Galilei

Ein großer Umschwung tritt gerade mit Galilei uns vor Augen. Die gewöhnlichste Erscheinung, wie sie heute in der Physik erklärt wird, wurde vor Galilei anders geschildert als nach ihm. Jemand wirft zum Beispiel einen Stein. Da sagt man heute, der Stein behält durch das Beharrungsvermögen so lange seine Bewegung bei, bis sie unter dem Einfluß einer anderen Kraft aufgehoben wird. Vor Galilei dachte man ganz anders; da war man davon überzeugt, daß, wenn der Stein weiter gehen soll, jemand den Stein fortstoßen muß. Etwas Aktives stand hinter dem fliegenden Stein. Galilei hat vollständig die Menschen umdenken gelernt, aber so, daß sie gelernt haben, die Welt als einen Mechanismus aufzufassen. [1] Galilei hat durch die Ausbildung von Begriffen über das Anorganische der neueren Naturwissenschaft ihre Gestalt gegeben [2]

. In Wahrheit ist die Vorstellung der Gesetzmäßigkeit (des Naturgeschehens) erst 400 Jahre alt, denn sie rührt im Grunde genommen von Galilei her. Wenn man vor Galilei zurückgeht, so ist gar keine Ahnung davon da, daß alles von einer solchen Gesetzmäßigkeit durchzogen ist.

Galilei war, wie andere seiner Zeit, ein Gegner des Aristoteles, aber nur des mißverstandenen Aristoteles. Dagegen war er von dem durchdrungen, was man nennen kann: Kultur des Gedankens, Verinnerlichung des Gedankens bis zum logischen Erfassen der äußeren Wirklichkeit (dies war eine Folge der jahrhundertelangen Aristoteles-Studien der Kulturträger). Aber nie hatte er sich dem Gedanken entfremdet, daß durch das, was man als Logik anerkennt, was sich der Mensch an Gesetzmäßigkeit des Gedankens erobert hat, der menschliche Geist in nacheinanderfolgenden Zeitmomenten begreifen kann, was in Raum und Zeit ausgebreitet ist. Aber diesem menschlichen Verstande gegenüber, der nacheinander, durch die Abwägung dessen, was die Sinne schauen, die Geheimnisse des Weltalls erkennen kann, sah Galilei den göttlichen Geist, den göttlichen Verstand, der die Welt durchlebt und durchwebt, und von dem er ehrfurchtsvoll fühlte, daß er in einem einzigen Augenblick das Weltall vordenkt, nicht nachdenkt wie der Mensch. So war auch für Galilei aller Welterscheinung zugrunde liegend das Spirituelle, der göttliche Geist. [3] Der ätherische Leib des Christus leuchtete auf (neben anderen auch) in Galilei. Eine Persönlichkeit für die (dann) Galileis Ätherleib aufbewahrt wurde, ist Michail Lomonossow. Er war Begründer des russischen Schrifttums. [4]

Zitate:

[1]  GA 112, Seite 237   (Ausgabe 1959, 292 Seiten)
[2]  GA 28, Seite 113   (Ausgabe 1962, 520 Seiten)
[3]  GA 61, Seite 367   (Ausgabe 1962, 536 Seiten)
[4]  GA 109, Seite 288   (Ausgabe 1979, 304 Seiten)

Quellen:

GA 28:  Mein Lebensgang (1923-1925)
GA 61:  Menschengeschichte im Lichte der Geistesforschung (1911/1912)
GA 109:  Das Prinzip der spirituellen Ökonomie im Zusammenhang mit Wiederverkörperungsfragen. Ein Aspekt der geistigen Führung der Menschheit (1909)
GA 112:  Das Johannes-Evangelium im Verhältnis zu den drei anderen Evangelien, besonders zu dem Lukas-Evangelium (1909)