Schilderung von Teilen der übersinnlichen Welt
► Welt des Geistes als Elementarreiche für Mensch, Tier, Pflanze und Mineral

Zunächst gliedert sich für die menschliche Sinnesanschauung diese Umwelt in die vier deutlich voneinander geschiedenen Stufen: die mineralische, die pflanzliche, die tierische und die menschliche. Das Mineralreich wird durch die Sinne wahrgenommen und durch das Denken begriffen. Macht man sich über einen mineralischen Körper einen Gedanken, so hat man es somit mit einem Zweifachen zu tun: mit dem Sinnendinge und mit dem Gedanken. Dem (obigen) gemäß hat man sich vorzustellen, daß dieses Sinnending ein verdichtetes Gedankenwesen ist. Nun wirkt ein mineralisches Wesen auf ein anderes in äußerlicher Weise. Es stößt an dasselbe und bewegt es; es erwärmt es, beleuchtet es, löst es auf und so weiter. Diese äußerliche Wirkungsart ist durch Gedanken auszudrücken. Der Mensch macht sich Gedanken darüber, wie die mineralischen Dinge äußerlich gesetzmäßig aufeinander wirken. Dadurch erweitern sich seine einzelnen Gedanken zu einem Gedankenbilde der gesamten mineralischen Welt. Und dieses Gedankenbild ist ein Abglanz des Urbildes der ganzen mineralischen Sinnenwelt. Es ist als ein Ganzes in der geistigen Welt zu finden. Im Pflanzenreiche treten zu der äußeren Wirkung eines Dinges auf das andere noch die Erscheinungen des Wachstums und der Fortpflanzung hinzu. Die Pflanze hat in sich die Kraft, sich selbst ihre lebendige Gestalt zu geben und diese Gestalt an einem Wesen ihresgleichen hervorzubringen. Und zwischen der gestaltlosen Art der mineralischen Stoffe, wie sie uns in den Gasen, in den Flüssigkeiten und so weiter gegenübertreten, und der lebendigen Gestalt der Pflanzenwelt stehen die Formen der Kristalle mitten drinnen. In den Kristallen haben wir den Übergang von der gestaltlosen Mineralwelt zu der lebendigen Gestaltungsfähigkeit des Pflanzenreiches zu suchen. – In diesem äußerlich sinnlichen Vorgang der Gestaltung – in den beiden Reichen, dem mineralischen und dem pflanzlichen – hat man die sinnliche Verdichtung des rein geistigen Vorganges zu sehen, der sich abspielt, wenn die geistigen Keime der drei oberen Regionen des Geisterlandes sich zu den Geistgestalten der unteren Regionen bilden. Dem Prozeß der Kristallisation entspricht in der geistigen Welt als sein Urbild der Übergang von dem formlosen Geistkeim zu dem gestalteten Gebilde. Verdichtet sich dieser Übergang so, daß ihn die Sinne in seinem Ergebnis wahrnehmen können, so stellt er sich in der Sinnenwelt als mineralischer Kristallisationsprozeß dar. – Nun ist aber auch in dem Pflanzenleben ein gestalteter Geistkeim vorhanden. Aber hier ist dem gestalteten Wesen noch die lebendige Gestaltungsfähigkeit erhalten geblieben. In dem Kristall hat der Geistkeim bei seiner Gestaltung die Bildungsfähigkeit verloren. Er hat sich in der zustande gebrachten Gestalt ausgelebt. Die Pflanze hat Gestalt und dazu auch noch Gestaltungsfähigkeit. Die Eigenschaft der Geistkeime in den oberen Regionen des Geisterlandes ist dem Pflanzenleben bewahrt geblieben. Die Pflanze ist also Gestalt wie der Kristall, und dazu noch Gestaltungskraft. Außer der Form, welche die Urwesen in der Pflanzengestalt angenommen haben, arbeitet an dieser noch eine andere Form, die das Gepräge der Geistwesen aus den oberen Regionen trägt. Sinnlich wahrnehmbar ist an der Pflanze aber nur, was sich in der fertigen Gestalt auslebt; die bildenden Wesenheiten, welche dieser Gestalt die Lebendigkeit geben, sind im Pflanzenreiche auf sinnlich-unwahrnehmbare Art vorhanden. Das sinnliche Auge sieht die kleine Lilie von heute und die größer gewordene nach einiger Zeit. Die Bildungskraft, welche die letztere aus der ersten herausarbeitet, sieht dieses Auge nicht. Diese bildende