Apokalypse des Johannes
► Brief an die Gemeinde von Ephesus

Das erste Sendschreiben ist gerichtet an die Gemeinde zu Ephesus, den der Artemis oder Diana geweihten Ort. Es betont die schöne Gestaltung des physischen Leibes. Wohin neigt die Entwickelung des physischen Leibes? Das können wir uns immer mehr klarmachen, wenn wir wissen, daß der physische Leib sich immer mehr läutern und immer mehr werden muß ein Ausdruck des Ätherleibes, und dieser wiederum des Astralleibes und dieser des Ichs. [1] Man wußte in der Zeit, aus der die Apokalypse stammt, selbstverständlich ganz genau: Da ist zum Beispiel die Gemeinde zu Ephesus, die einstmals die ganz grandiosen Mysterien von Ephesus geboren hat (siehe: Mysterien ephesische), in denen auf die Weise, wie es in alten Zeiten eben durchaus üblich sein konnte, auf die künftige Erscheinung Christi hingewiesen worden war. Einen Kultus gab es in Ephesus, der vermitteln sollte die Verbindung der in Ephesus Opfernden und der Zeugen des Opferdienstes mit den göttlich-geistigen Mächten und auch mit dem kommenden Christus. Die alte heidnische Gemeinde von Ephesus war wohl diejenige, die mit ihrer Vorprophetie des künftigen Christentums und mit ihrem heidnischen Kult diesem Christentum ganz besonders nahegestanden hat. Daher wird an den Engel der Gemeinde von Ephesus geschrieben von den sieben Leuchtern. Die Leuchter sind ja die Gemeinden selber, das wird ausdrücklich ausgesprochen in der Apokalypse. Gerade der Brief an die Gemeinde von Ephesus muß in seiner wahren Gestalt genommen werden, so wie es dasteht. [2] Die Leuchter stellten das Licht dar, das auf Erden lebt, das aber göttliches Licht ist. [3]

Wenn der Apokalyptiker spricht von der Gemeinde oder Kirche zu Ephesus, so meint er: Ich nehme an, daß zu Ephesus eine solche Gemeinde lebte, die in gewisser Beziehung wohl das Christentum angenommen hat. Aber weil sich alles nach und nach entwickelt, so bleibt immer von jeder Kulturepoche etwas zurück. In Ephesus haben wir zwar eine Eingeweihtenschule (siehe: Mysterien ephesische), aber wir haben die christliche Lehre so gefärbt, daß man noch überall die altindische Kultur erkennen kann. Die erste Epoche in der nachatlantischen Zeit) (die urindische) ist also repräsentiert in der ephesischen Gemeinde, und das, was zu verkünden ist, soll in einem Brief an die Gemeinde zu Ephesus verkündet werden. Wir haben in jedem dieser Briefe einen Repräsentanten einer der 7 nachatlantischen Kulturepochen angesprochen. In jedem Brief wird gesagt: Ihr seid so und so! Diese und jene Seite eures Wesens entspricht dem, was im Sinne des Christentums ist, das andere muß anders werden. Der Apokalyptiker deutet darauf hin, daß die Abkehr von der Materie dort in besonderer Blüte stand. «Aber ich habe wider dich, daß du die erste Liebe verlassen hast», – die Liebe, die die erste nachatlantische Kultur haben muß, die darin sich äußert, die Erde als Acker anzusehen, in den hinein verpflanzt werden muß der göttliche Same. Wie charakterisiert sich denn derjenige, der diesen Brief diktiert? Er charakterisiert sich als Vorläufer des Christus Jesus, gleichsam als Führer der ersten Kulturepoche. Der Christus Jesus spricht gleichsam durch diesen Führer oder Meister der 1. Kulturepoche. Er sagt von sich, daß er die 7 Sterne in seiner Rechten hält und die 7 goldenen Leuchter. Die 7 Sterne sind nichts anderes als Symbole für die 7 höheren geistigen Wesenheiten, welche die Führer der großen Kulturepochen sind. Und von den 7 Leuchtern ist es im besonderen ausgedrückt, daß es geistige Wesenheiten sind, die man nicht in der sinnlichen Welt sehen kann. Die Gemeinde zu Ephesus hat die Liebe zu den äußeren Werken verlassen. So wird ganz richtig in der Apokalypse angegeben: Du hassest die Werke der Nikolaiten. – «Nikolaiten» ist nichts anderes als eine Bezeichnung für diejenigen Menschen, die das Leben bloß in der sinnlichen Materie zum Ausdruck bringen. Derjenige der Ohren hat zu hören, der höre: Wer überwindet, dem werde ich zu essen geben, nicht bloß vom vergänglichen Baum, sondern vom Baum des Lebens –, das heißt, der wird imstande werden, zu vergeistigen, was hier im Sinnlichen ist, um es hinaufzuführen zum Altar des geistigen Lebens. [4] Wir wissen, daß die Entwickelung des Christentums bedeutet den Übergang von den alten Stammesgemeinschaften zu der geistigen Liebe, daß das Fleischliche vom Geistigen abgelöst werden soll. Diejenigen, welche uns sagen, wie wir vor allen Dingen trachten müssen, daß das Sinnliche, das Elementarische zu seinem Recht kommt, die nannte man damals die Nikolaiten; es waren solche, die stecken bleiben wollten im materiellen Blute; daher die Warnung vor dem Nikolaitismus. Diese Nikolaiten sind jene, die den Untergang herbeiführen werden. Ihnen stehen die anderen gegenüber, welche die materielle Entwickelung überwinden wollen, die das geistige Leben wollen. Der Brief schließt mit dem Symbolum des Lebensbaumes: «Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt: Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem verborgenen Manna…» [5]

Zitate:

[1]  GA 104a, Seite 40   (Ausgabe 1991, 144 Seiten)
[2]  GA 346, Seite 62   (Ausgabe 1995, 343 Seiten)
[3]  GA 346, Seite 64   (Ausgabe 1995, 343 Seiten)
[4]  GA 104, Seite 77ff   (Ausgabe 1979, 284 Seiten)
[5]  GA 104a, Seite 42   (Ausgabe 1991, 144 Seiten)

Quellen:

GA 104:  Die Apokalypse des Johannes (1908)
GA 104a:  Aus der Bilderschrift der Apokalypse des Johannes (1907/1909)
GA 346:  Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, V. Apokalypse und Priesterwirken (1924)