Thomas von Aquino

Vergleichen wir Thomas mit Augustinus, so sehen wir, daß er nicht wie dieser in Irrtümern befangen war, und daß er seit den Kinderjahren weder Zweifel noch Unglauben gekannt hat, weil Urteil und Überzeugung ihren Sitz im Astralleib haben, und Thomas in seinen eigenen Astralleib denjenigen des Christus einverwoben bekommen hatte (siehe: Abbilder des Astralleibes). Eine Einpflanzung irgendeines Prinzips in einen Menschenleib kann nur stattfinden, wenn eine äußere Tatsache den natürlichen Lauf der Dinge ändert. Als Thomas nämlich noch ein Kind war, schlug der Blitz in seiner Nähe ein und tötete sein Schwesterchen. [1] So wird von Thomas von Aquino erzählt, daß der Blitz einschlägt in den Raum, in dem er sich befindet, und das Schwesterchen in der Wiege neben ihm tötet, ihn aber verschont. Für ihn bedeutet dieses Einschlagen des Blitzes neben ihm, daß die Kraft, die aus den Elementen stammt, mithilft, um ihn aufnehmen zu lassen die Kopie des Astralleibes des Jesus von Nazareth. [2]

Der Thomismus fällt zusammen mit der Zeit, in der der menschliche Verstand, wie wir ihn kennen, sich bildete. Der stärkste Impuls zu dieser Bildung kam vom Arabismus, der eine wirkliche intellektuelle Wissenschaft war, während dagegen die alten Weisen wußten, wodurch es kam, daß sie direkt schauen konnten. Für die Verarbeitung der neuen Philosophie war Aristoteles gut zu gebrauchen, da er schon die Verstandesarbeit der Mysterienweisheit vorgezogen hatte. Letztere verschwand dann vollkommen mit dem Arabismus, der nur eine reine Verstandesspekulation war; die bringt einen höchstens zum Pantheismus der Begriffe, kommt aber nicht weiter als bis zu diesem Gedanken eines einheitlichen Ganzen. Thomas nun nahm die intellektuelle Wissenschaft auf, die ihm zugänglich war, ließ aber unverändert das Offenbarungswissen und bediente sich der Dialektik, um es zu begreifen. Im Neuen Testament ist alles enthalten, so daß Thomas demjenigen, was da auseinandergesetzt wird, nur die feingeschliffene Wissenschaft hinzuzufügen brauchte. Die Scholastik machte diese intellektuelle Wissenschaft möglich, ebenso das sich wieder bis zum göttlichen Gedanken Erheben durch eine fortschreitende Dialektik. Scholastik kommt aus dem Griechischen «scole», bedeutet also «Aufmerkung», was irrtümlich übersetzt wurde in (das lateinische) «scuola», Schule. Das scholastische System ist das vollkommenste logische Gewebe. Auf diese Weise finden wir in Thomas aufs neue gedacht die vorschöpflichen göttlichen Gedanken, frei von Irrtum und Täuschung, wie sie nur gedacht werden konnten in einer Klosterzelle, weit entfernt von dem Lärm der Welt. Der Mensch der Welt beeilt sich zu verstehen, sich schnell eine Auffassung zu eigen zu machen und alles zu vereinfachen. Aber die Gottheit ist nicht so einfach! Mit Thomas von Aquino erhebt sich der menschliche Gedanke. Er ist nicht weniger Mystiker als Scholastiker. Er konnte nämlich solche Beschreibungen geben, weil er die geistigen Hierarchien sah, so wie sie der Seher Dionysius der Areopagite uns gegeben hat, und in seinen langen nächtlichen Meditationen vor dem Altar konnte er die schwersten Probleme lösen. So finden sich in ihm vereinigt der Mystiker und ein Denker so hell wie ein Diamant und nicht von den Sinnen beeinträchtigt. [3]

Der, welcher als Philosoph wirkte, wenn er seine Begriffe in feiner Begriffskunst ausprägte, war im Zusammenhange mit der geistigen Welt. Man kann zum Beispiel bei Thomas von Aquino im 13. Jahrhundert nicht sagen, was in seinen Büchern steht, sei auf eine solche Art gewonnen, wie heute Begriffe und Vorstellungen gewonnen werden. Das wäre falsch vorgestellt. Sondern was in seinen Büchern steht, müssen Sie sich so vorstellen, daß ihn fortwährend ein Geist aus der Hierarchie der Angeloi dazu inspiriert, und daß er dasjenige niederschreibt, was aus dem Bewußtsein eines höheren Geistes kommt. Nur auf diese Weise kann man alles Entstehende, alles Werdende begreifen. Nur auf die Weise, daß man zuhört, geistig, wie das einen inspiriert oder Imaginationen spendet, kann man über Werden, über Entstehen reden. [4] (Weiteres siehe: Scholastik; Universalienstreit).

Zitate:

[1]  GA 109, Seite 71   (Ausgabe 1979, 304 Seiten)
[2]  GA 109, Seite 154   (Ausgabe 1979, 304 Seiten)
[3]  GA 109, Seite 71f   (Ausgabe 1979, 304 Seiten)
[4]  GA 176, Seite 319   (Ausgabe 1982, 392 Seiten)

Quellen:

GA 109:  Das Prinzip der spirituellen Ökonomie im Zusammenhang mit Wiederverkörperungsfragen. Ein Aspekt der geistigen Führung der Menschheit (1909)
GA 176:  Menschliche und menschheitliche Entwicklungswahrheiten. Das Karma des Materialismus (1917)