Eitelkeit und Ehrgeiz

Verwandt sind mancherlei menschliche Gefühle miteinander, Ehrgeiz und Eitelkeit sind zum Beispiel verwandt mit der Furcht. Ehrgeizig, eitel sein heißt: durch das Urteil seiner Umgebung etwas gelten wollen und sich gefallen darin, durch dieses Urteil etwas zu gelten, Wollust zu haben durch dieses Urteil. Menschen, die in ihrem äußeren Bewußtsein sich manchmal ganz robust ausnehmen – in den Tiefen ihrer Seele sind sie Hasenfüße. Und sie suchen mancherlei Betäubungsmittel, wenn sie so rechte Furcht haben gegenüber den übersinnlichen Welten. Das heißt, weil mancher den Boden unter den Füßen zu verlieren glaubt, wenn er in die geistigen Welten eindringt, deshalb überkommt ihn Furcht. Und über diese Furcht will er sich hinwegbetäuben, und da ersinnt er die von Haß und Eitelkeit durchdrungene Antipathie gegen diese Geisteswissenschaft. Diese Stimmung wird sich immer weiter verbreiten in der Gegenwart, denn die innerlich feigen, äußerlich eitlen Seelen werden heute immer verbreiteter in der Welt. [1]

Der persönliche Ehrgeiz verführt uns immer mehr und mehr dazu, dasjenige, was nur persönlich ist, produzieren zu können und nicht zu uns sprechen zu lassen das, was Ausdruck des Göttlichen in uns ist. Wodurch können wir wissen, daß das Göttliche in uns spricht? Ertöten müssen wir alles dasjenige, was nur aus uns kommt, und vor allen Dingen müssen wir ertöten ein jegliches ehrgeiziges Streben. Ungeduld ist der schlimmste Lebensführer. Sie ist dasjenige, was die Welt verdirbt. Es ist eine Tatsache, daß durch ehrgeizige Produktionen in unserer Seele solche Befruchtungskeime entstehen, woraus Mißgeburten in der geistigen Welt (Devachan) hervorgehen. Diese zurückzudrängen, allmählich auch umzugestalten, ist eine fruchtbare Aufgabe für eine fernere Zukunft. Das ist die Mission der Geisteswissenschaft, diese Aufgabe zu lösen. [2]

Ehrgeiz und Eitelkeit machen sich im Astralleib bemerkbar wie Stacheln, wie spitzige Einströmungen von außen nach innen die tief eindringen, dann nach außen gehen und sich da verlieren. Diese Stacheln kann der Esoteriker benutzen, um solche Gedanken zurückzuweisen, er kann sie als Schutzvorrichtung benutzen gegen Gedanken von Ehrgeiz und Eitelkeit. Unterliegt er ihnen aber, so drängen sich bei ihm diese Stacheln viel tiefer ein, als beim Exoteriker der sie immer hat. [3]

Zitate:

[1]  GA 140, Seite 224f   (Ausgabe 1980, 374 Seiten)
[2]  GA 155, Seite 59f   (Ausgabe 1982, 252 Seiten)
[3]  GA 266/1, Seite 431   (Ausgabe 1995, 622 Seiten)

Quellen:

GA 140:  Okkulte Untersuchungen über das Leben zwischen Tod und neuer Geburt. Die lebendige Wechselwirkung zwischen Lebenden und Toten (1912/1913)
GA 155:  Christus und die menschliche Seele. Über den Sinn des Lebens. Theosophische Moral. Anthroposophie und Christentum (1912/1914)
GA 266/1:  Aus den Inhalten der esoterischen Stunden. Band I (1904-1909)