aber aus einer höheren Welt heraus müssen dem Menschen die Kräfte zuströmen, die sein physisches Denkorgan hier in der physischen Welt geformt haben, damit sich dann äußerlich in der physischen Welt das kundgeben kann, was wir Verstand, Intelligenz nennen. Die Geisteswissenschaft hat nicht mit Unrecht die Grenzscheide der geistigen Welt, die wir beschrieben haben als die Hierarchienwelt, im Gleichnis ausgedrückt durch das Wort Tierkreis. Damit der Mensch dieses Wesen werden konnte, das aufrecht geht und mit dem Gehirndach zudeckt alle übrigen Organe und Intelligenz entwickelt, dazu war das Einströmen von höheren Kräften notwendig, von Kräften, die in einer Welt noch über der als geistigen geschilderten liegen. Das nannte man immer in der Geisteswissenschaft die Vernunftswelt. [13]

Gewisse Lappen unseres Gehirnes, die heute innerhalb unserer Schädeldecke eingeschlossen liegen, waren während der Mondenentwickelung noch frei beweglich. Heute sind sie festgebunden, können sich nicht physisch bewegen. Aber ätherisch bewegen sie sich, wenn wir denken. Wenn wir nicht diese feste Hirnschale bekommen hätten, die diese Hirnlappen zusammenhält, dann würden wir mit unseren Gehirnlappen greifen und würden Gesten machen, Gesten machen wie jetzt mit unseren Händen, aber wir würden nicht denken. Da mußten erst unsere Gehirnlappen physisch festgehalten werden, und das Äthergehirn mußte die Möglichkeit bekommen, herausgerissen zu werden. Es wird eine Zeit kommen, wo unsere Hände fest sein werden, wo noch manches andere fest sein wird. Das wird die Jupiterzeit sein. Dann wird dasjenige, was jetzt so frei an uns erscheint, gleichsam an unserem mittleren, an unserem Herzkörper hängt, das wird dann umschlossen sein von einer Hülle, wie jetzt das Gehirn umschlossen ist von einer Gehirnschale. Das, was da an uns ist, wovon die Hände der sichtbarste Ausdruck sind, ist etwas, was in Vorbereitung ist, einmal ein Denkorgan zu werden. Und Sie deuten die Schulterblätter im menschlichen Leibe richtig, wenn Sie sie ansehen als kleine Knochenstücke, die eigentlich gehören – nur ist das andere nicht ausgebildet – zu einem Schädel, der sich darüberschließt. Wenn Sie heute Gesten machen mit den Händen, bereiten Sie spätere Gedanken vor, Gedanken, die dann ganz so viel auffassen werden die Vorgänge der elementarischen Welt, wie Sie jetzt mit Ihrem Haupt auffassen die Vorgänge der physischen Welt. [14]

Wenn ich bloß denke, nur Gedanken hege, dann kann das hellsichtige Bewußtsein sehen, wie auch etwas wie geistige Arme sich herauserstreckt aus dem Kopfe, aber das physische Gehirn bleibt in der Schale darinnen. Geradeso wie meine ätherische und astralische Hand zu meiner physischen gehört, so gehört auch etwas Ätherisches und Astralisches zu dem Gehirn. Das Gehirn kann nicht folgen, die Hände können aber folgen. Die Hände sind auf dem Wege, das zu werden, was das Gehirn heute schon ist. In früheren Zeiten, während der alten Sonnen- und Mondenzeit, war dasjenige, was sich heute vom Gehirn aus ausstreckt und nur geistig ist, auch noch begleitet von dem physischen Organ. Es hat jetzt sich nur die Schädelhülle darübergespannt, so daß das physische Gehirn darin festgebannt ist während der Erdentwickelung. Die Hände sind auf dem Wege, ähnlich zu werden wie das Gehirn, denn der ganze Mensch ist auf dem Wege, ein Gehirn zu werden. Unser gewöhnliches Gehirn wird eigentlich nur als Werkzeug für die niederste Form der Weisheit gebraucht, für die irdische Klugheit. Aber je mehr wir Weisheit erwerben, desto weniger sind wir angewiesen auf unser großes Gehirn, desto mehr ziehen sich, was die äußere Anatomie nicht weiß, die Tätigkeiten zurück auf unser kleines Gehirn (Cerebellum), das wie ein Baum aussieht. Wir Menschen befinden uns dann, wenn wir weise geworden sind, wenn wir Weisheit geworden sind, tatsächlich unter einem «Baume», der unser kleines Gehirn ist und der dann insbesondere anfängt, seine Tätigkeit zu entfalten. Stellen Sie sich einmal vor, ein besonders weise gewordener Mensch streckt die Organe seiner Weisheit wie die Äste eines Baumes mächtig hinaus. Sie haben ihre Quelle im kleinen Gehirn, das sitzt in der Schädelhülle darin, aber die geistigen Organe erstrecken sich hinaus, und er ist unter dem Baume, dem Buddha-Baum (siehe: Bodhibaum), in geistiger Realität. [15] Das Gehirn ist von Kräften durchzogen, die, wenn man durch die Pforte des Todes geht, eigentlich ganz fortgehen und beim nächsten Leben wird dann das Gehirn vollständig neu aufgebaut, auch die inneren Kräfte dazu, nicht nur das Materielle. Das was im Gehirn funktioniert, ist fort, das kommt nicht in einer nächsten Inkarnation heraus. [16]

