Apokalypse des Johannes
► Das Neue Jerusalem

Diejenigen Menschen, die das Ziel der Erdentwickelung erreichen werden, werden dann einen ganz und gar vom Ich mit dem geistigen Inhalt, den sie sich erarbeitet haben, durchdrungenen astralischen Leib haben, sie werden dieses Bewußtsein als ein Ergebnis, als eine Frucht der Erdentwickelung haben und hinübertragen in die Jupiterentwickelung. Wir können sagen, daß der Mensch, wenn die Erdenzeit so zu Ende gegangen ist, Fähigkeiten erlangt hat, die symbolisch dargestellt werden durch die Erbauung des Neuen Jerusalem. Da wird der Mensch schon hineinblicken in jene Bilderwelt des Jupiter. Das Geistselbst, Manas ist dann ausgebildet in ihm. Das ist das Ziel der Erdentwickelung. [1] Das Ziel der Erdentwickelung ist (also) die Umwandlung des astralischen Leibes. Allerdings ist auch notwendig, daß der Ätherleib auch Wirkungen empfangen kann von dem, was der Mensch im astralischen Leib heranbildet. Der Mensch kann noch nicht durch sich selbst in diesen Ätherleib hineinwirken. Auf dem Jupiter, wenn der Mensch seinen astralischen Leib umgebildet haben wird, wird er fähig werden, auch in diesen Ätherleib hineinzuwirken. Heute aber kann er das nicht, heute braucht er sozusagen noch Helfer. Auf dem Jupiter wird der Mensch fähig werden, die eigentliche Arbeit am Ätherleibe zu beginnen. Auf der Venus wird er am physischen Leibe arbeiten; das ist der am schwersten zu überwindende Teil. Heute aber muß der Mensch noch die beiden, den physischen und den Ätherleib, nachts im Bett liegen lassen und herauskommen. Daß aber dennoch zunächst der Ätherleib seine Wirkungen empfängt, so daß der Mensch allmählich lernt hineinzuarbeiten in den Ätherleib, dazu braucht er einen Helfer, die Christus-Wesenheit, während wir diejenige Wesenheit, die dem Menschen hilft, in den physischen Leib hineinzuarbeiten, als den «Vater» bezeichnen. Bevor aber nicht der Helfer kommt, der es ermöglicht, in den Ätherleib hineinzuarbeiten, kann der Mensch nicht in seinen physischen Leib hineinarbeiten: «Niemand kommt zum Vater, denn durch mich». Niemand erlangt die Fähigkeit, in den physischen Leib hineinzuarbeiten, der nicht erst durch das Christus-Prinzip hindurchgegangen ist. [2]

