Ich höheres

Ebenso (wie beim physischen Leib die physische Substanz) erneuert sich die Äthersubstanz, obwohl ihre Form und Struktur einheitlich unter der Obhut des höheren Ich bleibt. [1] Mit einem verstärkten Seelenleben lernt man erkennen, daß in der Tat der Mensch den Vorstellungen gegenüber, die subjektiv, wie von innen heraussprudelnd und ihn tyrannisch bestimmend, 2 bis 3 Tage hindurch walten, nach dieser Zeit innerlich so frei wird, wie er sonst frei ist von seinem gewöhnlichen Leib. Der Mensch lernt erkennen, was er in seinem Innern ist, was die Vorstellungen so lenkt, wie wir die Hand, wie wir das Bein lenken, wenn wir greifen oder gehen, durch unser gewöhnliches Ich. Der Mensch lernt das sonst unbewußt bleibende höhere Ich kennen, das sich innerhalb der Vorstellungswelt so bewegt, wie das gewöhnliche Ich sich im Leibesleben bewegt, das heißt wir kommen nach 2 bis 3 Tagen aus demjenigen, was subjektiv ist, in das Objektive des Seelenlebens hinein. [2]

Das Ich ist im Grunde genommen für die vorstellende und sonstige Betrachtung nicht da, das wirkliche Ich entzieht sich dem gewöhnlichen Seelenleben, weil der Mensch in seinem gegenwärtigen Entwickelungsstadium mit Bezug auf das Ich auch bei Tage schläft. Wir wissen im Grunde genommen für das gewöhnliche Bewußtsein nur negativ von unserem Ich, wir wissen davon so, wie das Auge schaut mit dem dunklen Fleck, den es im Inneren hat. Wir wissen, daß da nichts ist. Das Erkraften des Ich ist eigentlich in gewissem Sinne ein Erwecken, ein sich selbst zum Erwachen bringen mit Bezug auf dasjenige, was vom Ich fortwährend schläft. [3] Kann etwas in uns bewußt werden, das bloß in unserem Inneren lebt? Solange es bloß in unserem Inneren lebt, ist es uns nicht bewußt. Es ist das höhere Ich in Ihnen drinnen. Es muß aber heraus, wenn Sie es wahrnehmen sollen, und das kann nur auf dem Astralplan geschehen. [4] Das höhere Ich kann mit dem paulinischen Wort charakterisiert werden: Nicht ich – sondern der Christus in mir, – sondern ein höheres Bewußtsein in mir! [5]

Wie sich der Mensch jetzt an dieses Ich erinnert, welches das luziferische Ich ist, so wird er sich später – und das tritt in den nächsten drei Jahrtausenden als etwas ganz Besonderes in die Menschheitsentwickelung herein – wie in einer Imagination gegenüberstehend sehen einem anderen Ich. Er wird sich künftig erinnern, daß in einem bestimmten Zeitpunkt seiner Kindheit das luziferische Ich aufgetaucht ist und daß in einem anderen Zeitpunkt, an den er sich zurückerinnert, gegen das luziferische Ich, sagen wir, das Christus-Ich sich hinstellt, und statt des einen Ich-Punktes werden zwei auftreten. Wie sich der Mensch gegenwärtig an sein Ich erinnert, so wird er sich später erinnern an die Imagination des zweiten Ich und damit den Weg finden zu dem, was wir als die Christus-Erscheinung charakterisiert haben. [6] Wir Menschen sind in einer gewissen Beziehung mehr, jetzt schon der Anlage nach mehr – und in der geistigen Welt bedeuten Anlagen etwas weit Höheres als in der physischen Welt –, als bloß dieser viergliedrige Mensch: physischer Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich. Wir tragen als Keim schon das Geistselbst, Manas in uns, auch den Lebensgeist, die Buddhi, auch den Geistesmenschen, Atma. Entwickeln aus uns werden sie sich später, aber wir tragen sie als Keim in uns. Aber diese drei, die uns gewissermaßen erwarten in unserer Zukunftsentwickelung, sie stehen heute schon in einer gewissen Beziehung zu uns, wenn sie auch noch gar nicht entwickelt sind; denn sie liegen beschlossen im Schoße der göttlich-geistigen Wesenheiten, die wir als höhere Hierarchien kennen gelernt haben. Sie werden uns herausgespendet aus diesen höheren Hierarchien. Und heute schon stehen wir in Beziehung zu diesen höheren Hierarchien, die uns in der Zukunft das Geistselbst, Manas, Buddhi, Atma bescheren werden. So daß wir einfach sagen können, statt daß wir den komplizierten Ausdruck gebrauchen «Wir stehen in Beziehung zur Hierarchie der Angeloi: «Wir stehen in Beziehung zu dem, was da kommen soll in der Zukunft, zu unserem Manas». Und statt daß wir sagen: «Wir stehen in Beziehung zu den Archangeloi», sagen wir: «Wir stehen in Beziehung zu der in der Zukunft kommenden Buddhi» und so weiter.

Und nicht nur so abstrakt, daß wir sie als Keim in uns tragen, ist das zu sagen, sondern dieses In-uns-Tragen ist ganz konkret gemeint, denn wir haben mit diesen höheren Gliedern unserer Wesenheit Begegnungen. Wir würden als Menschen immer mehr und mehr dahin kommen, eine gewisse für die gegenwärtige Entwickelung des Menschen schwer erträgliche Entfremdung von allem Geistigen zu fühlen, wenn wir nicht von Zeit zu Zeit begegnen könnten unserem Manas. Unser Ich muß jenem Höheren, jenem Manas begegnen, das wir erst entwickeln werden und das in gewisser Beziehung gleichartig ist mit Wesenheiten aus der Hierarchie der Angeloi. Ob wir im christlichen Sinne dieses Wesen versetzen in die Hierarchie der Angeloi, oder ob wir mehr im antiken Sinne sprechen von dem, was die älteren Völker gemeint haben, wenn sie von dem Genius, von dem führenden Genius des Menschen (die Griechen sprachen vom Dämon des Menschen), das ist im Grunde genommen ganz gleich. [7]

Zitate:

[1]  GA 94, Seite 75   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[2]  GA 67, Seite 54   (Ausgabe 1962, 367 Seiten)
[3]  GA 67, Seite 57   (Ausgabe 1962, 367 Seiten)
[4]  GA 94, Seite 197   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[5]  GA 60, Seite 398   (Ausgabe 1983, 496 Seiten)
[6]  GA 133, Seite 76   (Ausgabe 1964, 175 Seiten)
[7]  GA 175, Seite 53f   (Ausgabe 1982, 416 Seiten)

Quellen:

GA 60:  Antworten der Geisteswissenschaft auf die großen Fragen des Daseins (1910/1911)
GA 67:  Das Ewige in der Menschenseele. Unsterblichkeit und Freiheit (1918)
GA 94:  Kosmogonie. Populärer Okkultismus. Das Johannes-Evangelium. Die Theosophie an Hand des Johannes-Evangeliums (1906)
GA 133:  Der irdische und der kosmische Mensch (1911/1912)
GA 175:  Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha. Kosmische und menschliche Metamorphose (1917)