Daß wir das über das tierische Gehirn hinausgehende bessere Gehirn haben, das ist nur aus dem Grunde, weil wir die Gehirnnerven besser ernähren, als die Tiere es können. [17] Beim Hunde ist ein deutliches Riechorgan vorhanden. Beim Menschen ist der größte Teil dieses Riechorgans umgewandelt zum Verstandesgehirn. Was wir hinter der Nase haben, ist ein umgewandeltes Riechorgan. Wir verstehen die Dinge; der Hund versteht sie nicht, er riecht sie. [18] Diese vorderen Partien des Gehirnes sind im wesentlichen eigentlich doch nur das umgewandelte Geruchsorgan. Und im Sinne der physischen Wissenschaft gescheit sein, heißt eigentlich: als Mensch die Geruchsnerven soweit umgebildet zu haben, daß gute Assoziationsnerven daraus geworden sind, die Werkzeuge sein können für das Kombinieren der sinnlichen Vorstellungen. Gescheit sein heißt eigentlich, denjenigen Teil seines Gehirns gut umgebildet zu haben, der bei den niederen Wesen, den Tieren, der Nase angehört. Es heißt eigentlich nur, einen kombinierenden guten Spürsinn zu haben. [19]

Das Gehirn war sozusagen das letzte, was am Menschen ausgearbeitet worden ist (im Laufe der Evolution). Die andere Organisation ist früher hineingearbeitet worden von den Geistern der verschiedenen Hierarchien. Aber noch heute arbeitet das halb Unterbewußte an der Organisation des Gehirns fort, so daß man es beobachten kann, nur wird es nicht in der richtigen Weise interpretiert. Betrachten wir ein Beispiel. Als Broca im April 1861 gefunden hatte, daß das Werkzeug des Sprechens in der dritten Stirnwindung des Großhirns liegt; gerade daran, wie dieses Sprachzentrum sich ausbildet, zeigt, daß die äußeren Bewegungen des Menschen, die Bewegungen seiner Hände, also das, was der Mensch halb unbewußt im Leben vollzieht, mitwirkt an der Konfiguration dieses Sprachzentrums. Warum ist dieses Sprachzentrum bei den Menschen auf der linken Seite besonders ausgebildet? Weil der Mensch nach den bisherigen Kultur-bedingungen die rechte Hand besonders gebrauchte. So ist es der ätherische und der astralische Leib, der aus dem Unterbewußten die Gesten der Hände ausführt, der hineinwirkt in das Gehirn und dieses formt. Wenn dieser Teil verletzt oder gelähmt wird, dann gibt es keine Sprachfähigkeit. (Ein Linkshänder) erhält ein Sprachzentrum in der dritten entsprechenden Hirnwindung dann auf der rechten Seite. Es ist das Irrtümlichste, was wir uns vorstellen können, wenn wir denken, daß die Sprachfähigkeit durch Gehirnanlage gebildet wird. Nein die Gehirnanlagen machen sie nicht, sondern der Mensch in seiner Tätigkeit, die er entwickelt. Das Sprachorgan kommt von der Sprache, nicht die Sprache von dem Sprachorgan. Das ist es, was durch diese bedeutsame physiologische Tatsache des Broca gefunden worden ist. Dadurch daß die Geister der Hierarchien den Menschen verholfen haben, solche Tätigkeiten auszuführen, welche ihm seine Sprachzentren schaffen, ist von außen das Sprachzentrum gebildet worden. [20] Unser Gehirn paßt sich unserem Denken an; es ist ein Werkzeug, das sich nach den Bedürfnissen unseres Denkens formt. [21] Das Gehirn ist plastisch ausgestaltet durch das Denken. Wenn nur solche Gedanken ausgebildet werden, wie sie heute gang und gäbe sind, wenn die Gedanken nicht durchdrungen werden von der Weisheit des Spirituellen, dann können sich die Seelen, die sich heute nur in dem Materiellen denkend beschäftigen, in den späteren Inkarnationen ihres Gehirns nicht mehr ordentlich bedienen, weil die Kräfte das Gehirn nicht mehr angreifen können, weil sie zu schwach werden. [22]