Kraftwesenheit ist der sinnlich-unsichtbar webende Teil in der Pflanzenwelt. Die Geistkeime sind um eine Stufe herabgestiegen, um im Gestaltenreich zu wirken. In der Geisteswissenschaft kann von Elementarreichen gesprochen werden. Bezeichnet man die Urformen, die noch keine Gestalt haben, als erstes Elementarreich, so sind die als die Werkmeister des Pflanzenwachstums wirkenden, Angehörige des zweiten Elementarreiches. – In der tierischen Welt kommt zu den Fähigkeiten des Wachstums und der Fortpflanzung noch Empfindung und Trieb hinzu. Das sind Äußerungen der seelischen Welt. Ein Wesen, das mit ihnen begabt ist, gehört dieser Welt an, empfängt von ihr Eindrücke und übt auf sie Wirkungen. Nun ist jede Empfindung, jeder Trieb, die in einem tierischen Wesen entstehen, aus dem Untergrunde der Tierseele hervorgeholt. Die Gestalt ist bleibender als die Empfindung oder der Trieb. Man kann sagen, so wie sich die sich verändernde Pflanzengestalt zur starren Kristallform verhält, so das Empfindungsleben zur bleibenderen lebendigen Gestalt. Die Pflanze geht in der gestaltbildenden Kraft gewissermaßen auf; sie gliedert immer neue Gestalten während ihres Lebens an. Erst setzt sie die Wurzel, dann die Blattgebilde, dann die Blüten und so weiter an. Das Tier schließt mit einer in sich vollendeten Gestalt ab und entwickelt innerhalb derselben das wechselvolle Empfindungs- und Triebleben. Und dieses Leben hat sein Dasein in der seelischen Welt. Die Empfindungen und die Triebe sind für das Tier das Formlose, das sich in immer neuen Formen entwickelt. Sie haben letzten Endes ihre urbildlichen Vorgänge in den höchsten Regionen des Geisterlandes. Aber sie betätigen sich in der seelischen Welt. So kommen in der Tierwelt zu den Kraftwesenheiten, die als sinnlich-unsichtbare das Wachstum und die Fortpflanzung lenken, andere hinzu, die noch eine Stufe tiefer gestiegen sind in die seelische Welt. Im tierischen Reich sind als die Werkmeister, welche die Empfindungen und Triebe bewirken, formlose Wesenheiten vorhanden, die sich in seelische Hüllen kleiden. Sie sind die eigentlichen Baumeister der tierischen Formen. Man kann das Gebiet, dem sie angehören, in der Geisteswissenschaft als das dritte Elementarreich bezeichnen. Der Mensch ist außer mit den bei Pflanzen und Tieren genannten Fähigkeiten noch mit derjenigen ausgestattet, die Empfindungen zu Vorstellungen und Gedanken zu verarbeiten und seine Triebe denkend zu regeln. Der Gedanke, der in der Pflanze als Gestalt, im Tiere als seelische Kraft erscheint, tritt bei ihm als Gedanke selbst, in seiner eigenen Form, auf. Das Tier ist Seele; der Mensch ist Geist. Die Geistwesenheit ist noch um eine Stufe tiefer herabgestiegen. Beim Tier ist sie seelenbildend. Beim Menschen ist sie in die sinnliche Stoffwelt selbst eingezogen. Der Geist ist innerhalb des menschlichen Sinnesleibes anwesend. Und weil er im sinnlichen Kleide erscheint, kann er nur als jener schattenhafte Abglanz erscheinen, welchen der Gedanke vom Geistwesen darstellt. Der Gedanke ist die Form, welche die formlose Geistwesenheit im Menschen annimmt, wie sie in der Pflanze Gestalt, im Tiere Seele annimmt. Dadurch hat der Mensch kein ihn aufbauendes Elementarreich außer sich, insofern er denkendes Wesen ist. Sein Elementarreich arbeitet in seinem sinnlichen Leibe. Nur insofern der Mensch Gestalt und Empfindungswesen ist, arbeiten an ihm die Elementarwesen derselben Art, die an den Pflanzen und Tieren arbeiten. Im Tiere fühlt sich der Geist als Seele; er erfaßt sich noch nicht als Geist. Im Menschen erkennt der Geist sich als Geist, wenn auch – durch die physischen Bedingungen – als schattenhaften Abglanz des Geistes, als Gedanke. [1] In diesem Sinne gliedert sich die dreifache Welt in der folgenden Art:

