Cherubim

Die Seraphim haben die Aufgabe, die höchsten Ideen, die Ziele eines Weltensystems entgegenzunehmen aus der Trinität. Die Cherubim, die nächstniedrigere Stufe der (obersten) Hierarchie, haben die Aufgabe, in Weisheit nunmehr auszubauen die Ziele, die Ideen, die von den höchsten Göttern entgegengenommen werden. Die Cherubim sind also Geister höchster Weisheit, die in ausführbare Pläne dasjenige umzusetzen verstehen, was ihnen angegeben wird von den Seraphim. [1] Das Zusammenstimmen der Bewegungen des einen Planeten mit dem anderen, diese Tatsache, daß in der Bewegung des einen Planeten Rücksicht genommen wird auf die der anderen, das entspricht der Tätigkeit der Cherubim. Also die Regelung der gemeinsamen Bewegung des Systems entspricht der Tätigkeit der Cherubim. [2] Als ein völlig abgeklärtes Element im Bewußtsein, lichtvoll, so daß der Gedanke unmittelbar Licht wird, alles beleuchtet, hat man das Bewußtseinselement der Cherubim vorzustellen. [3]

Menschen, welche auf uns einen solchen Eindruck machen, daß ihre Weisheit unpersönlich wirkt, daß ihre Weisheit wie die Blüte und Frucht eines reifen Lebens erscheint, die rufen in uns ein wenn auch nur ahnendes Empfinden von dem hervor, was aus unserer geistigen, aus unserer spirituellen Umgebung auf uns wirkt. Solche Weisheit, die nun nicht gesammelt ist in Jahrzehnten, wie die Weisheit hervorragender Menschen, sondern solche Weisheit, die in Jahrtausenden, in Jahrmillionen des Weltenwerdens gesammelt ist, die strömt uns entgegen in erhabener Macht aus den Wesenheiten, die wir Cherubim nennen. [4]

Es gibt solche Wesenheiten, die gestaltet sind wie ein sehr komplizierter Vogelleib, – aber von ungeheurer Schönheit –, mit mächtigen flügelartigen Organen begabt und mit einem dem Menschenkopf ähnlichen Kopf. Die großen Lehrer der Religionen, die da hineinschauen konnten, waren wohl bekannt mit dieser Art von Wesenheiten. Und wenn man sich erinnert an ältere Zeiten, an die Cherubim (zum Beispiel auf der Bundeslade) oder die etwas weniger richtigen, aber wenigstens in der Absicht so gemeinten Greifen, also solche Gestalten, die zwischen Genien und Fabeltieren stehen, so hat man da den Versuch der Menschen, solche genienhafte Wesen nachzubilden. [5]

Die Wesenheiten, die den Archangeloi (auf der alten Sonne) aus dem geistigen Raum entgegengekommen sind und sie aufgenommen haben, nennen wir Cherubim. Also wir haben rings um den alten Sonnenball herum die sich nahenden Cherubim. Wie, wenn ich den Vergleich gebrauchen darf, unsere Erde von ihrer Atmosphäre umgeben ist, so ist die alte Sonne umgeben gewesen vom Reich der Cherubim zur Wohltat der Archangeloi. In ganz bestimmten ätherischen Gestalten stellten sich dar diese großen universellen Helfer. Und unsere Vorfahren, die noch ein Bewußtsein gehabt haben durch ihre Tradition von dieser bedeutungsvollen Tatsache, die haben die Cherubim abgebildet als jene eigentümlich geflügelten Tiere mit den verschieden gestalteten Köpfen: den geflügelten Löwen, den geflügelten Adler, den geflügelten Stier, den geflügelten Menschen. Und deshalb haben die Schulen der ersten Eingeweihten der nachatlantischen Zeit diese von vier Seiten an die alte Sonne heranrückenden Cherubim mit Namen bezeichnets die dann geworden sind zu den Namen Stier, Löwe, Adler, Mensch. Durch die vier Arten von Cherubim war es den Archangeloi möglich länger im Reiche des Geistes, das die alte Sonne umgab, zu verweilen. Im geistigen Sinne belebend wirkte der Einfluß dieser Cherubim. Auf diejenigen Wesenheiten der alten Sonne, die sozusagen sich bis zum Licht-Element aufgeschwungen hatten, die im Licht-Element zu leben wußten, auf die wirkten die Cherubim in der geschilderten Weise. Aber auf dieses Licht-Element konnte ja nur gewirkt werden während eines Sonnentages, während Licht herausströmte in den Weltenraum. Es gab aber auch Sonnennächte. Jetzt wirkten die Cherubim in das finstere Gas hinein. Dieser Wirkung ist es zuzuschreiben, daß auf der alten Sonne aus dem Sonnennebel heraus sich die erste Anlage bildete zu demjenigen, was wir heute das Tierreich nennen. Aus der Wärme bildete sich auf dem alten Saturn die erste Anlage des Menschenleibes; auf der alten Sonne bildeten sich durch die sich in diesen Sonnengasen spiegelnden Cherubimgestalten die ersten rauchartig sich bewegenden Tierkörper-Anlagen. [6]

