Schulung esoterische
► Die verschiedenen Welten und ihr Verhältnis zueinander

Wenn man durch die Wissenschaft der Initiation aufsteigt über die Schwelle zur übersinnlichen Welt hinweg in die geistige Welt, dann wird umgekehrt alles das, was man hier als sinnliche Wirklichkeit erlebt, zu einem bloßen Bilde, zu einem Scheinbilde. Man steigt auf in die übersinnliche Welt und gerade so, wie hier, sagen wir, auf Erden die übersinnliche Welt ein Spiegelbild ist, im Spiegelbild vorhanden ist, so ist die Erdenwelt in der übersinnlichen Welt nurmehr als ein Spiegelbild vorhanden. Und derjenige, der aus der Wissenschaft der Initiation heraus spricht, muß daher selbstverständlich von der sinnlichen Wirklichkeit wie von Bildern bloß sprechen. [1]

Es kann nun die Frage entstehen: Es sind doch der physische Plan, der astrale Plan, der devachanische Plan eigentlich ineinander, so daß der Hellseher sich räumlich nirgends anders befindet, als wo der physische Mensch sich befindet; wie unterscheidet man da eigentlich den einen von dem anderen? Der physische Plan ist da, solange man sieht, hört, tastet, und wenn der Mensch innere Fähigkeiten entwickelt, dann werden ihm zwischen und in dem Physischen die astralen Wesen unterscheidbar. Dort, wo solche Wesen in unser Bewußtsein eintreten, die mit physischen Organen nicht wahrzunehmen sind, da beginnt der astrale Plan. Aber wann beginnt der devachanische Plan? Nun gibt es die Möglichkeit, Grenzen anzugeben zwischen dem astralen und devachanischen Plan, obwohl sie ineinander verschwimmen; es gibt durchaus eine äußere und eine innere Möglichkeit, den Aufstieg vom astralen zum devachanischen Plane zu erkennen. Die äußere Möglichkeit ist folgende: Wenn der Mensch sein hellseherisches Bewußtsein entwickelt, muß er zunächst Augenblicke im Leben haben, wo er die physische Welt in gewisser Beziehung verläßt. Das ist schon ein höherer Grad menschlicher Entwickelung, wenn er sozusagen gleichzeitig die physische und dann in ihr, diese durchsetzend, die astrale Welt erblickt, also zum Beispiel das Physische eines Tieres und den astralen Leib eines Tieres sieht. Aber das kann nur erreicht werden bei einem gewissen Grade von Entwickelung, nachdem man etwas anderes durchgemacht hat, nämlich, daß man die physische Welt nicht sieht, wenn man die astrale Welt sieht. Dieses Hineinleben des Menschen im Beginn der Entwickelung in die astrale Welt zeigt sich dadurch, daß sich folgendes abspielt. Der Mensch ist an einem bestimmten (physischen) Ort. Er hört allerlei um sich, sieht die Gegenstände, er tastet sie, er schmeckt sie. Wenn nun der Mensch sich nach und nach hellseherisch in die astrale Welt einlebt, dann ist es so, daß diese sinnlichen Eindrücke zuerst anfangen, weiter und weiter vom Menschen abzuziehen, so daß der Ton wie in weiter, weiter Ferne zu sein und dann ganz und gar zu verschwinden scheint. Ebenso ist es mit den Tastwahrnehmungen: Der Mensch wird nach und nach dasjenige, was sonst getastet wird, nicht als unmittelbar empfinden; er wird mit gewissen Gefühlen die Körper durchdringen, in sie hineintasten. Ebenso die Farbenwelt, die Lichtwelt; der Mensch breitet sich aus, er lebt sich in diese Lichtwelt hinein. So zieht dasjenige, was die sinnliche Welt ist, vom Menschen ab, und an ihre Stelle treten die Erscheinungen, wie sie oben besprochen wurden. Das erste nun zunächst, was da beobachtet werden muß, ist das, daß da, wo die Astralwelt wirklich vom Menschen beschritten wird, sozusagen vollständig die Tonwahrnehmungen, die Gehörwahrnehmungen, die Schallwelt, die Tonwelt ausgelöscht sind. Das ist eine Zeitlang überhaupt in der Astralwelt nicht vorhanden. Der Mensch muß sozusagen diesen Abgrund durchmachen, in einer tonlosen Welt zu leben. Allerdings ist sie dadurch ausgezeichnet, daß sich in ihr mannigfaltige Eindrücke finden, namentlich eine differenzierte Bilderwelt. Wenn er höher steigt in der Entwickelung, lernt er etwas kennen, was ihm jetzt ganz neu ist, nämlich das, was wie ein geistiges Gegenbild zur Tonwelt zu bezeichnen ist. Er lernt zuerst innerhalb der Astralwelt kennen das, was neu auftritt als geistiges Hören. Das ist nun freilich schwer zu beschreiben.

