Einweihung alte

In den ältesten Schulen der Menschheit arbeitete man auf die Initiation (in den) Kosmos hin. Die Lehrer der ersten Mysterien waren die Initiierenden für das Lesen im Äther des Kosmos, was man auch das Lesen im Chaos, in der Akasha-Chronik nennen kann, das Lesen desjenigen, was vergangen ist und das Gegenwärtige vor unsere Augen hingezaubert hat. Und es war im Grunde genommen die erste Initiationsstufe, die die Menschheit im Erdendasein errungen hat, diese Initiation durch den Kosmos. [1]

Denken Sie sich einmal einen solchen alten Atlantier, der noch seinen Ätherkopf weit herausstehen hatte über dem physischen Kopfe. Wenn dann der astralische Leib herausging, war ein großer Teil des Ätherkopfes mit dem astralischen Leibe noch verbunden, und da konnte sich das, was der Astralleib erlebte, hineindrücken in den Ätherleib; dadurch konnte man sich seine Erlebnisse zum Bewußtsein bringen. Als nun in der letzten atlantischen Zeit der Ätherteil des Kopfes sich ganz zurückzog in den physischen Kopf, da kam der astralische Leib jede Nacht ganz aus dem Ätherleib heraus. Man mußte also in der alten Einweihung versuchen, den Ätherleib künstlich herauszuholen, das heißt, man mußte den Menschen in eine Art lethargischen Zustand, in eine Art Todesschlaf bringen, der ja dreieinhalb Tage dauerte, währenddem der Ätherleib herausragte aus dem physischen Leibe, gelockert war, so daß das, was der Astralleib erlebte, sich einprägte in den Ätherleib. Und wenn dann der Ätherleib wieder zurückgeführt wurde in den physischen Leib, wußte der Mensch, was er in der geistigen Welt erlebt hatte. Das war die alte Einweihungsmethode. [2]

Annähernd bis zum Mysterium von Golgatha – nur geringe Ausnahmefälle abgerechnet war, man kann schon sagen, der notwendige Weg, um zur Initiation zu kommen, der, daß man erwählt wurde von irgendeinem den Mysterien angehörigen Priesterweisen, der aus gewissen Erkenntnissen heraus die Leute wählte, die er zur Initiation, zum Durchmachen der Grade bestimmen konnte. [3]

Können wir sozusagen in der Akasha-Chronik nicht nur Lesen die Vergangenheit der Sterne, (der Naturreiche), können wir lesen, was in den Seelen der großen Mysterienlehrer gelebt hat aus ihrem Umgang mit den Geistwesen selber, dann kommt man heran an jene Initiation, die sich in späteren Erdenzeiten hinzugesellt hat zu der kosmischen Initiation, und die ich die Initiation der Weisen nennen möchte. [4]

Und dann hat man für die Gegenwart nötig, ehrlich in das eigene Innere hineinzuschauen, und nun in Unbefangenheit dieses eigene Innere kennenzulernen, den eigenen Geist, der einem dann vom Inneren die Seele beleuchtet: die Initiation der Selbsterkenntnis. [5]

Das erste Erfordernis, um zur wirklichen Erkenntnis, zur Initiation zu kommen, war ja das, daß der Mensch durch alles, was von seiten der Mysterien an ihn herangebracht wurde, so bescheiden gemacht worden ist, daß sich heute eigentlich niemand eine Vorstellung von dieser inneren Bescheidenheit machen kann. Heute glauben die Menschen schon, daß sie in bezug auf die Erkenntnisse ungeheuer bescheiden seien, während sie für den, der die Dinge durchschaut, noch von einem wahren Hochmut besessen sind.

