Devachan
► 4. Region – Quell der Schöpfung – Enthält die Akasha-Chronik

Auf der vierten Stufe des Eindringens in den Devachan erscheinen die Dinge in der Gestalt ihrer Urformen. Das ist nicht mehr der negative Aspekt, sondern der ursprüngliche Typus, der sich da enthüllt. Das ist die Werkstatt der Welt, die alle Formen in sich einschließt, aus denen die Schöpfung entsprungen ist. Das ist die Ideenwelt Platos, das Reich der Mütter, von dem Goethe spricht und aus dem er das Phantom der Helena aufsteigen läßt. Auf dieser Stufe erscheint die Akasha-Chronik, in unserer neuzeitlichen Sprache würden wir sie als das Astralbild aller Weltereignisse nennen. Alles, was durch den Astralleib der Menschen hindurchgegangen ist, ist hier in einer unendlich subtilen Substanz, die eigentlich eine negative Materie ist, festgehalten. Die Verfeinerung des materiellen Zustandes kann einen Grad erreichen, der, wenn man ihn überschreitet, bei einer negativen Materie endet; man nennt ihn Akasha. In ihr drücken sich alle Ereignisse in einer endgültigen Weise ab, und man kann sie alle wiederfinden, selbst diejenigen aus der tiefsten Vergangenheit. [1]

Wenn wir den Unterschied zwischen der vierten Region und den unteren drei Regionen verstehen wollen, so müssen wir uns klar sein, daß bei allem, was der Mensch an Schöpferkraft mitbringt in die physische Welt, er abhängig ist von dem, was schon auf der Erde vorhanden ist. Wir sind wie ein Töpfer, der seine Gedanken dem Ton einprägt. Indem wir Botschaften aus dem Geisterlande hier verwirklichen wollen, sind wir von dem Tone der irdischen Welt abhängig. Wir müssen uns demjenigen fügen, was schon geschaffen ist. Wir müssen studieren, was als physische Kraft und als physischer Stoff schon in der Welt existiert. Wir müssen uns an dasjenige halten, was unsere Mitgeschöpfe empfinden an Leid, an Lust- und Unlustempfindungen. Wir müssen uns mit dem, was wir mitbringen aus dem Geisteslande, richten nach dem, was wir hier antreffen. Wir schaffen da nur ein Abbild dessen, was im Geisteslande ist. In der vierten Region sind die Urbilder für das, was der Mensch als eine Art originale Werke innerhalb der Welt schafft, was er schafft über das Bestehende hinaus. Alles, was Kunst und Wissenschaft hervorgebracht haben, alles, was wir als technische Erfindungen kennen, alles das, was niemals da sein würde ohne den Einfluß des Menschengeistes, das ist als Urbild in der vierten Region des Devachan anzutreffen. Wer an den Kulturfortschritten seiner Zeit teilnimmt, an dem wissenschaftlichen Streben, an dem Ausbau staatlicher Einrichtungen, an der Vervollkommnung dessen, was frei aus dem Geiste geboren wird, was nicht an die Seele gebunden ist: sie alle sind befruchtet von dem, was sie in der vierten Region des Devachan erlebten. Dasjenige, was wir dort erfahren, prägen wir in die sinnliche Wirklichkeit ein und schaffen es dadurch um. Wenn wir uns fragen, ob diese vierte Region unabhängig ist von der irdischen Region, so müssen wir sagen: in gewisser Weise –, denn der Mensch, der aus ihr kommt, bringt etwas mit, was noch nicht da ist. Aber doch ist sie wieder abhängig, denn der Mensch kann immer nur auf einer gewissen Stufe der Vervollkommnung stehen, und er kann nur das ausgestalten, wofür die Menschheit reif ist. Die vierte Region des Devachan hängt mit dem irdischen Dasein so zusammen, daß sie auf der einen Seite frei, auf der anderen Seite aber doch wieder abhängig ist von einem gewissen (Stand des irdischen) Daseins. [2]

Dieses vierte Gebiet enthält die Urformen, die Urgründe von all dem, was hier auf der Erde originell geleistet worden ist. Dort ist das eigentlich Treibende, das unsere Erde vorwärtsbringt. [3] Dasjenige, was der Mensch leistet aus einer rein wohlwollenden Gesinnung, aus der Liebe heraus, das, was der Mensch leistet über das Gebiet des Physischen hinaus, das stammt von Kräften, die in diesem Gebiet sichtbar werden. Derjenige, welcher Intuition, Erfindungsgabe hat, schafft Dinge, die nicht Abbilder von unserer Erde sind; er schafft also etwas, was aus einem Höheren in unsere Erde hineingetragen wird. Das entstammt diesem Gebiet. [4]