Nehmen Sie nun folgendes an: Sie sehen eine leuchtende Gestalt. Eine andere kommt ihr entgegen; sie nähern sich und durchdringen sich. Eine dritte kommt, kreuzt den Weg und so weiter. Nun, was sich Ihnen darbietet, das sehen Sie nicht bloß an mit dem hellseherischen Bewußtsein, sondern das gibt Ihnen in der Seele die mannigfaltigsten Gefühle. So kann es sein, daß in Ihnen die Gefühle einer geistigen Lust entstehen, dann wieder Unlust, aber die verschiedenst differenzierten Gefühle, wenn sich die Wesen durchdringen, oder wenn sie sich annähern oder entfernen. Und so lebt sich die hellsehend werdende Seele ein, so daß das Zusammenwirken auf dem astralen Plan nach und nach durchglüht und durchsetzt wird von erhabenen oder widersprechenden Gefühlen rein geistiger Art. Das ist die geistige Musik, die wahrgenommen wird. Aber mit dem Momente, wo dies auftritt, ist man schon im Gebiete des Devachan. Also das Devachan beginnt äußerlich, wo die Tonlosigkeit beginnt aufzuhören, die zum Teile auf dem astralen Plane eine schauerliche Tonlosigkeit ist. Denn der Mensch hat keine Ahnung, was es heißt, in einer unendlichen Tonlosigkeit zu leben, die nicht nur keinen Ton darbietet, sondern die auch zeigt, daß sie keinen in sich hat. Das Gefühl der Entbehrung auf der physischen Welt ist eine Kleinigkeit gegen die Gefühle der Seele, wenn diese Unmöglichkeit empfunden wird, daß da etwas heraustönen kann aus dem unendlich sich ausbreitenden Raum.