Das ist so, daß eine Seele, die heute bloß sich mit den Usancen des kommerziellen oder industriellen Lebens beschäftigt oder nur materialistische Wissenschaftsbegriffe aufnimmt, sich anfüllt mit Denkgebilden, die nach und nach in späteren Inkarnationen das Bewußtsein verdunkeln, weil das Gehirn wie eine unplastische Masse – gerade wie heute bei der Gehirnerweichung – nicht mehr von den Denkkräften angegriffen werden könnte. Daher muß für den, der in diese tieferen Kräfte der menschheitlichen Entwickelung hineinschaut, alles, was in der Seele leben kann, durchsetzt werden von der spirituellen Erfassung der Welt. [23]

Wir haben zwei deutlich unterschiedene Glieder unseres Gehirnes: das mehr äußere Gehirn, die graue Masse, darunterliegend die mehr weiße Masse. Diese geht dann in die Sinnesorgane hinein; die graue Masse liegt darinnen, sie ist viel weniger entwickelt als die weiße Masse. Annähernd grau und weiß ist sie ja nur. Aber schon so grob anatomisch betrachtet, ist die Sache so: Da machen die Gegenstände auf uns einen Eindruck, gehen durch das Auge, gehen weiter zu Vorgängen in der weißen Masse des Gehirnes. Dagegen unsere Vorstellungen haben ihr Organ in der grauen Masse, die dann eine ganz andere Zellenbildung hat. Da drinnen flimmern die Vorstellungen, die verschwinden wie die Träume. Die graue Gehirnmasse wirkt, indem sie da ihrerseits träumt von den Eindrücken, Bilder entwirft von den Eindrücken. Die gehen vorüber. Dasjenige, was bleibt, das stellen wir gar nicht vor in diesem Augenblick, sondern das geht da unten in unsere Organisation hinein. Und wenn wir uns erinnern, so schauen wir hinein: da unten bleibt der Eindruck (Genaueres siehe unter: Erinnerung). Wenn Sie also Blau gesehen haben, so geht von dem Blau ein Eindruck in Sie hinein, Sie bilden sich die Vorstellung von Blau. Die geht vorüber. Nach drei Tagen beobachten Sie in ihrem Gehirn den Eindruck, der geblieben ist (im physischen Leib verbunden mit dem Ätherleib). Und Sie stellen sich jetzt, indem Sie nach innen schauen, das Blau vor. Das erste Mal, wenn Sie das Blau von außen sehen, werden Sie von außen angeregt durch den Gegenstand, der blau ist. Das zweite Mal, wenn Sie sich erinnern, werden Sie von innen angeregt, weil die Blauheit in Ihnen sich abgebildet hat. Der Vorgang ist in beiden Fällen derselbe. Es ist immer ein Wahrnehmen, die Erinnerung ist auch ein Wahrnehmen. Unter dem Vorstellen liegt das eigentliche Wahrnehmen, und unter diesem erst das Fühlen. [24]

Wenn wir den menschlichen Hauptesorganismus betrachten, so haben wir in ihm, zunächst mehr zentral gelegen, die Ausläufer der Sinnesnerven, die in einer wunderbaren Weise sich vernetzen und verstricken. Was mehr in der Mitte des Gehirns im menschlichen Haupte liegt, was die Organisation der Sinnesnerven nach innen ist, das ist eigentlich ein Wunderbau. Das ist im Grunde genommen dasjenige, was am vollkommensten in bezug auf die physische Organisation dasteht; denn da prägt sich das Ich des Menschen in seiner Wirksamkeit auf den physischen Leib am allerintensivsten aus. In jener Art, wie die Sinnesnerven nach innen gehen, sich miteinander verbinden, etwas wie eine innere Gliederung im ganzen Organismus bewirken, da strebt die menschliche Organisation über das Tierische weit, weit hinaus. Das ist ein Wunderbau. [25] (Siehe auch: Migräne).