Vor allen Dingen mußte das über den Menschen beim Ausgangspunkte der Einweihung kommen, daß er sich gar nicht für einen Menschen hielt, daß er sagte: Ich muß erst ein Mensch werden! – Heute kann man das ja den Menschen nicht zumuten. Aber das war die allererste Anforderung, sich wirklich für keinen Menschen zu halten und das folgende sich zu sagen: Gewiß, ich war ein Mensch, bevor ich in einen irdischen Leib heruntergestiegen bin; ich war im vorirdischen Dasein ein Mensch geistig-seelisch. [6]

Obwohl sich in der atlantischen Zeit der Ätherleib und physische Leib völlig zur Deckung gebracht hatten, war der Zusammenhalt zwischen Ätherleib und physischem Leib noch kein sehr starker, und es bedurfte nur einer Willensanstrengung von seiten des Lehrers, um wieder den Ätherleib in einer gewissen Weise herauszuholen. Es war zwar nicht mehr möglich, wenn der richtige Zeitpunkt auch gekommen war, daß wie von selbst auf den Schüler überging, was in dem Lehrer war, aber der Lehrer konnte doch leicht den Ätherleib des Schülers herausheben, und dann konnte der Schüler dasselbe sehen, was der Lehrer sah; und dann übertrug sich die Weisheit, die hellseherische Beobachtung des Meisters auf den Schüler. [7]

Nur dadurch gelangt der Mensch zum Schauen in die geistige Welt, daß er alles, was er in seinen astralischen Leib hineingearbeitet hat mit Lernen, durch ein gewisses Fühlen und Empfinden über das Gelernte so stark in sich erlebt, daß nicht nur sein astralischer Leib, sondern auch der dichtere ätherische Leib davon beeinflußt wird. Wenn der Schüler aufsteigen sollte vom Lernen zum Schauen, so mußte das, was man ihn gelehrt hatte, Wirkungen tragen. Deshalb schloß sich an das Lernen durch die indische, persische, ägyptische, griechische Zeit hindurch ein gewisser Schlußakt, der in folgendem bestand. Der Schüler wurde dazu vorbereitet, seinen astralischen Leib ganz und gar zu einem Bürger in den geistigen Welten zu machen. Und in dem rechten Zeitpunkt wurde er dann, als Abschluß dieser Entwickelung, dreieinhalb Tage in einen todähnlichen Zustand gebracht. Er wurde während dieser Zeit entweder in einen sargähnlichen Kasten gelegt oder an eine Art Kreuz angeschnürt oder dergleichen. Und derjenige, den man als den Einweiher, den Hierophanten bezeichnet, hatte die Fähigkeit, auf den astralischen Leib und namentlich auf den Ätherleib zu wirken, denn dieser ging durch diese Prozedur während dieser Zeit heraus – nur die unteren Partien bleiben, die oberen Partien werden herausgehoben – und der Betreffende ist dann in einem todähnlichen Zustand. Alles, was früher gelernt wurde durch Meditation und andere Übungen, das wurde jetzt in diesem Zustand hineingedrückt in den Ätherleib.

In diesen dreieinhalb Tagen durchwandelte der Mensch wirklich die geistigen Welten, wo die höheren Wesenheiten sind. Und nach diesen dreieinhalb Tagen rief ihn derjenige, der ihn eingeweiht hatte, wiederum zurück, das heißt, er hatte die Macht, ihn wieder erwachen zu machen. Da brachte der Betreffende mit das Wissen der geistigen Welt. Jetzt konnte er hineinschauen in diese geistige Welt, und nun konnte er werden ein Verkünder der Tatsachen der geistigen Welt für seine Mitmenschen. Immer mehr und mehr jedoch wurde das Band geschlossen zwischen Ätherleib und physischem Leib. Daher wurde diese Prozedur immer gefährlicher, denn die Menschen gewöhnten sich immer mehr und mehr an die physische Sinnenwelt mit dem ganzen Bewußtsein. [8] So können wir sagen, daß die Menschen mit der zunehmenden Kultur immer mehr und mehr der geistigen Welt entfremdet wurden.

