Apokalypse des Johannes
► Brief an die Gemeinde von Sardes

«Und dem Engel der Gemeinde zu Sardes schreibe» – wir selbst müssen uns hier angesprochen fühlen «Das sagt, der die 7 Geister Gottes hat und die 7 Sterne». Nach dem technischen Ausdruck des Okkultismus nennt man diese sieben Prinzipien (siehe: Wesensglieder) die 7 Geister des Gottes im Menschen. Und die 7 Sterne sind die aufeinanderfolgenden Sterne der Erdenverkörperung: Saturn, Sonne, Mond, Erde, Jupiter, Venus und Vulkan. Hier wird hingedeutet auf unsere Zeit, wo man am tiefsten heruntergestiegen ist in die Materie, daß wir in das spirituelle Leben wieder hinaufschreiten sollen im Gefolge der großen Individualität, welche die 7 Geister Gottes und die 7 Sterne uns zur Führerschaft gibt, damit wir uns zurechtfinden auf dem Wege. [1] Die Gemeinde von Sardes war herausentwickelt aus einem Mysterienwesen, das in höchstem Grade zählte auf die Erforschung der Lebensgeheimnisse und Lebensimpulse aus dem nächtlichen Sternenhimmel. Bevor man von der Gemeinde von Sardes als einer christlichen Gemeinde reden konnte, mußte man gerade von ihr sprechen als derjenigen, die am meisten festhielt an dem alten traumhaften Hellseherzustand, denn gerade diesem traumhaften Hellsehertum ergab sich das nächtliche Geheimnis des Makrokosmos. Und da, wo festgehalten wurde an dem alten traumhaften Hellsehertum, das als Tradition fortbewahrt wurde, wurde wenig gesehen auf das, was der Tag gibt. In Sardes gab man nichts auf die Tagessonne, man empfing ihr Licht als eine Selbstverständlichkeit, aber man gab nichts auf die Tagessonne in der Stadt Sardes, sondern da galt nur die Nachtsonne, die man in den alten Mysterien die «Mitternachtssonne» nennt und die als gleichbedeutend mit den Planeten angesehen wurde. Den Mond unterschied man nicht von den übrigen Planeten, und die Sonne wurde gesehen als ein wirklich mit den anderen Planeten gleichstehender Planet. Es war in dieser ersten christlichen Zeit sogar so, daß in Ephesus der alte heidnische Kult fortlebte, der nur nach dem Christlichen hin orientiert war, während in Sardes fortlebte die Nuance des alten heidnischen Kultes, der nach dem Astrologischen hin orientiert war, wie ich das eben dargestellt habe. Daher ist es natürlich, daß der Apokalyptiker schreibt von Sardes: «das da hat die sieben Geister Gottes und die sieben Sterne» (Apk. 3, 1). – Jetzt sind es nicht die Leuchter, welche auf dem Altar stehen, nicht das Licht, das mit der Erde verbunden ist, sondern es ist das Licht, das oben steht im Makrokosmos. Der Gemeinde von Sardes wirft er in erster Linie vor, daß sie wachen soll, daß sie den Übergang finden soll zur Tagessonne, der Ausgangsstätte des Christus. [2] (Und nun) heißt es (noch) im fünften Brief der Apokalypse, wie die Menschen der fünften Kulturepoche diejenigen seien, die wirklich in sich aufnehmen, was dann für die Kulturperiode der Gemeinde von Philadelphia etwas Selbstverständliches sein wird. Die Weisheit der fünften Kulturperiode wird als Liebesblume aufgehen in der sechsten Kulturperiode. [3]

Zitate:

[1]  GA 104, Seite 84   (Ausgabe 1979, 284 Seiten)
[2]  GA 346, Seite 65f   (Ausgabe 1995, 343 Seiten)
[3]  GA 104a, Seite 104   (Ausgabe 1991, 144 Seiten)

Quellen:

GA 104:  Die Apokalypse des Johannes (1908)
GA 104a:  Aus der Bilderschrift der Apokalypse des Johannes (1907/1909)
GA 346:  Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, V. Apokalypse und Priesterwirken (1924)