Eckhart

Meister Eckhart war ein Mystiker des Mittelalters, welcher einen Führer in dem Sinne, wie es die alten Einzuweihenden der Isis- und Osiris-Mysterien hatten, nicht hatte, der sozusagen auf eigene Hand in sein Inneres hinunterstieg. Wodurch schützte er sich aber vor dem eigensüchtigen Anspruch des eigenen Ich? Er schützte sich, wie fast alle die christlichen Mystiker des Mittelalters, welche einen eigentlichen Guru nicht hatten, weil die Zeit schon herannahte, wo die Menschennatur sich auflehnt dagegen. Er machte das Paulinische Wort wahr: Nicht ich, sondern der Christus in mir. Er entselbstete sich sozusagen. Diese christlichen Mystiker ersetzten den äußeren Guru durch einen inneren Guru, durch den Christus. [1] Er gehörte dem Orden der Dominikaner an wie der größte christliche Theologe des Mittelalters, Thomas von Aquino der von 1225 bis 1274 lebte. Eckhart (ca. 1260 -1326) war unbedingter Verehrer des Thomas. [2]

Was im Menschen geschieht, gehört zu dem Urwesen; und geschähe es nicht, so wäre das Urwesen nur ein Teil seiner selbst. In diesem Sinne darf der Mensch sich als notwendiges Glied des Weltwesens fühlen. Die Seele, die verstrickt ist in die Sinnenwelt und damit in die Endlichkeit, hat als solche den Inhalt des Urwesens nicht schon in sich. Sie muß ihn in sich erst entwickeln. Sie muß sich als Einzelwesen vernichten. In treffender Weise charakterisiert Meister Eckhart diese Vernichtung als Entwerdung. [3]

Das Böse ist das Handeln einer Seele, die nicht durch den Zustand der Entwerdung durchgegangen ist. Eine solche Seele ist selbstsüchtig in dem Sinne, daß sie nur sich will. Sie könnte nur äußerlich ihr Wollen mit sittlichen Idealen in Einklang bringen. Die schauende Seele kann in diesem Sinne nicht selbstsüchtig sein. Wenn sie auch sich wollte, so wollte sie doch die Herrschaft des Idealen; denn sie hat sich selbst zu diesem Idealen gemacht. Sie kann nicht mehr die Ziele der niederen Natur wollen, denn sie hat nichts mehr mit dieser niederen Natur gemein. Gerade daran erkennt man den Schauenden, daß er gar nichts mehr als einzelner will. [4]

Zitate:

[1]  GA 119, Seite 137ff   (Ausgabe 1962, 279 Seiten)
[2]  GA 7, Seite 39   (Ausgabe 1960, 150 Seiten)
[3]  GA 7, Seite 48f   (Ausgabe 1960, 150 Seiten)
[4]  GA 7, Seite 51f   (Ausgabe 1960, 150 Seiten)

Quellen:

GA 7:  Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung (1901)
GA 119:  Makrokosmos und Mikrokosmos.. Die große und die kleine Welt. Seelenfragen, Lebensfragen, Geistesfragen (1910)