Ägyptisch-chaldäische Kultur und Zivilisation

Eine 3. Kulturepoche der nachatlantischen Zeit wurde bei den Völkern geboren, die durch die Wanderzüge zuletzt in Vorderasien und Nordafrika zusammengeströmt waren. Bei den Chaldäern, Babyloniern, Assyrern einerseits, bei den Ägyptern andererseits bildete sie sich aus. Sie hatten viel mehr als andere in sich aufgenommen von der Geistesanlage, welche dem seit den letzten atlantischen Zeiten entstandenen Denkvermögen, der Verstandesbegabung, die Grundlage gibt. Die Eroberung dieser sinnlich-physischen Welt durch jene menschlichen Fähigkeiten muß als die Mission des nachatlantischen Menschen angesehen werden. Von Stufe zu Stufe schreitet diese Eroberung vorwärts. [1] Was man jetzt als logisches Nachdenken, als verstandesmäßige Auffassung der Welt kennt, war noch nicht vorhanden. Was der Mensch sich jetzt durch seinen Verstand als Erkenntnis zu eigen macht, das bekam er in jener Form, in welcher es für die damalige Zeit geeignet war: unmittelbar durch ein inneres, in einer gewissen Beziehung übersinnliches Wissen. Man nahm die Dinge wahr; und indem man sie wahrnahm, tauchte in der Seele der Begriff, das Bild auf, welche die Seele von ihnen brauchte. Wenn die Erkenntniskraft so ist, so tauchen aber nicht nur Bilder der sinnlich-physischen Welt auf, sondern aus den Tiefen der Seele kommt auch eine gewisse Erkenntnis nichtsinnlicher Tatsachen und Wesenheiten herauf. Es war dies der Rest des alten, dämmerhaften übersinnlichen Bewußtseins, das einst Gemeinbesitz der ganzen Menschheit war. [2] Wenn wir (nun) untersuchen würden, wie es noch in der 3. nachatlantischen Kulturperiode war, so würden wir finden, daß wenigstens diejenigen Menschen, die sich auf die Höhe ihrer Zeit hinaufgeschwungen hatten – und dazumal waren dem Prozentsatz nach viel mehr Gebildete als heute –, Begriffe hatten über Zusammenhänge des Außerirdischen, über das, was sich symbolisiert am Sternenhimmel. Sie konnten in den Bewegungen der Sterne Geheimnisse des Weltendaseins lesen. Der 3. nachatlantische Zeitraum hätte ganz gewiß, wenn der Christus Jesus auf Erden erschienen wäre, aus der Sternenschrift erkannt, welche Bewandtnis es mit ihm gehabt hat. [3] Dadurch, daß aus der physisch-sinnlichen Welt die Gesetze des hinter ihr stehenden Geistigen erforscht wurden, entstanden die menschlichen Wissenschaften; dadurch, daß die Kräfte dieser Welt erkannt und verarbeitet wurden, die menschliche Technik, die künstlerische Arbeit und deren Werkzeuge und Mittel. [4] Man fing an, das, was man aus der übersinnlichen Welt gewonnen hatte, anzuwenden auf den physischen Plan selber. Geometrie zum Beispiel ist zuerst so gelernt worden, daß man sie als symbolische Begriffe hatte. Nun waren sie da, und man wandte sie an: die Ägypter in der Feldmeßkunde, die Chaldäer auf den Gang der Gestirne. [5] Da kam dann auf an Stelle des intuitiven Erfassens der göttlichen Menschengedanken in der Naturkonfiguration das Errechnen der Konstellationen der Sterne, und man berechnete eben nun für einen Menschen, wenn er in die Welt kam, die Sterne, die Fixstern-Planetenkonstellation. [6]

Zitate:

[1]  GA 13, Seite 282   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[2]  GA 13, Seite 402   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[3]  GA 149, Seite 37   (Ausgabe 1960, 120 Seiten)
[4]  GA 13, Seite 283   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[5]  GA 124, Seite 57f   (Ausgabe 1963, 254 Seiten)
[6]  GA 222, Seite 113   (Ausgabe 1976, 130 Seiten)

Quellen:

GA 13:  Die Geheimwissenschaft im Umriß (1910)
GA 124:  Exkurse in das Gebiet des Markus-Evangeliums (1910/1911)
GA 149:  Christus und die geistige Welt. Von der Suche nach dem heiligen Gral (1913/1914)
GA 222:  Die Impulsierung des weltgeschichtlichen Geschehens durch geistige Mächte (1923)