Die Eingeweihten, die in die höheren Gebiete der geistigen Welt hinaufsahen, wurden immer seltener, denn die Prozedur der Einweihung wurde immer gefährlicher. Immer schwieriger wurde es, dreieinhalb Tage in einem todähnlichen Zustand zuzubringen und den Ätherleib sich trennen zu lassen, ohne daß der Tod eintrat. Dadurch daß der Einzuweihende für das physische Bewußtsein bewußtslos war, kam er in die Herrschaft eines anderen Ich, das war immer damit verbunden. [9]

Am ersten Tag der Einweihung zeigte sich, was sich in der ersten Epoche abspielt beim Herübergehen von der dritten in die vierte Kulturepoche, am zweiten Tage, was sich abspielt beim Herübergehen von der vierten zur fünften Kulturepoche, und am dritten Tage das, was geschieht, wenn die Menschheit von der fünften zur sechsten Kulturepoche hinübergehen wird. Das sind die drei Tage der Einweihung. [10] Dasjenige, was (später) Mythe war, sah der Eingeweihte während dieses Ganges in die geistige Welt. Das vermochte er den anderen Menschen nun zu sagen, indem er es in die Mythen und Sagen kleidete. Die Sphinx (beispielsweise) ist ein wirkliches Erlebnis gewesen für den Eingeweihten. [11]

Seit dem Erscheinen Christi war es möglich, daß man eingeweiht werden konnte als Natureingeweihter. Es gibt christliche Mystiker, welche aus Gnade die Einweihung erhalten hatten. Der erste, welcher dazu berufen war, das Christentum herauszutragen in alle Welt unter der Einwirkung des Spruches: «Selig sind, die da glauben, auch wenn sie nicht sehen», das war Paulus. Die Erscheinung auf dem Weg nach Damaskus war eine Einweihung außerhalb der Mysterien. [12]

Die Eingeweihten führen zurück auf die Adepten in der alten atlantischen Zeit (siehe: Atlantis). Nun handelte es sich (bei einer Einweihung) darum, den Ätherleib in der richtigen Weise aus dem physischen Leib herauszuholen. Das konnte man nicht bei jedem Menschen machen. Es kam darauf an, daß das Blut die richtige Mischung hatte. Deshalb wurde auch ein so großer Wert darauf gelegt, daß die Priestergeneration sich nicht mit andern vermische. Durch Jahrhunderte hindurch wurde es vorbereitet, daß immer einer der richtigen Nachkommen da war, der einmal in dieser Weise ein richtiger Eingeweihter werden konnte. Es war eine Behandlung des Menschenleibes in großem Stile, in einer ungeheuer mysteriösen Weise. Die größten Eingeweihten sind in bezug auf ihr physisches Prinzip durch Jahrhunderte hindurch hinsichtlich ihrer Blutmischung vorbereitet worden. Dieses Einweihungsprinzip hing mit der Übersichtlichkeit der Blutsgemeinschaft zusammen. [13] Bei einer solchen Initiation wurde aus diesem Gefüge von physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich herausgehoben der Ätherleib und der astralische Leib, aber das Ich blieb zurück. Daher konnte der Mensch auch während der dreieinhalb Tage in der Initiation kein Selbstbewußtsein haben. Der Mensch bekam ein Bewußtsein aus der höheren geistigen Welt, das ihm durch den Priester-Initiator eingeflößt war, der ihn ganz führte; der stellte ihm sein Ich zur Verfügung.

Es geschah dadurch etwas, was man durch eine Formel ausdrückte: Wenn ein Mensch im alten Sinne eingeweiht wurde, dann trat heraus das mütterliche Element, und das väterliche Element blieb zurück. Mit anderen Worten: Er tötete den Vater in sich und heiratete seine Mutter. Vaterlos war er geworden. Er wurde eins mit seinem Volke. Aber was darin lebte, war gerade in dem mütterlichen Element gegeben, (daher) wurde er benannt mit dem Namen des betreffenden Volkes.

