Schilderung von Teilen der übersinnlichen Welt
► Schlaf

Man kann das Wesen des wachen Bewußtseins nicht durchdringen ohne die Beobachtung desjenigen Zustandes, welchen der Mensch während des Schlafens durchlebt; und man kann dem Rätsel des Lebens nicht beikommen, ohne den Tod zu betrachten. [1] Wenn der Mensch in Schlaf versinkt, dann verändert sich der Zusammenhang in seinen Gliedern. Das, was vom schlafenden Menschen auf der Ruhestätte liegt, enthält den physischen Leib und den Ätherleib, nicht aber den Astralleib und das Ich. Weil der Ätherleib mit dem physischen Leibe im Schlafe verbunden bleibt, deshalb dauern die Lebenswirkungen fort. Denn in dem Augenblicke, wo der physische Leib sich selbst überlassen wäre, müßte er zerfallen. Es kann für ein unbefangenes Urteilen natürlich die Meinung gar nicht in Betracht kommen, daß im Schlafe der Astralleib mit aller Lust und allem Leid, mit der ganzen Vorstellungs- und Willenswelt vernichtet sei. Er ist eben in einem andern Zustande vorhanden. Daß das menschliche Ich und der Astralleib nicht nur mit Lust und Leid und all dem andern Genannten erfüllt sei, sondern davon auch eine bewußte Wahrnehmung habe, dazu ist notwendig, daß der Astralleib mit dem physischen Leib und Ätherleib verbunden sei. Im Wachen ist er dieses, im Schlafen ist er es nicht. Für die Beobachtung in der äußeren Welt entschwindet der Astralleib im Schlafe; die übersinnliche Anschauung hat ihn nun zu verfolgen in seinem Leben, bis er wieder Besitz vom physischen Leibe und Ätherleibe beim Erwachen ergreift. Wenn auch der Astralleib während des Schlafes keine Vorstellungen erlebt, wenn er auch nicht Lust und Leid und ähnliches erfährt: er bleibt nicht untätig. Ihm obliegt vielmehr gerade im Schlafzustande eine rege Tätigkeit. [2] Es kann dem physischen Leib die ihm für den Menschen zukommende Form und Gestalt nur durch den menschlichen Ätherleib erhalten werden. Aber diese menschliche Form des physischen Leibes kann nur durch einen solchen Ätherleib erhalten werden, dem seinerseits wieder von dem Astralleibe die entsprechenden Kräfte zugeführt werden. Der Ätherleib ist der Bildner, der Architekt des physischen Leibes. Er kann aber nur im richtigen Sinne bilden, wenn er die Anregung zu der Art, wie er zu bilden hat, von dem Astralleibe erhält. In diesem sind die Vorbilder, nach denen der Ätherleib dem physischen Leibe seine Gestalt gibt. Während des Wachens ist nun der Astralleib nicht mit diesen Vorbildern für den physischen Leib erfüllt oder wenigstens nur bis zu einem bestimmten Grade. Denn während des Wachens setzt die Seele ihre eigenen Bilder an die Stelle dieser Vorbilder. Wenn der Mensch die Sinne auf seine Umgebung richtet, so bildet er sich eben durch die Wahrnehmung in seinen Vorstellungen Bilder, welche die Abbilder der ihn umgebenden Welt sind. Diese Abbilder sind zunächst Störenfriede für diejenigen Bilder, welche den Ätherleib anregen zur Erhaltung des physischen Leibes. Nur dann, wenn der Mensch aus eigener Tätigkeit seinem Astralleibe diejenigen Bilder zuführen könnte, welche dem Ätherleibe die richtige Anregung geben können, dann wäre eine solche Störung nicht vorhanden. Im Menschendasein spielt aber gerade diese Störung eine wichtige Rolle. Und sie drückt sich dadurch aus, daß während des Wachens die Vorbilder für den Ätherleib nicht in ihrer vollen Kraft wirken. Seine Wachleistung vollbringt der Astralleib innerhalb des physischen Leibes; im Schlafe arbeitet er an diesem von außen. [3] Wie nun der physische Leib in die physische Welt eingebettet ist, zu der er gehört, so ist der Astralleib zu der seinigen gehörig. Nur wird er durch das Wachleben aus dieser seiner Welt herausgerissen. Man kann sich das, was da vorgeht, mit einem Vergleich sich veranschaulichen. Man denke sich ein Gefäß mit Wasser. Ein Tropfen ist innerhalb dieser ganzen Wassermasse nichts für sich Abgesondertes. Man nehme aber ein kleines Schwämmchen und sauge damit einen Tropfen aus der ganzen Wassermasse heraus. So etwas geht mit dem menschlichen Astralleibe beim Erwachen vor sich. Während des Schlafes ist er in einer mit ihm gleichen Welt. Er bildet etwas in einer gewissen Weise zu dieser Gehöriges. Beim Erwachen saugen ihn der physische Leib und der Ätherleib auf. Sie erfüllen sich mit ihm. Sie enthalten die Organe, durch die er die äußere Welt wahrnimmt. Er aber muß, um zu dieser Wahrnehmung zu kommen, aus seiner Welt sich herausscheiden. Aus dieser seiner Welt aber kann er nur die Vorbilder erhalten, welche er für den Ätherleib braucht. – Wie dem physischen Leibe zum Beispiel die Nahrungsmittel aus seiner Umgebung zukommen, so kommen dem Astralleib während des Schlafzustandes die Bilder der ihn umgebenden Welt zu. Er lebt da in der Tat außerhalb des physischen und des Ätherleibes im Weltall. In demselben Weltall, aus dem heraus der ganze Mensch geboren ist. In diesem Weltall ist die Quelle der Bilder, durch die der Mensch seine Gestalt erhält. Er ist harmonisch diesem Weltall eingegliedert. Und er hebt sich während des Wachens heraus aus dieser umfassenden Harmonie, um zu der äußeren Wahrnehmung zu kommen. Im Schlaf kehrt sein Astralleib in diese Harmonie des Weltalls zurück. Er führt beim Erwachen aus dieser so viel Kraft in seine Leiber ein, daß er das Verweilen in der Harmonie wieder für einige Zeit entbehren kann. Der Astralleib kehrt während des Schlafes in seine Heimat zurück und bringt sich beim Erwachen neugestärkte Kräfte in das Leben mit. Den äußeren Ausdruck findet der Besitz, den der Astralleib beim Erwachen mitbringt, in der Erquickung, welche ein gesunder Schlaf verleiht. [4]

Zitate:

[1]  GA 13, Seite 80   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[2]  GA 13, Seite 82ff   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[3]  GA 13, Seite 85f   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[4]  GA 13, Seite 87f   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)

Quellen:

GA 13:  Die Geheimwissenschaft im Umriß (1910)