Deshalb haben diejenigen unserer Vorfahren, die aus den Mysterien heraus Bekanntschaft hatten mit dieser geistigen Kosmologie, sie haben diese Wesenheiten, die von den verschiedenen Seiten des Weltenraumes hereinwirkten auf die alte Sonne, den Tierkreis genannt. So werden die Tiere zunächst Sonnenabbilder des Tierkreises. Unsere Tiere sind karikaturenhafte Nachfolger jener auf der Sonne werdenden Tiere. Im Grunde genommen hat jede solche Cherubimgestalt nach links und nach rechts eine Art Nachkommen oder Begleiter. Denken Sie sich jede der vier Cherubimgestalten mit zwei Begleitern ausgestattet, dann haben Sie zwölf Kräfte und Mächte im Umkreis der Sonne, die in einer gewissen Andeutung auch schon beim alten Saturn vorhanden waren. Wir haben zwölf solcher Mächte, die angehören dem Reich der Cherubim. Nun können Sie noch fragen, wie verhält es sich mit den heutigen Tierkreisnamen? Der Adler hat durch eine spätere Verwandlung sich die Benennung Skorpion gefallen lassen müssen; der Mensch heißt Wassermann. [7]

Allem Zurückbleiben von Wesenheiten, allem solchen Hereinwirken durch das Zurückbleiben liegt zugrunde Resignation oder Verzicht höherer Wesenheiten. Wir haben gesagt, daß die Throne, die Geister des Willens, Opfer darbringen den Cherubim, nicht nur während der Saturnzeit, sondern sie setzen sie fort während der Sonnenzeit. Und in der Opferung liegt das eigentliche Wesen aller in der Welt existierenden Wärme- oder Feuerverhältnisse. Wir haben in diesem Bilde die opfernden Throne und die das Opfer annehmenden Cherubim; wir haben aber auch solche Cherubim, die das Opfer nicht annehmen, sondern wieder zurückgeben, was als Opfer zu ihnen dringt. Dadurch, daß nun sozusagen die schenkende Tugend der Geister der Weisheit, Kyriotetes, einfließt in die Opferwärme, dadurch sehen wir wie aufsteigend den Opferrauch während der alten Sonne, von dem wir gesagt haben, daß er dann durch die Archangeloi in Form von Licht zurückgeworfen wird von dem äußersten Umfange der Sonne. Aber nun sehen wir noch Opferrauch, der von den Cherubim nicht angenommen wird, so daß er wie zurückfließt, sich zurückstaut. Durch dieses Zurückstauen entsteht gleichsam eine Ringwolke; und ganz außen haben wir die zurückgeworfenen Lichtmassen. [8] Aus diesen angenommenen und zurückgewiesenen Opfern entsteht innerhalb der alten Sonne etwas, was wir nennen können eine Verdoppelung der ganzen Sonnensubstanz. Mit einer äußeren Figur zu vergleichen ist die Sonne in dieser alten Zeit nur, wenn wir sie vergleichen mit unserer jetzigen Saturngestalt: der Kugel, die von einem Ring umgeben ist. [9] Diejenigen Cherubim nun, welche verzichtet haben auf das Opfer, auf das, was gleichsam im Opferrauch liegt, sie haben darauf verzichtet aus dem Grunde, weil sie sich damit den Eigenschaften dieses Opferrauches entziehen. Und zu diesen Eigenschaften gehört vor allem die Zeit und damit Entstehen und Vergehen. Wir kommen da während der alten Sonnenentwickelung zu einer Trennung in Zeit und Ewigkeit. Es ist durch die Resignation der Cherubim während der Sonnenentwickelung die Ewigkeit errungen worden. Sahen wir auf dem Saturn die Zeit entstehen, so sehen wir gewisse Verhältnisse sich der Zeit entreißen während der Sonnenentwickelung. Es bereitet sich dies schon vor während der Saturnzeit, so daß die Ewigkeit nicht erst beginnt während der Sonnenzeit. Aber klar und deutlich zu sehen, so daß man es aussprechen kann in Begriffen, ist es erst während der Sonnenzeit. [10]