Aber diese Erb-Weisheit kann den Menschen nicht über einen gewissen Punkt der Entwickelung hinausbringen. [14] Nun kann man, wenn die Dinge auch modifiziert waren, dennoch zwei Maßnahmen dieser Mysterien, denen sich jeder zu unterwerfen hatte, als die Hauptsache bezeichnen. Das war der sogenannte Vergessenheitstrunk, und als zweites etwas, was innerhalb der Mysterienvorgänge so auf den Menschen wirkte wie ein starker Schreck, wie das Hineinleben in eine starke Angst. Beide Dinge dürfen heute nicht mehr in derselben Weise durchgemacht werden zum Behufe der Erlangung höherer übersinnlicher Erkenntnisse. Es muß heute alles seelisch-geistig durchgemacht werden, während die Mysterienschüler der alten Zeiten die Dinge so durchgemacht haben, daß sie dabei immer Physisches in Anspruch nehmen mußten. Die Wirkung, die dieser Vergessenheitstrunk haben sollte, erhielt er dadurch, daß er in ein bestimmtes Zeremonial getaucht war, daß er in einer bestimmten Weise zubereitet war, daß gewisse Vorbereitungen gemacht wurden, bevor man den Trunk bekam. Es war aber durchaus ein physischer Trunk, der durch die Art und Weise, wie er gereicht wurde, allerdings bewirkte, was man nennen kann: der Mensch vergaß sein Leben seit der Geburt. Es ist das etwas, was durch seelisch-geistige Entwickelung heute auch wiederum erreicht wird, dadurch daß ein deutliches Bewußtsein von einem großen Lebenstableau hervorgerufen wird, das alles umfasst seit der Geburt. Dann wird das unterdrückt, und dadurch wird der Mensch in die geistige Weise seines Lebens vor der Konzeption eingeführt. Das wurde in mehr physischer Weise erreicht im alten Vergessenheitstrunk. Das Positive, was dadurch erreicht wurde, das ist, daß das Denken beweglicher und intensiver wurde. Aber dumpfer wurde es auch. [15]

Das andere ist, eine Art Schreck wurde auf den Menschen ausgeübt. Nun nehmen Sie einmal, wie der Schreck auf den (normalen) Menschen wirkt: man erstarrt. Und es kann einen Schreck geben, der wirklich eine Art Erstarrung des ganzen Menschen hervorruft. Es wird in unserem Blute, in unseren Muskeln, das Geistig-Seelische, das Ewige aufgesogen. Dadurch kann es nicht wahrgenommen werden, aber es tritt frei und selbständig heraus, wenn die Muskeln erstarren. Diese Muskelstarre wurde hervorgerufen durch die Schockwirkung. Und dadurch wurde nun von dem übrigen Organismus, außer dem Gehirn, nicht aufgesogen das Geistig-Seelische, sondern es wurde frei. So daß der Mensch im Gehirn drinnen das Geistig-Seelische hatte, weil ihm sein Gehirn durch den Vergessenheitstrunk weich geworden war, und der übrige Organismus wurde gewissermaßen verhindert an dem Aufsaugen des Geistig-Seelischen. Dadurch wurde dieses wahrgenommen. Der Mensch bekam also von zwei Seiten her die Möglichkeit, sein Geistig-Seelisches wahrzunehmen. Heute können diese Dinge nicht nachgemacht werden, es würde den Menschen auch nicht gut bekommen. Heute muß eben alles auf geistig-seelische Weise erreicht werden. [16]