Die Urbilder der vierten Region beziehen sich nicht unmittelbar auf die anderen Welten. Sie sind in gewisser Beziehung Wesenheiten, welche die Urbilder der drei unteren Regionen beherrschen und deren Zusammentritt vermitteln. Sie sind daher beschäftigt mit dem Ordnen und Gruppieren dieser untergeordneten Urbilder. Von dieser Region geht demnach eine umfassendere Tätigkeit aus als von den unteren. [5] In diesem vierten Gebiet nimmt der Mensch (im nachtodlichen Leben) dasjenige auf, was er unter Benützung der irdischen Kräfte und Fähigkeiten, unter Benützung der Eigenschaften der irdischen Dinge durch seine Intuition, seine Erfindungen und Entdeckungen verwirklicht. Hier sind diejenigen, welche sich als Künstler, als große Erfinder oder sonstwie mit genialen Geistesblitzen, mit umfassender Anschauung der Welt, mit umfassender Weisheit im neuen (künftigen) Leben ihren Mitmenschen dienstbar machen. Je nachdem der Mensch schon in diesem Leben diese oder jene Eigenschaften entwickelt hat, je nachdem dauert die Arbeit des Bewußtseins im Devachan natürlich länger. Es ist der Zustand der höchsten Seligkeit. Was ihn auf der Erde beschränkt und gehemmt hat, ist von ihm gefallen. Frei entfaltet er jetzt seine Fähigkeiten. Diese Möglichkeit, seine Flügel nach allen Seiten hin zu entfalten, um seine erhöhten Kräfte zu entfalten, um seine erhöhten Kräfte dann wieder hineinfließen zu lassen in die physische Verkörperung und auf diese Weise auf der Erde um so tatkräftiger und energischer wirken zu können; diese Möglichkeit fühlt der Mensch, und das erscheint ihm als ein Zustand der höchsten Seligkeit. Diese Seligkeit haben die Religionen aller Zeiten beschrieben als die himmlische Seligkeit. Daher erscheint auch bei den verschiedenen Religionen Devachan als das sogenannte Himmelreich. [6]

Darüber hinaus kommen noch drei höhere Gebiete, die aber der Mensch hier während des Lebens nur durch höhere Einweihung erreichen kann, und die nach dem Tode auch nur höher entwickelten Individualitäten wahrnehmbar sind. [7] Es gibt noch höhere Stufen, die über die vier Stufen des Devachan hinausliegen, die der Mensch dann beschreiten wird, wenn er eine höhere Entwickelung des Wesens bereits erstiegen hat. Auch der ungebildete Mensch, wenn er noch so schnell hindurcheilt, weil er wenig darin zu suchen hat, weil er wenig darin entfalten kann, muß zwischen dem Tod und einer neuen Geburt wenigstens kurze Zeit in diesem von allen irdischen Banden freiesten Lande des Devachan zubringen. Da ist alle Erdenschwere von ihm gefallen. Da nimmt er teil an dem Luftzug, der aus der göttlichen Welt zu ihm herüberweht, der ihn durchdringt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Diejenigen, welche eine höhere Ebene des Daseins erreicht haben, verweilen hier länger. Hier gewinnen sie die Möglichkeit, mit besonderer Weisheit, mit besonderen geistigen Kräften wieder herunterzusteigen auf die Erde, um als höhergeartete Individualitäten ihren Mitmenschen zu helfen. Die Führer der Menschheit, weilen in diesem Gebiete längere Zeit. Auch die welche der Welt schon entrückt sind, sind hier anzutreffen, Wesenheiten, die die theosophische Literatur Meister nennt, jene Wesenheiten, die mit ihrer Entwickelung weit hinaus sind über das, was den Menschen der Gegenwart noch anhaftet. Je länger der Mensch sich des Umgangs dieser Wesenheiten zwischen dem Tode und einer neuen Geburt erfreuen kann, desto reiner, edler und moralischer betritt er wieder den irdischen Schauplatz. Und je mehr er wieder auf dieser Erde, dafür gesorgt hat, daß er rein, edel, idealistisch geworden ist, desto länger kann er teilhaftig werden der «Luft», die in diesen Partien des Devachan weht. [8]

Zitate:

[1]  GA 94, Seite 82f   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[2]  GA 88, Seite 126f   (Ausgabe 1999, 256 Seiten)
[3]  GA 99, Seite 41   (Ausgabe 1962, 172 Seiten)
[4]  GA 53, Seite 153f   (Ausgabe 1981, 508 Seiten)
[5]  GA 9, Seite 126   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[6]  GA 53, Seite 160   (Ausgabe 1981, 508 Seiten)
[7]  GA 100, Seite 53f   (Ausgabe 1981, 276 Seiten)
[8]  GA 53, Seite 161f   (Ausgabe 1981, 508 Seiten)

Quellen:

GA 9:  Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung (1904)
GA 53:  Ursprung und Ziel des Menschen. Grundbegriffe der Geisteswissenschaft (1904/1905)
GA 88:  Über die astrale Welt und das Devachan (1903-1904)
GA 94:  Kosmogonie. Populärer Okkultismus. Das Johannes-Evangelium. Die Theosophie an Hand des Johannes-Evangeliums (1906)
GA 99:  Die Theosophie des Rosenkreuzers (1907)
GA 100:  Menschheitsentwickelung und Christus-Erkenntnis. Theosophie und Rosenkreuzertum – Das Johannes-Evangelium (1907)