Wenn nämlich diese Resignation nicht eingetreten wäre, so hätten sie – jetzt bildlich gesprochen – den Opferrauch in ihrer eigenen Substanz drinnen gehabt; was sie selber getan hätten, das hätte sich in dem Opferrauch zum Ausdruck gebracht. Nehmen wir an, diese Cherubim hätten dieses oder jenes vollzogen. Dann wäre es erschienen, äußerlich ausgedrückt, durch die sich verändernden Wolken der Luft, das heißt, in der äußeren Gestalt der Luft würde sich ausgedrückt haben, was die nicht resignierenden Cherubim mit der Opfersubstanz gemacht hätten. Nun aber haben sie dieselbe zurückgewiesen und sind dadurch allerdings aus der Vergänglichkeit in die Dauer übergegangen. Aber die Opfersubstanz ist zunächst da, sie ist sozusagen entlassen aus den Kräften, die sie sonst aufgenommen hätten, und braucht jetzt nicht zu folgen den Antrieben, den Impulsen der Cherubim. Mit dieser Opfersubstanz geschieht das, daß andere Wesen sich ihrer bemächtigen, die dadurch selbständige Wesen werden, die neben den Cherubim da sind. Hätten die Cherubim die Opfer angenommen, so hätten die luziferischen Wesenheiten nicht zurückbleiben können, denn sie hätten keine Gelegenheit gehabt sich in dieser Substanz zu verkörpern. [11] So sehen wir, daß wir nicht bei den sogenannten bösen Wesenheiten den Grund des Bösen zu suchen haben, sondern bei den sogenannten guten Wesenheiten, die erst durch ihre Resignation bewirkt haben, daß durch die Wesenheiten, welche das Böse in die Welt bringen konnten, das Böse entstanden ist. [12] Der Seher richtet den Blick aufwärts und sieht, wie in dem Luftförmigen, in dem ja allerdings die Dynamis walten, wie da am Werke sind die Cherubime, damit das Wässrige, das aus dem Bereich der Kyriotetes aufsteigt, sich zu Wolken ballen kann. Im Umkreise unserer Erde walten ebenso wahr die Cherubime, wie da walten innerhalb des elementarischen Daseins unserer Erde die Throne, Kyriotetes, Dynamis. [13] Luft ist gleichsam eine Illusion, und dahinter stehen die mächtigen Wesenheiten, die wir die Cherubim nennen. [14]

Wenn wir aus den Gedankenwelten herauskommen, flimmert es zurückspiegelnd dadrinnen im Nervensystem. Wir nehmen dieses Flimmern nicht wahr in unserem gewöhnlichen Leben. In uns leben die Gedanken, die in uns nicht geistige Wesen sind, sondern was wir wahrnehmen, ist eine Art Lesen der Gedankenleichen. Aber daß diese Gedanken sich spiegeln als ein Lebendiges, das hat seine große Bedeutung in der Weltenordnung. Was geschieht nun mit diesem Geisteslicht, das da in (den Menschen) hineingeht? Da kommen die Cherubim, sammeln dieses Licht und verwenden es zur weiteren Weltenordnung. Indem wir denken, strahlt Gedankenlicht aus uns heraus, und das erleuchtet die Welt, in der die Cherubim leben. [15]

Die letzte Vorstellung, zu der man überhaupt kommt, wenn man sich, rückwärtsgehend, dem Saturn nähert – die sich opfernden Geister des Willens, Throne, die ihre Opfer hinauflenken zu den Cherubim –, weiter geht es nicht, da ist die Welt wie mit Brettern verschlagen. Durch das Opfer wird die Zeit geboren. – Aber die Zeit ist nicht jene abstrakte Zeit, von der wir gewöhnlich sprechen, sondern sie ist selbständige Wesenheit. Es werden Wesenheiten geboren, die nur aus Zeit bestehen; das sind die Geister der Persönlichkeit, die Archai. Gleichsam der Opferrauch der Throne, der die Zeit gebiert, ist das, was wir die Wärme des Saturn nennen. [16]

Zitate:

[1]  GA 110, Seite 81   (Ausgabe 1981, 198 Seiten)
[2]  GA 136, Seite 93   (Ausgabe 1984, 246 Seiten)
[3]  GA 233a, Seite 14   (Ausgabe 1980, 176 Seiten)
[4]  GA 136, Seite 80f   (Ausgabe 1984, 246 Seiten)
[5]  GA 101, Seite 32   (Ausgabe 1987, 288 Seiten)
[6]  GA 110, Seite 71ff   (Ausgabe 1981, 198 Seiten)
[7]  GA 110, Seite 74f   (Ausgabe 1981, 198 Seiten)
[8]  GA 132, Seite 46f   (Ausgabe 1979, 102 Seiten)
[9]  GA 132, Seite 48   (Ausgabe 1979, 102 Seiten)
[10]  GA 132, Seite 49f   (Ausgabe 1979, 102 Seiten)
[11]  GA 132, Seite 51f   (Ausgabe 1979, 102 Seiten)
[12]  GA 132, Seite 53   (Ausgabe 1979, 102 Seiten)
[13]  GA 122, Seite 120   (Ausgabe 1961, 200 Seiten)
[14]  GA 121, Seite 92   (Ausgabe 1982, 214 Seiten)
[15]  GA 156, Seite 164f   (Ausgabe 1967, 183 Seiten)
[16]  GA 132, Seite 19   (Ausgabe 1979, 102 Seiten)

Quellen:

GA 101:  Mythen und Sagen. Okkulte Zeichen und Symbole (1907)
GA 110:  Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt. Tierkreis, Planeten, Kosmos (1909)
GA 121:  Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhang mit der germanisch-nordischen Mythologie (1910)
GA 122:  Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte. Das Sechstagewerk im 1. Buch Moses (1910)
GA 132:  Die Evolution vom Gesichtspunkte des Wahrhaftigen (1911)
GA 136:  Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen (1912)
GA 156:  Okkultes Lesen und okkultes Hören (1914)
GA 233a:  Mysterienstätten des Mittelalters. Rosenkreuzertum und modernes Einweihungsprinzip - Das Osterfest als ein Stück Mysteriengeschichte der Menschheit (1924)