Die Einweihung in diesen alten Zeiten dadurch vollzogen worden ist, daß der Mensch selber physisch Dinge durchmachen mußte, welche gewissermaßen eine Art innerliches Sakrament ausmachten. Die Sakramente waren in älteren Zeiten mehr innerlich. Nehmen Sie zum Beispiel so etwas, daß der Mensch durch äußere Veranstaltungen, durch äußere Verrichtungen in Furcht versetzt wurde. Zum Beispiel in Griechenland gab es ja Mysterien, wo einer der wichtigsten Vorgänge war, daß der Mensch in völliges Dunkel geführt wurde, daß er ins Dunkel sich einleben mußte, und daß er dann einer plötzlichen Erleuchtung des ganzen Raumes gegenüberstand – das war die Perzeption, die ihm gegeben worden ist. Worauf es damals ankam, das war diese Überführung des Bewußtseinszustandes aus einem Sein im Dunkeln, in der Finstemis, in das Helle. Da aber geht im Menschen etwas vor, da gehen feine Prozesse im Menschen vor. Diese feinen Prozesse, die da vorgeben im Menschen, kann ich Ihnen in der folgenden Weise beschreiben. Wenn die Menschen, nachdem sie dieses Übergehen aus dem Finsteren in das Helle eine Zeitlang erlebt haben, auf diesem Gebiete wissend werden, dann sondert sich im Menschen – je nach seiner Beschaffenheit verschieden – Salz ab, das sich ablagert, Salzablagerungen, die dadurch eigentlich stattfanden, daß die Überführung aus dem dunklen Zustand in den hellen Zustand, auch im Wechsel, geschah. Dieser [Vorgang] war vollständig zu etwas gemacht worden, dessen der Mensch gewahr wurde, das er begleitete mit einem gewissen Gefühl, das allerdings dem Furchtgefühl sehr ähnlich war. Dieses Salzablagern, das nahm der Mensch wahr; er nahm also eine innerliche Wechselbeziehung wahr, er nahm etwas wahr, was in ihm vorging. Und in diesem Moment, wo das [in ihm] durch eine äußere Verrichtung geschah, hatte der Mensch einen Einweihungsvorgang durchgemacht, denn die Einweihung in älteren Zeiten bestand durchaus darin, daß im Menschen selber solche Vorgänge hervorgerufen wurden. Das aber, worauf es jetzt ankam, das war das, was einen solchen Vorgang der Salzablagerung im Innern begleitete. Ein solcher Vorgang der Salzablagerung im Innern war begleitet davon, daß der Mensch sich im Bewußtsein imprägniert fand [von der Lichtperzeption, aber] nicht bloß von der Lichtperzeption, sondern von der im Licht enthaltenen Geistigkeit; er nahm also auf die im Lichte enthaltene Geistigkeit. Indem das Salz koaguliert im Innern des Menschen, fühlt der Mensch diese Koagulation des Salzes in sich als ein Durchdrungensein von dem Göttlichen. Diese Zustände zu bewußten zu machen, das war die Kunst der Einweihung in älteren Zeiten. Der Mensch konnte ganz anders sprechen, bei dem das Leben im Lichte nicht bloß ein Vorgang der sinnlichen Wahrnehmung war, sondern ein solches Durchdrungensein [vom Lichte], daß er sagen konnte: Indem ich im Lichte lebe, koaguliert in mir die Materie. – Und mit dem, was in der gewöhnlichen Materie enthalten ist, nahm er in gewisser Beziehung unmittelbar wahr die Wirkung desjenigen, was über der Substanz der gewöhnlichen Materie liegt. [17]

Das ist das Wesentliche in bezug auf die geistige Entwickelung der Menschheit, daß für die älteren Zeiten gewissermaßen der Leib von dem Geistig-Seelischen zurückgezogen worden ist. Die neuere Bestrebung besteht darin, daß nun der Geist herausgezogen wird, indem die geistig-seelischen Kräfte verstärkt, erkraftet werden. Es muß also durchaus das Umgekehrte in unserer Zeit stattfinden. Es darf gewissermaßen keine Veränderung eintreten innerhalb des Physisch-Leiblichen. Denn der Mensch ist namentlich seit dem 15. Jahrhundert, so organisiert, daß eine Veränderung in der Leiblichkeit in der Weise, wie sie durchaus üblich war bei den alten Mysterienschülern, ein Krankhaftes bedeuten würde. [18]

