Blitz

Die Kraft der Leichtigkeit ist verknüpft mit der Sonne. Es ist diejenige Kraft, die bewirkt, daß das Wasser von der Erde aufsteigt und verdunstet. Dieses verdunstete Wasser verdichtet sich dann wieder zu den Wolken und kehrt als Regen zu der Erde zurück. Aber es ist nicht richtig zu meinen, daß die Kraft der Leichtigkeit das Wasser nur bis zu dieser Sphäre hebt. In Wahrheit wird die Substanz des Wassers noch viel weiter geführt. Denn es wird durch die Leichtigkeit völlig entmaterialisiert. Wenn die Wolken aufsteigen und verschwinden, so hört das Wasser auf, materiell zu sein. Die Kraft der Sonne, die dieses bewirkt, kann aber so stark wirken, daß zuviel an Erden-Wasser hinauf ätherisiert wird. Dann sammelt sich zuviel fremder Äther in der Erdumgebung an. Da bricht dann der also gestaute Äther plötzlich wieder in die materielle Erdsphäre zurück. Dies erleben wir als die Erscheinung des Blitzes. In ihm leuchtet die Äthersubstanz auf, um sich im Regen zur wäßrigen oder gar im Hagel zur festen Form zu verdichten. Im Blitz zerreißt der Himmel und der gestaute Äther bricht herunter. Allein, was auf diese Weise im Gewitter schlagartig und dadurch vernehmbar sich vollzieht, das geht auch sonst in stiller Weise ständig rhythmisch vor sich: im verdunstenden Wasser und den sich ballenden Wolken. [1]

Was in den äußeren Naturerscheinungen zutage tritt in Luft und Wasser, in Wolkenbildungen, was als Blitz und Donner erscheint, das ist sozusagen ein letzter Rest aber ein guter Rest – auf der Erdoberfläche von dem, was an Kräften schon mit dem alten Saturn verbunden war und das sich mit der Sonne abgetrennt hat. Von dem, was in diesen Kräften wirkt, sind die inneren Feuerkräfte der Erde in den Dienst des Ahriman gestellt. Da hat er das Zentrum seines Wirkens. (Vergleiche: Vulkanismus) [2]

Dem Blitz und dem Donner liegt für den Seher zugrunde das Weben und Wesen derjenigen Geister der ersten Hierarchie, die wir als die Seraphime bezeichnen. [3] Wenn jemand hellseherisch den Blick hinaufrichtet zur Venus (astronomischer Merkur), um da droben die Versammlung der Geister der Persönlichkeit zu beobachen, und dann den Blitzstrahl durch die Wolken zucken sieht, da sieht er in diesem Blitzstrahl sich spiegeln die Geister der Persönlichkeit, Archai, denn da drinnen haben sie ihren Leib. [4] Dieselben Elemente Feuer und Luft, die im Makrokosmos sind, sind im Menschen, im Mikrokosmos, Blut und Nerven; und wie im Makrokosmos Blitz und Donner, so sind im Menschen die Gedanken. [5]

Wenn die Pflanze zu einer bestimmten Stelle kommt (in ihrer Entwickelung), da wird sie befruchtet vom Weltenall. Wenn das Wasser, das hier in Form des Nebels aufsteigt, zu einer bestimmten Stelle kommt, da wird es auch aus dem Weltenall befruchtet – da blitzt es, wenn die Dinge so ausdrücklich sind wie im Sommer – sonst geschieht ja auch der Blitz, aber er ist unsichtbar –, da wird vom Weltenall durch Licht und Wärme das Wasser hier befruchtet, das als fruchtbarer Regen wieder herabfällt. Dasselbe, was in der Pflanze geschieht, geschieht da oben und ist im Blitz sichtbar. [6]

Da wird man fragen, wenn einer den Blitz anschaut: Ist der Blitz nur da oben? – O nein, der ist den ganzen Sommer hindurch, indem die Pflanzen befruchtet werden, über die Wiesen, über die Wälder hin, überall da ist der niedere Blitz. Innerlich sind wir ganz durchsetzt von denselben Erscheinungen, die wir manchmal sehen, wenn es blitzt, und unsere Gedanken sind ein Aufblitzen in uns. Nur natürlich dasjenige, was einmal als ein mächtiger Blitz erscheint, das verläuft ganz schwach in unserem Denken. Wenn ich einen Blitz anschaue, dann erscheinen mir da die Weltengedanken; dasselbe wie das, was in mir ist. [7] In dem Momente, wo der Wasserdunst hinaufgeht und in die Region des Geistes kommt, da kann aus dem Geiste heraus der Blitz entstehen. [8] Der Blitz entsteht nicht durch Elektrizität, sondern dadurch, daß die Luft ihre eigene Hitze ausleert. Aber nun dadurch, daß diese starke Bewegung geschieht, dadurch werden wiederum die immerfort in der Luft, namentlich in der warmen Luft vorhandenen elektrischen Strömungen erregt. Der Blitz erregt erst die Elektrizität. Er ist noch keine Elektrizität. [9]

In dem Augenlick, wo der Blitz erscheint, zerreißt der Raum, und dasjenige, was den Raum intensiv undimensional erfüllt, das tritt heraus, wie, wenn ich mich schneide, das Blut herausdringt. Das ist aber der Fall jedesmal, wenn Licht in Begleitung von Wärme erscheint: Der Raum zerreißt, der Raum enthüllt uns dasjenige, was in seinem Inneren ist, während er uns in seinen gewöhnlichen drei Dimensionen, die wir vor uns haben, nur seine Außenseite zeigt. [10]

Zitate:

[1]  GA 266/3, Seite 358   (Ausgabe 1998, 545 Seiten)
[2]  GA 107, Seite 178   (Ausgabe 1973, 328 Seiten)
[3]  GA 122, Seite 121   (Ausgabe 1961, 200 Seiten)
[4]  GA 110, Seite 115   (Ausgabe 1981, 198 Seiten)
[5]  GA 109, Seite 99   (Ausgabe 1979, 304 Seiten)
[6]  GA 350, Seite 220   (Ausgabe 1962, 314 Seiten)
[7]  GA 350, Seite 223   (Ausgabe 1962, 314 Seiten)
[8]  GA 350, Seite 196   (Ausgabe 1962, 314 Seiten)
[9]  GA 354, Seite 189   (Ausgabe 1969, 246 Seiten)
[10]  GA 321, Seite 210   (Ausgabe 1982, 240 Seiten)

Quellen:

GA 107:  Geisteswissenschaftliche Menschenkunde (1908/1909)
GA 109:  Das Prinzip der spirituellen Ökonomie im Zusammenhang mit Wiederverkörperungsfragen. Ein Aspekt der geistigen Führung der Menschheit (1909)
GA 110:  Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt. Tierkreis, Planeten, Kosmos (1909)
GA 122:  Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte. Das Sechstagewerk im 1. Buch Moses (1910)
GA 266/3:  Aus den Inhalten der esoterischen Stunden. Band III (1913-1923)
GA 321:  Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik, II. Zweiter naturwissenschaftlicher Kurs: Die Wärme auf der Grenze positiver und negativer Materialität (1920)
GA 350:  Rhythmen im Kosmos und im Menschenwesen. Wie kommt man zum Schauen der geistigen Welt? (1923)
GA 354:  Die Schöpfung der Welt und des Menschen. Erdenleben und Sternenwirken (1924)