Der Apokalyptiker erneuerte, faßte zusammen eine Vorstellung, die in der hebräischen Geheimlehre gang und gäbe war. In der hebräischen Geheimlehre zeigt man das folgende: Die Seelen kommen aus der geistigen Welt. Diese Seelen, die aus der geistigen Welt kommen, umkleiden sich mit dem, was von der Erde kommt; und wenn die Seelen sich äußerlich, für die alleräußerlichsten Verrichtungen des Geistes Häuser bauen, so entstehen Städte. Wenn sie aber die inneren Verrichtungen der menschlichen Seele umhüllen, so entsteht eben der menschliche Leib aus den Bausteinen der Erde. Es floß der Begriff des äußeren Wohnstättenbauens mit dem Begriff des eigenen Leibbauens zusammen. Und das war ja ein schönes, ein wunderbar schönes Bild, weil es sachlich begründet ist, daß man ein Haus als dasjenige ansah, in dem sozusagen das Verbreiten und Fortsetzen der Taten und Seelenvorgänge, Seelenfunktionen, seine Umhüllung findet, und daß man in dem äußeren Haus sozusagen die Hülle dafür sah. Nun hat man gerade in der hebräischen Geheimlehre dieses Zusammenfließen im Beherrschen des Irdischen und im Aufnehmen der irdischen Ingredienzien zur menschlichen Entwickelung auf eine ganz bestimmte Art angesehen. Sehen Sie, in bezug auf das Physische wird man zugeben: Die Erde ist so eingerichtet, daß sie einen Nordpol hat, daß sich dort gewissermaßen die Kälte sammelt; und man kann äußerlich physisch-geographisch aus der Natur der Erde diesen Nordpol beschreiben und ihn als etwas Wesentliches der Erde ansehen. Die hebräische Geheimlehre hat das auch mit dem gemacht, was an seelischer Tätigkeit in den Kräften der Erde steckt, und sah nun – wie im Sinne eines geographischen Nordpols – den Pol auf der Erde, wo alles zusammenfließt an Kultur, wo also die Versammlung der vollkommensten Häuser ist, und das sah sie in Jerusalem, in der ganz konkreten Stadt Jerusalem. Das war der Pol für die Konzentrierung der äußeren Kultur um die Menschenseele herum, und die Krönung dieser Stadt war der Salomonische Tempel. Nun fühlte man, daß dies in der Evolution der Erde erschöpft ist. Diejenigen, die etwas von der hebräischen Geheimlehre verstanden, die sahen in dem, was auf das Mysterium von Golgatha folgte, in der Zerstörung Jerusalems, nicht ein äußeres Ereignis (nur), das durch die Römer bewirkt wurde. Die Römer waren nur die Handlanger der geistigen Mächte, die das ausführten, was ganz im Plan der geistigen Mächte war. Denn, so stellten sie es sich vor: Diese alte Art, von der Erde aus die Ingredienzien zu suchen, um den Menschenleib als Haus zu erbauen, ist erschöpft. Indem Jerusalem zu seiner Größe gekommen ist, ist alles das erschöpft, was von der Erde aus an Substanz, an Materialität verwendet werden konnte, um den Menschenleib als Haus zu erbauen. In das Christliche umgesetzt, bedeutet diese hebräische Geheimlehre: Die Mutter Erde erstirbt in Jerusalem. Die Tochter Erde lebt in der Erwartung eines anderen Keimes. Nicht mehr wird man imstande sein, aus den Ingredienzien der Erde heraus so etwas zustande zu bringen wie das alte Jerusalem. Dafür tritt aber die andere Zeit ein, die im Keime veranlagt wurde durch das Mysterium von Golgatha. Die Menschen bekommen nun von oben herunter das, was ihr Inneres umhüllt, mehr von außen. Die neue Stadt senkt sich von oben herunter und gießt sich über die Erde aus: das neue Jerusalem. [3] Das hat schon begonnen seit dem Mysterium von Golgatha, dieses Heranwachsen des neuen Jerusalem. Der Mensch wird, wenn seine Erdenzeit völlig erfüllt ist, dazu gekommen sein, daß er nicht nur durch seine Sinne in seinen eigenen Leib die Himmelssubstanz hineinarbeitet, sondern daß er diese Himmelssubstanz durch das, was man geistiges Wissen und Kunst nennt, auch ausdehnt auf das, was dann die äußere Stadt sein wird, auf die Fortsetzung des Leibes in dem Sinne, wie ich das auseinander gesetzt habe. Das alte Jerusalem war von unten nach oben gebaut,das neue Jerusalem wird von oben nach unten ganz wirklich gebaut sein. Das ist die gewaltige Perspektive, die aus einer Vision, aus einer überkolossalen Vision des Apokalyptikers aufgegangen ist. [4]

Zitate:

[1]  GA 104, Seite 243f   (Ausgabe 1979, 284 Seiten)
[2]  GA 104, Seite 244f   (Ausgabe 1979, 284 Seiten)
[3]  GA 346, Seite 133ff   (Ausgabe 1995, 343 Seiten)
[4]  GA 346, Seite 138   (Ausgabe 1995, 343 Seiten)

Quellen:

GA 104:  Die Apokalypse des Johannes (1908)
GA 346:  Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, V. Apokalypse und Priesterwirken (1924)