Das war das Geheimnis der alten Mysterien: aus dem Erkenntniserleben des Todes heraus die Wesensüberzeugung von der menschlichen unsterblichen Wesenheit zu bekommen. Der Mensch in jenen alten Zeiten wurde das denkende freie Wesen, als das er sich heute schon im Erdendasein weiß, erst nach dem Tode. Schaue über den Tod hinaus – so etwa konnten die alten Weisen zu ihren Schülern sagen – und du wirst wissen, was ein Mensch ist. Im Grunde genommen war in alten Zeiten alle Sorgfalt während der Einweihung darauf gerichtet, im Menschen etwas abzudämpfen. Wer den Gang der alten Einweihung verfolgt, wird finden, daß der Mensch im wesentlichen dabei eine Einweihungserziehung durchmachte, die ihn dahin führte, die innere, wenn ich so sagen darf, Aufgeregtheit zu beschwichtigen, herabzudämpfen die sonst im gewöhnlichen Leben vorhandene innere Emotionalität, damit das, was der Mensch im gewöhnlichen Leben hatte, das Angefülltsein seines ganzen Wesens mit noch göttlich-geistigen Kräften, die den Kosmos durchweben und durchleben, herabgedämpft würde und er bewußt in eine Art von Schlaf versinke, auf daß er in diesem herabgedämpften Bewußtsein dann erwecken könne, was er sonst nur nach dem Tode erlebt: das ruhige Denken, das Sich-Fühlen als Individualität. Es war also das alte Einweihungssystem eine Art Beruhigungssystem. [19] Während das alte Einweihen eine Art Einschläfern sein mußte, muß das neue Einweihen eine Art Aufwecken sein. Es muß dasjenige, was der Mensch unbewußt während des Schlafes durchlebt, hereingetragen werden gerade ins intimste Seelenleben. Es muß der Mensch durch Aktivität dazu gelangen, sich innerlich aufzuwecken. [20]

Die Eingeweihten in den Mysterien bekamen einen zweiten Bewußtseins-zustand; denjenigen, den Sie heute am Tage immer haben. [21] Es ist eigentlich immer so in der Weltentwickelung: Was in einer späteren Zeit auf natürliche Art erwächst, das ist in einer früheren Zeit durch die Einweihung zu erringen. [22] Die Eingeweihten in den Mysterien, die sahen dann eben die Welt doch schon so, wie sie heute gesehen wird, nur verbanden sie damit eine andere Seelenverfassung, eine andere Gesinnung. Für sie war dasjenige, was sie in scharfen Konturen erlebten, so wie wir heute beim sinnlichen Wahrnehmen die äußeren Dinge in scharfen Konturen erleben, für sie war das immerhin dasjenige, was von den Göttern kam. Wie trat das vor einen damaligen Eingeweihten. Nehmen wir ein recht anschauliches (Beispiel) den Blitz. Den sah der Mensch nicht so. Der sah lebend-geistige Wesen sich bewegen, und die scharfen Konturen des Blitzes verschwanden vollständig. Das war ein Heereszug oder eine Prozession von Geistwesen, die im Weltraum vorwärtsdrangen. Den Blitz als solchen sah er nicht. Für den Eingeweihten wurde das so, daß er ja auch wie die anderen Leute diesen Heereszug sah, aber für sein Schauen, das in ihm entwickelt worden war, konnte sich, indem das Bild von dem Heereszug allmählich sich dämpfte und dann verschwand, der Blitz herausentwickeln in der Gestalt, wie ihn heute jeder sieht. Die ganze Natur, wie sie heute jeder sieht, mußte in alten Zeiten erst durch die Initiation errungen werden. Diese empfand man durchaus nicht in der Gleichgültigkeit, mit der man heute Erkenntnisse oder Wahrheiten empfindet. Und der Eingeweihte, der den Blitz nun herauskommen sah aus diesen Imaginationen, der empfand das so, daß er sagen lernte durch seinen Initiator: Ich muß ein Mensch sein, der in der Welt sich auch bewegen darf ohne die Götter, für den die Götter auswerfen ins Unbestimmte den Welteninhalt. – Es war gewissermaßen für die Initiierten dasjenige, was sie in scharfen Konturen sahen, der von den Göttern ausgeworfene Welteninhalt, an den der Eingeweihte herantrat, um unabhängig zu werden von den Göttern. Sie begreifen, es wäre ein unerträglicher Zustand gewesen, wenn er nicht ein ausgleichendes Moment gehabt hätte. Er lernte einen noch tieferen Bewußtseinszustand kennen als derjenige war, der zur zweiten Hierarchie hinreichte. Er lernte kennen zu seiner entgötterten Welt die Welt der Seraphim, Cherubim und Throne. Man lernte als Eingeweihter nicht mehr bloß kennen jene graugrünen Geistwesen, welche die Bilder des Waldes, die Bilder der Bäume waren, sondern man lernte als Eingeweihter kennen den Wald geistlos, aber man hatte dafür das Ausgleichende, daß man in dem Walde gerade den Angehörigen der ersten Hierarchie begegnete, irgendeinem Wesen aus dem Reiche der Seraphim, Cherubim oder Throne. [23]

