Landwirtschaft biologisch und dynamisch
► Erdboden

Der Erdboden ist ein wirkliches Organ, er ist ein Organ, das wir etwa vergleichen können, wenn wir wollen, mit dem menschlichen Zwerchfell. Wenn wir nun von diesem Gesichtspunkte aus vergleichen sozusagen den Erdboden mit dem Zwerchfell, so müssen wir sagen: Der Kopf ist dann unter dem Erdboden für diejenige Individualität, die da in Betracht kommt, und wir mit allen Tieren zusammen leben im Bauch dieser Individualität. Das, was über der Erde ist, ist eigentlich durchaus dasjenige, was zum Eingeweide der landwirtschaftlichen Individualität gehört. Alles dasjenige, was in unmittelbarer Nähe der Erde ist, an Luft, an Wasserdünsten, auch an Wärme, wo wir drinnen sind, wo wir selber drinnen atmen, wo das herkommt, wovon die Pflanzen mit uns diese Außenwärme, Außenluft, auch ihr Außenwasser bekommen, in der Tat entspricht demjenigen, was im Menschen Unterleibsorgan ist. Dagegen alles dasjenige, was im Innern der Erde, unter der Oberfläche der Erde geschieht, wirkt auf das gesamte Pflanzenwachstum so, wie unser Kopf auf unseren Organismus namentlich in der Kindheit, aber auch während des ganzen Lebens wirkt. Das über der Erde befindliche Wirken ist abhängig zugleich von Mond, Merkur, Venus, welche die Sonne in ihrer Wirkung unterstützen und modifizieren, so daß also die sogenannten erdennahen Planeten ihre Wirksamkeit entfalten mit Bezug auf alles dasjenige, was über der Erde ist, dagegen die fernen Planeten, die außerhalb des Umkreises der Sonne herumgehen, auf alles dasjenige wirken, was unterhalb der Erde ist, und die Sonne unterstützen in denjenigen Wirkungen, die sie von unterhalb der Erde ausübt. Alles dasjenige also, was gerade aus den Weiten des Kosmos in das Pflanzenwachstum hereinwirkt, das wirkt nicht direkt, wirkt nicht durch unmittelbare Bestrahlung, sondern wirkt dadurch, daß es zunächst von der Erde aufgenommen wird und von der Erde zurückgestrahlt wird nach oben. Was also von dem Erdboden an für das Pflanzenwachstum wohltätigen oder schädlichen Wirkungen von unten herankommt, das ist eigentlich das zurückgestrahlte Kosmische. Wenn wir den Erdboden nehmen, so haben wir in ihm zunächst alles das noch als Wirkung, was von den äußersten Fernen des Kosmos, die für die Erdenwirkung in Betracht kommen, abhängt. Das ist das, was man gewöhnlich Sand und Gestein nennt, das Wasserundurchlässige, dasjenige, was, wie man im gewöhnlichen Leben sagt, keinerlei Nährstoffe enthält, was aber nicht weniger als das andere, was noch in Betracht kommt, außerordentlich wichtig ist für die Entfaltung des Wachstums, das hängt ab durchaus von den Wirkungen fernster kosmischer Kräfte. Und auf dem Umwege des kieselhaltigen Sandes kommt ja vorzugsweise so unwahrscheinlich es zunächst erscheint – in den Erdboden hinein, um dann bei der Rückstrahlung zu wirken, dasjenige, was wir ansprechen können als das Lebensätherische des Erdbodens und das Chemischwirksame des Erdbodens. Wie der Erdboden selber innerlich lebendig wird, wie der Erdboden einen eigenen Chemismus ausübt, das hängt durchaus ab davon, wie der sandige Teil dieses Erdbodens beschaffen ist. Und dasjenige, was die Wurzeln der Pflanzen erleben im Erdboden, ist zum gar nicht geringen Teil eben davon abhängig, inwiefern das kosmische Leben und der kosmische Chemismus auf dem Umwege durch das Gestein – was daher auch durchaus in gewissen Tiefen der Erde sein kann aufgefangen werden. [1]