  1. Das Reich der urbildlichen formlosen Wesen – erstes Elementarreich
  2. das Reich der gestaltenschaffenden Wesen – zweites Elementarreich
  3. das Reich der seelischen Wesen – drittes Elementarreich
  4. das Reich der geschaffenen Gestalten – Kristallgestalten
  5. das Reich, das in Gestalten sinnlich wahrnehmbar wird, an dem aber die gestaltenschaffenden Wesen wirken – Pflanzenreich
  6. das Reich, das in Gestalten sinnlich wahrnehmbar wird, an dem aber außerdem noch die gestaltenschaffenden und die sich seelisch auslebenden Wesenheiten wirken – Tierreich
  7. das Reich , in dem die Gestalten sinnlich wahrnehmbar sind, an dem aber noch die gestaltenschaffenden und seelisch sich auslebenden Wesenheiten wirken und in dem sich der Geist selbst in Form des Gedankens innerhalb der Sinnenwelt gestaltet – Menschenreich

Hieraus ergibt sich, wie die Grundbestandteile des im Leibe lebenden Menschen mit der geistigen Welt zusammenhängen. Den physischen Körper, den Ätherleib, den empfindenden Seelenleib und die Verstandesseele hat man als in der Sinnenwelt verdichtete Urbilder des Geisterlandes anzusehen. Der physische Körper kommt dadurch zustande, daß des Menschen Urbild bis zur sinnlichen Erscheinung verdichtet wird. Man kann deshalb auch diesen physischen Leib eine zur sinnlichen Anschaulichkeit verdichtete Wesenheit des ersten Elementarreiches nennen. Der Ätherleib entsteht dadurch, daß die auf diese Art entstandene Gestalt beweglich erhalten wird durch eine Wesenheit, die ihre Tätigkeit in das sinnliche Reich herein erstreckt, selbst aber nicht sinnlich anschaubar wird. Will man diese Wesenheit vollständig charakterisieren, so muß man sagen, sie hat zunächst ihren Ursprung in den höchsten Regionen des Geisterlandes und gestaltet sich dann in der zweiten Region zu einem Urbild des Lebens. Als solches Urbild des Lebens wirkt sie in der sinnlichen Welt. In ähnlicher Art hat die Wesenheit, welche den empfindenden Seelenleib aufbaut, ihren Ursprung in den höchsten Gebieten des Geisterlandes, gestaltet sich in der dritten Region desselben zum Urbilde der Seelenwelt und wirkt als solches in der sinnlichen Welt. Die Verstandesseele aber wird dadurch gebildet, daß des denkenden Menschen Urbild sich in der vierten Region des Geisterlandes zum Gedanken gestaltet und als solcher unmittelbar als denkende Menschenwesenheit in der Sinneswelt wirkt. –

So steht der Mensch innerhalb der Sinneswelt; so arbeitet der Geist an seinem physischen Körper, an seinem Ätherleib und an seinem empfindenden Seelenleib. So kommt dieser Geist in der Verstandesseele zur Erscheinung. – An den drei unteren Gliedern des Menschen arbeiten also die Urbilder in Form von Wesenheiten mit, die ihm in einer gewissen Art äußerlich gegenüberstehen; in seiner Verstandesseele wird er selbst zum bewußten Arbeiter an sich. – Und die Wesenheiten, die an seinem physischen Körper arbeiten, sind dieselben, welche die mineralische Natur bilden. An seinem Ätherleib wirken Wesenheiten von der Art, die im Pflanzenreich, an seinem empfindenden Seelenleib solche, die im Tierreich auf sinnlichunwahrnehmbare Art leben, die aber ihre Wirksamkeit in diese Reiche herein erstrecken. So wirken die verschiedenen Welten zusammen. Die Welt, in welcher der Mensch lebt, ist der Ausdruck dieses Zusammenwirkens. [2]

Hat man die sinnliche Welt in dieser Art begriffen, so eröffnet sich auch das Veständnis für Wesen anderer Art, als diejenigen sind, die in den genannten vier Reichen der Natur ihr Dasein haben. Ein Beispiel für solche Wesenheiten ist das, was man Nationalgeist, Volksgeist nennt. Dieser kommt nicht in sinnlicher Art unmittelbar zur Erscheinung. Er lebt sich aus in den Empfindungen, Gefühlen, Neigungen und so weiter, die man als die einem Volke gemeinsamen beobachtet. Er ist eine Wesenheit, die sich nicht sinnlich verkörpert; sondern wie der Mensch seinen Leib sinnlich anschaulich gestaltet, so gestaltet sie den ihrigen aus dem Stoffe der Seelenwelt. Dieser Seelenleib des Volksgeistes ist wie eine Wolke, in welcher die Glieder eines Volkes leben, deren Wirkungen in den Seelen der betreffenden Menschen zum Vorschein kommen, die aber nicht aus diesen Seelen selbst stammt. Wer sich den Volksgeist nicht in dieser Art vorstellt, für den bleibt er ein schemenhaftes Gedankenbild ohne Wesen und Leben, eine leere Abstraktion. – Und ein Ähnliches wäre zu sagen in bezug auf das, was man Zeitgeist nennt. Ja, es wird dadurch der geistige Blick geweitet über eine Mannigfaltigkeit von anderen, von niederen und höheren Wesenheiten, die in der Umwelt des Menschen leben, ohne daß er sie sinnlich wahrnehmen kann. [3]

Zitate:

[1]  GA 9, Seite 148uf   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[2]  GA 9, Seite 153ff   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[3]  GA 9, Seite 154f   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)

Quellen:

GA 9:  Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung (1904)