Auch in anderer Weise kann die Seelenempfindung den Übergang von der Astralwelt zum Devachan anzeigen. In der physischen Welt begleitet der Mensch in seiner Seele die Dinge ja nach dem Charakter, den er hat. Der eine geht an einem Bilde vorbei und empfindet nichts, der andere fühlt eine Welt von Seligkeit, indem er vor dem Bilde steht. So ist es eigentlich in den höheren Welten sehr bald nicht mehr. Da fordert der Mensch mit einer inneren Notwendigkeit die Erlebnisse einer Gefühlswelt heraus, und da können Sie nicht etwa kalt oder nüchtern vor gewissen Erlebnissen des astralischen oder devachanischen Planes vorbeigehen, sondern gewisse Erlebnisse fordern Ihnen ab eine Hingebung, ein volles Eingehen; andere hingegen stoßen Sie ab. Das ist es, was dem nicht richtig Vorbereiteten gefährlich werden kann, weil er nämlich in fortwährend wechselnden Empfindungen leben muß, die unter Umständen innerlich zerstören, innerlich zerreißen und daher wieder auf die Gesundheit schädigend rückwirken müssen. Da kann er von Stufe zu Stufe merken, in welcher Welt er ist. Während er in der Astralwelt ist, kennt er hauptsächlich zwei Gefühlsnuancen in der mannigfaltigsten Weise. Die eine ist die, die besonders stark hervortritt, wenn der Mensch unmittelbar nach dem Tode in dem Gebiete der Astralwelt ist, das wir Kamaloka nennen. Da ist er ja sozusagen mit seinen Gefühlen noch nicht losgekommen vom Leben der physischen Welt; da verlangt er nach ihr, da begehrt er ihrer. Daher wird ihm dieses, was er (nachtodlich) in seiner Seele erlebt, zur peinigenden Nuance dieses (einen) Gefühles, zum Gefühle der Entbehrung. Entbehrung ist (nun) überhaupt etwas, was auf der einen Seite unserer Gefühlswelt steht, wenn wir in der Astralwelt sind. Man lernt da, wenn man das Bewußtsein entwickelt hat, nicht jene peinigende Entbehrung kennen, wie ein Gestorbener sie hat, aber das Gefühl des Suchens nach etwas, das Gefühl der Entbehrung wird auch den Hellseher überkommen, wenn nicht ein anderes zum Erhalten des Gleichgewichtes da wäre. Betritt er unvorbereitet oder nicht in der richtigen Weise vorbereitet den astralen Plan, dann wird sich das geltend machen: Nicht Rast und nicht Ruhe hat die Seele; eine Unruhe, eine Rastlosigkeit wird die Seele von einem zum anderen drängen. Und um das zu vermeiden, gibt es nur eines: die entgegengesetzte Gefühlsnuance muß ausgebildet werden, und in allen Geheimschulen wird diese Gefühlsnuance vorbereitet: die Entsagung. Man bereitet sich für ein richtiges Leben in der Astralwelt durch alles das vor, was in einer gewissen Weise mit Entsagung bezeichnet werden kann. Die ruhigere Betrachtung der Astralwelt wird errungen dadurch, daß man sich dazu vorbereitet durch die Gefühlswelt der Entsagung. Während das Gefühl der Begierde die Astralwelt zu einer Welt des Schmerzes und der Unlust macht, macht das, was man durch Entsagung erwirkt, daß man immer klarer und klarer, deutlicher und deutlicher die Gebilde und Wesenheiten des astralen Planes beobachten kann, so daß man nicht mehr hin und her schwanken muß zwischen Begierde und Entsagung. Das sind die Gefühlsnuancen im astralen Plane, und solange diese vorzugsweise in der Seele tätig sind, ist man im astralen Plan.

Dann kommen neue Gefühlserlebnisse der Seele. Vor allen Dingen macht sich dort, wo die Seele die Grenze der Devachanwelt überschreitet, das Gefühl der Beseligung geltend, der Seligkeit. Selbst wenn man den Devachan unwürdig betreten würde, das heißt, wenn man durch irgendeinen Zauber oder durch schwarze Magie vor dem Tode dort eintreten könnte, würde man sehr bald in einem Meer von Seligkeiten geringeren oder höheren Grades schwimmen. Dieses Gefühl aus- und hinfließender Seligkeit ist auf dem devachanischen Plane untrennbar mit etwas anderem verknüpft, nämlich mit dem Verlust des Selbstes, der Selbstbewußtseinskraft, der inneren Ich-Kraft. Wir würden zerfließen, wenn nicht eine andere Gefühlsnuance hinzutreten würde. Das ist die, die man in der Geheimwissenschaft das Gefühl der opferwilligen Hingabe, der Opferfähigkeit nennt. Im astralen Plan finden wir also Entbehrung und Entsagung, auf dem devachanischen Plane Seligkeit und Opferwilligkeit. Wenn der Mensch auf dem devachanischen Plane gar nicht das Gefühl hätte: Du sollst dich hingeben dem, was um dich ist –, sondern mit seinem Ich nur die Seligkeit genießen wollte, würde er zerfließen im Meere der devachanischen Wesenheiten. Wenn er aber mit dem Gefühle sich durchtränkt: Ich will mich opfern, ich will ausströmen lassen, was ich mir erworben habe –, dann bewahrt er sich im Devachan vor dem Zerfließen, vor dem Vergehen. [2]