Das Gehirn des Menschen hat unmittelbar sehr wenig zu tun mit dem, was Sonnenwirkungen auf der Erde sind. Mittelbar als Wahrnehmungsorgan sehr wohl, indem es zum Beispiel das äußere Licht, die Farben wahrnimmt; aber das ist eben Wahrnehmung. Aber unmittelbar in seinem Bau, in seiner inneren Beweglichkeit, in seinem ganzen Innenleben hat das Gehirn wenig, kaum irgend etwas mit den Sonnenwirkungen auf die Erde zu tun; es hat zu tun viel mehr mit all dem, was auf unsere Erde einstrahlt von dem, was außerhalb unseres Sonnensystems ist; dieses Gehirn hat zu tun mit den kosmischen Verhältnissen des ganzen Sternenhimmels, aber nicht mit den engeren Verhältnissen unseres Sonnensystems.

In einer engeren Beziehung steht allerdings das, was wir als Gehirnsubstanz zu bezeichnen haben, mit dem Mond, aber nur insoweit der Mond nicht von der Sonne abhängig ist, insofern er seine Unabhängigkeit von der Sonne bewahrt hat. So daß also das, was in unserem Gehirn vorgeht, Wirkungen entspricht, die außerhalb derjenigen Kräfte liegen, die in unserem Herzen ihr menschliches mikrokosmisches Abbild finden. Sonne lebt im menschlichen Herzen; was außerhalb der Sonne im Kosmos vorhanden ist, lebt im menschlichen Gehirn. [26] In gewisser Beziehung ist sogar die Struktur des Gehirns eine Art Spiegelbild der Stellung der Himmelskörper, die bei der menschlichen Geburt vorhanden ist für denjenigen Punkt auf der Erde, an dem der Mensch geboren wird. [27]

Gerade so wie die Fußspuren etwas sind, was in der Erde gefunden wird, aber herrührt von dem Menschen, der darüber gegangen ist, so ist dasjenige, was Struktur des Gehirns ist, selbstverständlich so da, wie es die Biologie und Physiologie schildert, aber das Denken hat das eingegraben, und das Denken ist schon ein Geistiges. Das Gehirn muß als eine Widerlage da sein, solange ich zwischen Geburt und Tod lebe; es muß sich dasjenige, was in mir geistig lebt, nach den Bedingungen des Daseins zwischen Geburt und Tod an etwas zurückspiegeln. Dieser Spiegelungsapparat ist das Gehirn, nur daß die Spiegelung eine lebendige ist, so wie wenn in einem Spiegel nicht bloß eine glatte Fläche das Licht spiegelt, sondern wie wenn sich alles eingraben würde, und man an der Struktur noch sehen könnte, was sich gespiegelt hat; so spiegelt es sich vom Gehirn aus. Man wird begreifen müssen, daß das Denken als solches schon etwas Spirituelles ist, daß wir bereits in der geistigen Welt drinnen stehen, wenn wir denken. [28]

Sie könnten nicht denken, wenn die Geister der Bewegung, die Dynamis nicht an den Denkapparaten, welche die Fortsetzung der Sinnesapparate sind, arbeiten würden, nicht den Kombinierungsapparat, der ein bloß umgestalteter Geruchsapparat ist, sondern den Denkapparat, den der Mensch im gewöhnlichen physischen Leben gar nicht gebraucht, denn der Mensch gebraucht den bloß umgewandelten Geruchsapparat. Er hat sich schon abgewöhnt, die Sinnessphäre zu benützen; er würde ganz anders denken, wenn er die zwölf nach innen gehenden Fortsetzungen der Sinnessphäre wirklich benützen könnte. Im Gehirn liegt zum Beispiel hinter der Vorderhirnsphäre, die im wesentlichen umgearbeitetes Geruchsorgan ist, die Sehsphäre. Die benützt der Mensch kaum. Würde er sie unmittelbar benützen, würde er sein Vorderhirn ausschalten und denken mit der unmittelbaren, mit der Vierhügelpartie, mit der Sehpartie, da wo sie einmündet in das Gehirn, dann würde er Imaginationen haben. [29]

Zitate:

[1]  GA 35, Seite 249   (Ausgabe 1965, 484 Seiten)
[2]  GA 96, Seite 98f   (Ausgabe 1974, 350 Seiten)
[3]  GA 159, Seite 21   (Ausgabe 1980, 388 Seiten)
[4]  GA 136, Seite 124   (Ausgabe 1984, 246 Seiten)
[5]  GA 129, Seite 140ff   (Ausgabe 1960, 254 Seiten)
[6]  GA 352, Seite 145f   (Ausgabe 1967, 196 Seiten)
[7]  GA 27, Seite 42   (Ausgabe 1984, 142 Seiten)
[8]  GA 27, Seite 43   (Ausgabe 1984, 142 Seiten)
[9]  GA 314, Seite 92   (Ausgabe 1975, 328 Seiten)
[10]  GA 204, Seite 36f   (Ausgabe 1979, 328 Seiten)
[11]  GA 82, Seite 110   (Ausgabe 1994, 264 Seiten)
[12]  GA 107, Seite 297f   (Ausgabe 1973, 328 Seiten)
[13]  GA 119, Seite 159f   (Ausgabe 1962, 279 Seiten)
[14]  GA 156, Seite 81f   (Ausgabe 1967, 183 Seiten)
[15]  GA 159, Seite 16f   (Ausgabe 1980, 388 Seiten)
[16]  GA 159, Seite 19   (Ausgabe 1980, 388 Seiten)
[17]  GA 293, Seite 42   (Ausgabe 1980, 216 Seiten)
[18]  GA 354, Seite 150   (Ausgabe 1969, 246 Seiten)
[19]  GA 180, Seite 68   (Ausgabe 1980, 351 Seiten)
[20]  GA 129, Seite 214ff   (Ausgabe 1960, 254 Seiten)
[21]  GA 59, Seite 22   (Ausgabe 1984, 320 Seiten)
[22]  GA 144, Seite 77   (Ausgabe 1960, 84 Seiten)
[23]  GA 144, Seite 78   (Ausgabe 1960, 84 Seiten)
[24]  GA 235, Seite 105ff   (Ausgabe 1984, 228 Seiten)
[25]  GA 319, Seite 190   (Ausgabe 1982, 256 Seiten)
[26]  GA 145, Seite 39f   (Ausgabe 1976, 188 Seiten)
[27]  GA 145, Seite 41   (Ausgabe 1976, 188 Seiten)
[28]  GA 176, Seite 195   (Ausgabe 1982, 392 Seiten)
[29]  GA 180, Seite 99   (Ausgabe 1980, 351 Seiten)

Quellen:

GA 27:  Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen. Von Dr. Rudolf Steiner und Dr. Ita Wegman (1925)
GA 35:  Philosophie und Anthroposophie (1904-1923)
GA 59:  Metamorphosen des Seelenlebens – Pfade der Seelenerlebnisse. Zweiter Teil (1910)
GA 82:  Damit der Mensch ganz Mensch werde. Die Bedeutung der Anthroposophie im Geistesleben der Gegenwart (1922)
GA 96:  Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft. Christliche Esoterik im Lichte neuer Geist-Erkenntnis (1906/1907)
GA 107:  Geisteswissenschaftliche Menschenkunde (1908/1909)
GA 119:  Makrokosmos und Mikrokosmos.. Die große und die kleine Welt. Seelenfragen, Lebensfragen, Geistesfragen (1910)
GA 129:  Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen (1911)
GA 136:  Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen (1912)
GA 144:  Die Mysterien des Morgenlandes und des Christentums (1913)
GA 145:  Welche Bedeutung hat die okkulte Entwicklung des Menschen für seine Hüllen (physischer Leib, Ätherleib, Astralleib) und sein Selbst? (1913)
GA 156:  Okkultes Lesen und okkultes Hören (1914)
GA 159:  Das Geheimnis des Todes. Wesen und Bedeutung Mitteleuropas und die europäischen Volksgeister (1915)
GA 176:  Menschliche und menschheitliche Entwicklungswahrheiten. Das Karma des Materialismus (1917)
GA 180:  Mysterienwahrheiten und Weihnachtsimpulse. Alte Mythen und ihre Bedeutung. Alte Mythen und ihre Bedeutung (1917/1918)
GA 204:  Perspektiven der Menschheitsentwickelung. Der materialistische Erkenntnisimpuls und die Aufgabe der Anthroposophie (1921)
GA 235:  Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge - Erster Band (1924)
GA 293:  Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik (1919)
GA 314:  Physiologisch-Therapeutisches auf Grundlage der Geisteswissenschaft. Zur Therapie und Hygiene (1920/1924)
GA 319:  Anthroposophische Menschenerkenntnis und Medizin (1923/1924)
GA 352:  Natur und Mensch in geisteswissenschaftlicher Betrachtung (1924)
GA 354:  Die Schöpfung der Welt und des Menschen. Erdenleben und Sternenwirken (1924)