Zitate:

[1]  GA 225, Seite 162   (Ausgabe 1990, 192 Seiten)
[2]  GA 103, Seite 149   (Ausgabe 1962, 224 Seiten)
[3]  GA 187, Seite 119   (Ausgabe 1968, 196 Seiten)
[4]  GA 225, Seite 164   (Ausgabe 1990, 192 Seiten)
[5]  GA 225, Seite 165   (Ausgabe 1990, 192 Seiten)
[6]  GA 233a, Seite 125f   (Ausgabe 1980, 176 Seiten)
[7]  GA 112, Seite 108   (Ausgabe 1959, 292 Seiten)
[8]  GA 112, Seite 110f   (Ausgabe 1959, 292 Seiten)
[9]  GA 112, Seite 114f   (Ausgabe 1959, 292 Seiten)
[10]  GA 103, Seite 186   (Ausgabe 1962, 224 Seiten)
[11]  GA 106, Seite 145   (Ausgabe 1978, 180 Seiten)
[12]  GA 53, Seite 275   (Ausgabe 1981, 508 Seiten)
[13]  GA 96, Seite 264   (Ausgabe 1974, 350 Seiten)
[14]  GA 112, Seite 211f   (Ausgabe 1959, 292 Seiten)
[15]  GA 210, Seite 84f   (Ausgabe 1967, 245 Seiten)
[16]  GA 210, Seite 86ff   (Ausgabe 1967, 245 Seiten)
[17]  GA 343, Seite 292f   (Ausgabe 1993, 674 Seiten)
[18]  GA 210, Seite 89f   (Ausgabe 1967, 245 Seiten)
[19]  GA 221, Seite 41f   (Ausgabe 1966, 142 Seiten)
[20]  GA 221, Seite 43   (Ausgabe 1966, 142 Seiten)
[21]  GA 233, Seite 32   (Ausgabe 1980, 174 Seiten)
[22]  GA 233, Seite 34   (Ausgabe 1980, 174 Seiten)
[23]  GA 233, Seite 37uf   (Ausgabe 1980, 174 Seiten)

Quellen:

GA 53:  Ursprung und Ziel des Menschen. Grundbegriffe der Geisteswissenschaft (1904/1905)
GA 96:  Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft. Christliche Esoterik im Lichte neuer Geist-Erkenntnis (1906/1907)
GA 103:  Das Johannes-Evangelium (1908)
GA 106:  Ägyptische Mythen und Mysterien im Verhältnis zu den wirkenden Geisteskräften der Gegenwart (1908)
GA 112:  Das Johannes-Evangelium im Verhältnis zu den drei anderen Evangelien, besonders zu dem Lukas-Evangelium (1909)
GA 187:  Wie kann die Menschheit den Christus wiederfinden?. Das dreifache Schattendasein unserer Zeit und das neue Christus-Licht (1918/1919)
GA 210:  Alte und neue Einweihungsmethoden. Drama und Dichtung im Bewußtseins-Umschwung der Neuzeit (1922)
GA 221:  Erdenwissen und Himmelserkenntnis (1923)
GA 225:  Drei Perspektiven der Anthroposophie. Kulturphänomene, geisteswissenschaftlich betrachtet (1923)
GA 233:  Die Weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung und als Grundlage der Erkenntnis des Menschengeistes (1923/1924)
GA 233a:  Mysterienstätten des Mittelalters. Rosenkreuzertum und modernes Einweihungsprinzip - Das Osterfest als ein Stück Mysteriengeschichte der Menschheit (1924)
GA 343:  Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, II. Spirituelles Erkennen – Religiöses Empfinden – Kultisches Handeln (1921)