Man kann für die Mengen, die man braucht, fast überall auf die Wirkung des Kiesels rechnen (des natürlichen Vorkommens). Nun handelt es sich aber auch darum, daß dasjenige, was auf diese Art durch den Kiesel mit dem Wurzelhaften zusammenhängt, daß das auch durch die Pflanze nach oben geleitet werden kann. Und dazu, daß das nach aufwärts strömen kann, dazu ist da im Boden das Tonige. Nun muß aber nicht nur vorhanden sein dieses Nach-aufwärts-Strömen des Kosmischen, sondern es muß auch – und ich will das andere das Terrestrische, das Irdische nennen – es muß auch dasjenige, was noch im Bauche gewissermaßen eine Art äußerer Verdauung unterliegt – auch alles dasjenige, was durch Sommer und Winter in der Luft vor sich geht über dem Erdboden, ist eben für das Pflanzenwachstum durchaus eine Art Verdauung –, alles, was in dieser Weise durch eine Art von Verdauung vor sich geht, das muß wiederum hineingezogen werden in den Erdboden, so daß tatsächlich eine Wechselwirkung entsteht. Dasjenige, was durch Wasser, Luft, die über der Erde sich befinden, an Kräften erzeugt wird, auch an feinen homöopathisch ausgebildeten Substanzen erzeugt wird, das wird nun hereingezogen in den Boden durch den größeren oder geringeren Kalkgehalt des Bodens. Der Kalkgehalt des Bodens und die Zerstreuung der Kalksubstanzen in homöopathischer Dosis unmittelbar über dem Boden, das alles ist dazu da, um wiederum das unmittelbare Terrestrische dem Erdboden zuzuführen. [2] Man wird auch einmal wissen, daß ein großer gewaltiger Unterschied ist zwischen der Wärme, die über dem Erdboden ist, also der Wärme, die im Bereiche von Sonne, Venus, Merkur und Mond steht, und derjenigen Wärme, die innerhalb des Erdbodens sich geltend macht, die also unter dem Einfluß von Jupiter, Saturn und Mars steht. Diese zwei Wärmen, wovon wir die eine auch bezeichnen können als die Blüten- und Blattwärme für die Pflanzen, die andere als die Wurzelwärme für die Pflanzen, diese zwei Wärmen sind durchaus voneinander verschieden, so daß wir ganz gut die Wärme über der Erde tot, die Wärme unter der Erde lebendig nennen können. Die Wärme unter der Erde hat durchaus etwas an sich, und zwar im Winter am allermeisten, von demjenigen, was ein innerliches Lebensprinzip, etwas Lebendiges ist. Würde dieselbe Wärme, die in der Erde wirkt, von uns Menschen erlebt werden müssen, dann würden wir alle riesig dumm werden, weil wir, um gescheit zu sein, tote Wärme an unsere Körper herangeführt haben müssen. Aber in dem Augenblick, wo durch den Kalkgehalt des Erdbodens die Wärme in die Erde hineingezogen wird, wo durch die anderen Substantialitäten der Erde diese Wärme hereingezogen wird, wo überhaupt übergeht äußere Wärme in innere Wärme, geht die Wärme in einen gewissen Zustand leiser Lebendigkeit über. [3]

Man weiß heute, daß ein Unterschied ist zwischen der Luft, die über der Erde ist, und der Luft, die unter der Erde ist. Aber man berücksichtigt nicht, daß schon ein Unterschied ist zwischen der Wärme über der Erde und der Wärme unter der Erde. Man weiß, daß die Luft unter der Erde mehr Kohlensäure, die Luft über der Erde mehr Sauerstoff enthält. Aber man weiß wiederum nicht, was der Grund dafür ist. Der Grund dafür ist derjenige, daß die Luft wiederum mit einem leisen Zug von Lebendigkeit durchzogen ist, wenn sie in die Erde hinein absorbiert und aufgesogen wird.

Anders ist es mit dem Wasser und mit dem Erdigen, Festen selber. Die werden in der Erde toter noch, als sie außen sind, mehr tot. Die verlieren etwas von ihrem äußeren Leben, aber gerade nun dadurch werden sie fähig, ausgesetzt zu werden den kosmischen fernsten Kräften. Und die mineralischen Substanzen müssen sich emanzipieren von demjenigen, was unmittelbar über dem Erdboden ist, wenn sie den fernsten kosmischen Kräften ausgesetzt sein wollen. Sie können sich am leichtesten emanzipieren von der Erdnähe und in den Einfluß des fernsten Kosmischen in der Erde drinnen kommen, in unserem heutigen Weltalter, man könnte sagen, in der Zeit zwischen dem 15. Januar (approximativ) und 15. Februar, also in der Winterszeit. Das ist die Zeit, wo in der Erde die größte Kristallisationskraft, die größte Formkraft entwickelt werden kann für die mineralischen Substanzen. Wenn der Januar zu Ende geht, haben die mineralischen Substanzen der Erde die größte Sehnsucht, kristallisiert zu werden, und je tiefer man kommt, desto mehr haben sie diese Sehnsucht, kristallisch rein zu werden im Haushalte der Natur. Für das Pflanzenwachstum ist das am meisten neutral, was da mit den Mineralien geschieht. Da sind die Pflanzen am meisten sich selbst hingegeben in der Erde, am wenigsten den mineralischen Substanzen ausgesetzt; dagegen eine Zeitlang vorher und nachher, wenn sozusagen die Mineralien sich eben anschicken – namentlich vorher – in das Gestaltete, Kristallinische überzugehen, da sind sie von einer ganz besonderen Wichtigkeit für das Pflanzenwachstum. Etwa im Monat November bis Dezember gibt es einen Zeitpunkt, wo das unter der Erdoberfläche ganz besonders wirksam wird für das Pflanzenwachstum. Man wird einmal sehen, wie die Ausnützung von solchen Dingen ganz besonders wichtig ist, um das Pflanzenwachstum dirigieren zu können. [4]