Wenn wir allerdings die Initiation in ihrer Vollständigkeit verfolgen wollen, müssen wir auf schwindelnde Höhen des Bewußtseins verweisen, das ist etwas, was in einer gewissen Weise von vornherein als eine Art Vermessenheit erscheint, und wo tatsächlich schon die Ohnmacht beginnt, Menschenworte zu brauchen. Die Schilderungen für diese höheren Zustände in den Mysterien werden dadurch herbeigeführt, daß man erst besondere symbolische Zeichen bildet und dann in einer symbolischen Sprache spricht, und durch eine solche Symbolik Menschen auch zu höheren Bewußtseinszuständen hinaufführen kann. Aber es gibt solche noch höheren Bewußtseinszustände, und man kann wohl sprechen noch von einem vierten und fünften Bewußtsein übersinnlicher Art. [3] Es ist üblich geworden, diese verschiedenen Bewußtseinszustände zu nennen verschiedene «Plane»; das, was mit dem physischen Bewußtsein zu überschauen ist, zu nennen den physischen Plan, was überschaubar ist mit dem ersten Bewußtsein übersinnlicher Art: den astralischen Plan; was überschaubar ist mit dem zweiten Bewußtsein übersinnlicher Art: den niederen Devachan- oder Mentalplan; was überschaubar ist mit dem dritten Bewußtsein übersinnlicher Art: den höheren Mentalplan oder höheren Devachanplan. Dann würden sich anschließen der Buddhiplan und Nirvanplan. [4]

Diejenigen Regeln, die in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» gegeben sind, entstammen uralten Traditionen, und aus dem Grunde, weil es heute notwendig ist gegenüber den Dingen, die von allen Seiten an die Menschen herandringen, weil es notwendig ist gegenüber diesen Anweisungen, einmal ein Bild von der Wahrheit zu geben, deshalb haben die Meister der Weisheit die Erlaubnis gegeben zur Veröffentlichung solcher Regeln. Es gibt nur die Möglichkeit, einzelnes weniges zu veröffentlichen; das übrige mußte ausgeschlossen bleiben. Das Wichtigste kann nur von Mund zu Ohr mitgeteilt werden. Was Sie in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» finden, hat zum Unterschied von vielem anderen die Eigenschaft, unschädlich zu sein. Nur solche Dinge sind mitgeteilt worden, welche – auch wenn sie nicht mit Geduld und Standhaftigkeit durchgeführt werden – dem Menschen keinen Schaden bringen. Auch wenn sie nicht mit Standhaftigkeit durchgeführt sind, können sie nicht schaden. Niemand kann Schaden durch sie erleiden. [5]

Zitate:

[1]  GA 195, Seite 10   (Ausgabe 1962, 91 Seiten)
[2]  GA 108, Seite 25uf   (Ausgabe 1986, 336 Seiten)
[3]  GA 137, Seite 192f   (Ausgabe 1973, 216 Seiten)
[4]  GA 137, Seite 195f   (Ausgabe 1973, 216 Seiten)
[5]  GA 53, Seite 198   (Ausgabe 1981, 508 Seiten)

Quellen:

GA 53:  Ursprung und Ziel des Menschen. Grundbegriffe der Geisteswissenschaft (1904/1905)
GA 108:  Die Beantwortung von Welt- und Lebensfragen durch Anthroposophie (1908/1909)
GA 137:  Der Mensch im Lichte von Okkultismus, Theosophie und Philosophie (1912)
GA 195:  Weltsilvester und Neujahrsgedanken (1919/1920)