China und Luzifers Inkarnation

Ebenso, wie es gegeben hat die Inkarnation des Christus in dem Menschen Jesus von Nazareth, hat es auch gegeben eine wirkliche Inkarnation des Luzifer im 3. vorchristlichen Jahrtausend in Asien. Und ein großer Teil der alten Kultur ist eben inspiriert von der Seite her, die nur bezeichnet werden kann als eine irdische Inkarnation Luzifers in einem Menschen, der in Fleisch und Blut gelebt hat. Es wurde ja sogar das Christentum, das Mysterium von Golgatha, als es unter den Menschen sich abspielte, zuerst so gefaßt, wie es die Menschen fassen konnten durch dasjenige, was sie aus der alten luziferischen Weisheit bekommen konnten. Auch die Einseitigkeit der aber sonst außerordentlich tiefsinnigen Gnosis rührt davon her, daß eben über die alte Welt diese Luziferinkarnation ging. [1] Innerhalb derjenigen Kultur, aus der die heutige chinesische Kultur geworden ist. [2]

Die Inkarnation des Luzifer war der Ursprung der weit ausgebreiteten, auf dem Grunde der dritten nachatlantischen Menschenkultur liegenden Urweisheit. Bis in die Griechenzeit herein wirkte noch dasjenige nach, was aus diesem Kulturimpuls des asiatisch-luziferischen Menschen sich unter der Menschheit verbreitete: Luziferische Weisheit, wie sie der Menschheit durchaus in jener Entwickelungsepoche nützlich war, glanzvoll in einer gewissen Weise, abgestuft, je nach den verschiedenen Völkern und Rassen, unter denen sie sich verbreitete, deutlich erkennbar durch ganz Asien hindurch, dann noch in der ägyptischen Kultur, in der babylonischen Kultur, selbst noch auf dem Grunde der griechischen Kultur. Alles, was die Menschen denken, dichten, wollen konnten in der damaligen Zeit, war in einer gewissen Weise durch diesen luziferischen Einschlag in die Menschheitskultur bedingt. Schönes und Großes ist für die Menschheit aus dieser Luziferströmung hervorgegangen, auch die griechische Schönheit ist etwas, was aus dieser Entwickelungsströmung hervorgegangen ist. [3]

Nun aber trug sich etwa im Beginn des 3. Jahrtausends etwas sehr Bedeutsames zu. Die geistig-seelische Wesenheit der Menschen konnte sich dazumal noch nicht der eigentlichen menschlichen Verstandesorgane bedienen. Diese Verstandesorgane waren schon da, sie waren ausgebildet in der physischen Wesenheit der Menschen, aber die seelisch-geistige Wesenheit konnte sich dieser Verstandesorgane nicht bedienen. So daß die Menschen noch nicht etwa durch ihr Denken, durch ihre Urteilskräfte irgend etwas an Erkenntnissen haben gewinnen können. Nur dasjenige haben sie gewinnen können, was ihnen aus den Mysterien heraus gegeben wurde. Da trug sich eben im Beginn des 3. Jahrtausends im Osten Asiens drüben ein bedeutsames Ereignis zu. Es wuchs heran, ohne daß man es wehrte, ein Kind aus einer der damaligen asiatischen vornehmen Familien in der Umgebung der Zeremoniendienste der Mysterien. Die Umstände boten sich so, daß dieses Kind eben teilnehmen durfte an den Zeremonien, wohl dadurch, daß die leitenden Mysterienpriester es als eine Inspiration empfanden, daß sie solch ein Kind einmal teilnehmen lassen sollten. Und als der Mensch, der in diesem Kinde lebte, etwa vierzig Jahre alt geworden war, so ungefähr, da stellte sich etwas Merkwürdiges heraus. Da zeigte es sich – und es muß durchaus gesagt werden, daß die Mysterienpriester das Ereignis gewissermaßen prophetisch vorausgesehen haben –, daß dieser Mensch, den man heranwachsen ließ in einem der ostasiatischen Mysterien, gegen sein vierzigstes Jahr hin plötzlich den Sinn desjenigen, was früher nur durch Offenbarung in die Mysterien hereingekommen war, durch die menschliche Urteilskraft zu erfassen begann. Er war gewissermaßen der erste, der sich der Organe des menschlichen Verstandes, aber nur in Anlehnung an die Mysterien, bedienen durfte. Wenn wir das, was die Priester der Mysterien über diese Angelegenheit sagten, in unsere heutige Sprache übersetzen, dann müssen wir sagen: In diesem Menschen war nicht mehr, nicht weniger als Luzifer selbst inkarniert. Und von dieser fleischlichen Inkarnation Luzifers – denn diese Persönlichkeit lehrte dann – ging dasjenige aus, was man eigentlich als die vorchristliche, heidnische Kultur bezeichnet, was noch in der Gnosis der ersten christlichen Jahrhunderte lebte. Durch diese Inkarnation des Luzifers hat der Mensch die Fähigkeit bekommen, sich der Organe seines Verstandes, seiner Urteilskraft zu bedienen. Luzifer selbst war es in einem menschlichen Leibe, der zuerst durch Urteilskraft aufgefaßt hat dasjenige, was früher nur durch Offenbarung in den Menschen hat hereinkommen können: den Sinn der Mysterien. [4]

Zitate:

[1]  GA 191, Seite 198   (Ausgabe 1983, 296 Seiten)
[2]  GA 195, Seite 38   (Ausgabe 1962, 91 Seiten)
[3]  GA 193, Seite 163   (Ausgabe 1977, 208 Seiten)
[4]  GA 193, Seite 184ff   (Ausgabe 1977, 208 Seiten)

Quellen:

GA 191:  Soziales Verständnis aus geisteswissenschaftlicher Erkenntnis (1919)
GA 193:  Der innere Aspekt des sozialen Rätsels. Luziferische Vergangenheit und ahrimanische Zukunft (1919)
GA 195:  Weltsilvester und Neujahrsgedanken (1919/1920)