Nun handelt es sich darum, gerade für die Bebauung des Bodens ein Allerwichtigstes zu durchschauen, das darin besteht, daß man weiß, unter welchen Bedingungen der Weltenraum mit seinen Kräften auf das Irdische wirken kann. Gehen wir, um das einzusehen, einmal aus von der Samenbildung. Der Organismus geht nicht auf die Art aus den Samen hervor, daß sich dasjenige, was sich als Samen gebildet hat, aus der Mutterpflanze oder dem Muttertier nur fortsetzt in demjenigen, was als Kinderpflanze oder Kindertier entsteht. Wenn nun dieses Komplizierte des Aufbaues aufs höchste getrieben ist, so zerfällt dies, und man hat zuletzt in demjenigen, was erst im Bereiche des Irdischen zu größter Kompliziertheit getrieben worden ist, ein kleines Chaos. Es zerfällt, man könnte sagen, in den Weltenstaub, und dann beginnt das ganze umliegende Weltenall auf den Samen zu wirken und drückt sich in ihm ab und baut aus dem kleinen Chaos das auf, was von allen Seiten durch die Wirkung aus dem Weltenall in ihm aufgebaut werden kann. Und wir bekommen in dem Samen ein Abbild des Weltenalls. Der alte Organismus hat nur die Tendenz, den Samen in diejenige Weltenlage hineinzubringen, durch seine Affinität zu dieser Weltenlage, daß aus den richtigen Richtungen her die Kräfte wirken, und daß aus einem Löwenzahn nicht eine Berberitze, sondern wieder ein Löwenzahn wird. Aber, was in der einzelnen Pflanze abgebildet wird, ist immer das Abbild irgendeiner kosmischen Konstellation. Überall, wo wir den Kosmos zur Wirkung bringen, müssen wir das Irdische möglichst stark ins Chaos hineintreiben. Für das Pflanzenwachstum besorgt das in einer gewissen Beziehung schon die Natur selber. Aber es ist allerdings notwendig, daß wir, weil ja jeder neue Organismus aus dem Kosmos heraus aufgebaut wird, im Organismus dieses Kosmische solange erhalten, bis wiederum die Samenbildung da ist. In dem Augenblick, wo der Same in das Erdgebiet verpflanzt wird, wirkt das Äußere der Erde sehr stark auf ihn ein, und er ist in jedem Augenblick von der Sehnsucht durchdrungen, das Kosmische zu verleugnen, zu wuchern, nach allen möglichen Richtungen auszuwachsen, denn dasjenige, was über der Erde wirkt, will diese Form eigentlich nicht festhalten. Es ist die Notwendigkeit da gegenüber dem Ins-Chaos-Treiben des Samens – den müssen wir bis zum Chaos treiben, wenn nun aus dem Samen schon die erste Pflanzenanlage sich entwickelt und die weiteren Sprossen –, das Irdische gegenüber dem Kosmischen, das als Form der Pflanze im Samen lebt, in die Pflanze hineinzubringen. Wir müssen die Pflanze der Erde annähern in ihrem Wachstum. Das aber kann nur dadurch geschehen, daß wir wirklich das schon auf der Erde vorhandene Leben, das also noch nicht in das völlige Chaos hineingekommen ist, das nicht bis zur Samenbildung vorgedrungen ist, sondern in der Organisation der Pflanze vorher aufgehört hatte, bevor es zur Samenbildung gekommen ist, daß wir das auf der Erde befindliche Leben doch in das Pflanzenleben hineinbringen. Und da kommt ja wiederum in den Gegenden, die vom Glücke besonders begünstigt sind, die reiche Humusbildung im Haushalte der Natur dem Menschen sehr zugute. Denn der Mensch kann im Grunde genommen dasjenige, was die Erde an Fruchtbarkeit leisten kann durch eine natürliche Humusbildung, künstlich doch nur mangelhaft ersetzen. [5]

Zitate:

[1]  GA 327, Seite 44ff   (Ausgabe 1963, 306 Seiten)
[2]  GA 327, Seite 47f   (Ausgabe 1963, 306 Seiten)
[3]  GA 327, Seite 48f   (Ausgabe 1963, 306 Seiten)
[4]  GA 327, Seite 49f   (Ausgabe 1963, 306 Seiten)
[5]  GA 327, Seite 51ff   (Ausgabe 1963, 306 Seiten)

Quellen:

GA 327:  Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft (Landwirtschaftlicher Kursus) (1924)