Demeter

Demeter ist die Regentin der größten Naturwunder, eine Urgestalt des menschlichen Fühlens, Denkens und Wollens, deren wahrhaftiges Kind Persephone ist. Jene Urgestalt, die auf Zeiten hinweist, in denen das menschliche Gehirnleben noch nicht getrennt war von dem allgemeinen Leibesleben, in denen sozusagen Ernährung durch die äußeren Stoffe und Denken durch das Instrument des Gehirns nicht getrennte menschliche Verrichtungen waren. Da fühlte man noch, wie der Gedanke da draußen lebt, wenn die Saat auf den Feldern gedeiht, wie die Hoffnung wirklich da draußen sich ausbreitet über die Felder und durchdringt das Naturwunderwirken gleich dem Gesang der Lerche. Man fühlte noch, daß hereinzieht mit dem materiellen das geistige Leben, untertaucht in den menschlichen Leib, sich läutert, zum Geist wird als die Urmutter, aus welcher elementar herausgeboren wird Persephone in der menschlichen Wesenheit selber. Daß die Persephone die wirkliche Tochter der Demeter war, das lehrt uns der Einblick in die Akasha-Chronik. [1]

Und es sagte sich der ältere Mensch: Ich blicke hinauf zur großen Demeter. Wenn ich dieses oder jenes vollbringe in der Welt, so vollbringe ich es dadurch, daß in mein Gehirn hineingeschickt werden die Kräfte, die draußen in der Pflanzenwelt sind. Sie war eine selbstverständliche, nicht ins Bewußtsein heraufleuchtende, aber die Seele antreibende Gesetzgeberin, die Demeter der alten Zeit. Und so war es auch mit anderen Göttern. Indem sie den Menschen ernährten, ihn atmen ließen, die Impulse zum Gehen und Stehen anregten, gaben sie ihm zugleich die Impulse für Moral und alles äußere Verhalten. Demeter sah den Verlust ihres Kindes Persephone in der menschlichen Natur, den Raub durch die dichtere Körperlichkeit, so daß jetzt diese hellseherischen Kräfte nur mehr verwendet werden zur groben Ernährung der Körperlichkeit – indem Demeter sich sozusagen zurückzog von jener unmittelbaren moralischen Gesetzgebung der alten Zeit, was tat sie da? Sie stiftete ein Mysterium und gab von da aus in der neuen Gesetzgebung den Ersatz für die alte Gesetzgebung, die durch die Naturkräfte wirkte. So zogen sich die Götter von den Naturkräften zurück und in die Mysterien hinein und gaben den Menschen, die nicht mehr durch eine in ihnen wirkende Natur die Moral hatten, die moralischen Anweisungen. [2] (Siehe auch: Eros).

Zitate:

[1]  GA 129, Seite 21   (Ausgabe 1960, 254 Seiten)
[2]  GA 129, Seite 38f   (Ausgabe 1960, 254 Seiten)

Quellen:

GA 129:  Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen (1911)