Kulturepochen
► 6. Kulturepoche

In der 6. Kulturepoche wird die Aufgabe die sein, den Geist vor allen Dingen als etwas sozusagen mehr in der Umgebung Schwebendes zu erkennen als unmittelbar in sich, den Geist mehr in der elementaren Welt anzuerkennen, weil diese 6. Kulturepoche die Aufgabe hat, die Erkenntnis des Geistes in der physischen Umgebung vorzubereiten. Das kann nicht so ohne weiteres erreicht werden, wenn nicht alte atavistische Kräfte aufgespart werden, die den Geist in seinem rein elementarischen Leben anerkennen. Aber ohne heftige Kämpfe gehen diese Dinge in der Welt nicht ab. Die weiße Menschheit ist noch auf dem Wege, immer tiefer und tiefer den Geist in das eigene Wesen aufzunehmen. Die gelbe Menschheit ist auf dem Wege, zu konservieren jene Zeitalter, in denen der Geist ferne gehalten wird vom Leibe, in denen der Geist gesucht wird außerhalb der menschlich-physischen Organisation, bloß dort. Das aber muß dazu führen, daß der Übergang von der 5. Kulturepoche in die 6. Kulturepoche sich nicht anders abspielen kann denn als ein heftiger Kampf der weißen Menschheit mit der farbigen Menschheit auf den mannigfaltigsten Gebieten. Und was diesen Kämpfen vorangeht, die sich abspielen werden zwischen der weißen und der farbigen Menschheit (beispielsweise der Neger in USA und der mongolischen Völker in Russland), das wird die Weltgeschichte beschäftigen bis zu der Austragung der großen Kämpfe zwischen der weißen und der farbigen Menschheit. Die zukünftigen Ereignisse spiegeln sich vielfach in vorhergehenden Ereignissen.

Da haben wir auf der einen Seite einen Teil der Menschheit mit der Mission, den Geist in das physische Leben so hereinzuführen, daß der Geist alles einzelne im physischen Leben durchdringe. Und auf der anderen Seite haben wir einen Teil der Menschheit mit der Notwendigkeit, gewissermaßen die absteigende Entwickelung nun zu übernehmen. Das kann nicht anders geschehen, als wenn dasjenige, was wirklich sich bekennt zur Durchdringung des Leiblichen mit dem Geistigen, Kulturimpulse hervorbringt, lebendige Impulse hervorbringt, die für die Erde bleibend sind, die von der Erde nicht mehr verschwinden können. Denn was dann nachkommt als sechste, als siebente Kulturepoche, das muß geistig von den Schöpfungen der fünften leben, das muß die Schöpfungen der 5. Kulturepoche in sich aufnehmen. Diese hat die Aufgabe, das äußere idealistische Leben zum spirituellen Leben zu vertiefen. Das aber, was so als spirituelles Leben vom Idealismus erobert wird, das muß später angenommen werden, das muß weiterleben. Denn im Osten (Träger der 6. Epoche) wird man nicht die Kräfte haben, ein eigenes Geistesleben produktiv hervorzubringen, sondern nur dasjenige, was hervorgebracht ist, in sich aufzunehmen. So muß sich die Geschichte abspielen, daß von der gegenwärtigen, die eigentlichen Kulturimpulse in sich tragenden Menschheit eine spirituelle Kultur geschaffen wird, welche die eigentliche geschichtliche Nachfolge der 5. Kultur ist, und daß diese Kultur verarbeitet wird von dem, was nachfolgt. [1] Wie man es als ein Unglück bezeichnen müßte, wenn beim Übergang der 4. zur 5. Kulturepoche die Römer gesiegt hätten, das würde bedeutet haben: das Unmöglichmachen der Mission der 5. Epoche; der Sieg des slawischen Elementes würde ebenso diese Unmöglichkeit bedeuten für die 6. Kulturepoche. Denn nur im passiven Annehmen desjenigen, was die 5. Kulturepoche hervorbringt, kann der Sinn der 6. Epoche bestehen. [2]

Unsere Epoche wird abgelöst werden von einer von Asien nachrückenden Kulturgemeinschaft. [3] (28.10.1904). Durch den fünften Zeitraum hindurch werden die Erkenntnisse der übersinnlichen Welten in das menschliche Bewußtsein einfließen; und wenn der sechste beginnen wird, kann die Menschheit auf einer höheren Stufe das wieder erlangt haben, was sie in einer noch dämmerhaften Art von nichtsinnlichem Schauen in einem früheren Zeitabschnitte besessen hat. Was die Seele in alten Zeiten von höheren Welten wußte, war in ihr nicht durchdrungen von ihrer eigenen Verstandes- und Gefühlskraft. Sie wußte es als Eingebung. In der Zukunft wird sie nicht bloß Eingebungen haben, sondern diese begreifen und als dasjenige empfinden, was Wesen von ihrem eigenen Wesen ist. Im sechsten Kulturzeitraum lebt der zweite, der urpersische wieder auf. [4] Die 6. Kulturperiode ruht noch in keimhaftem Zustand im Osten Europas. Sie wird die Trägerin der spirituellen Kultur der Zukunft sein. [5] Wie es dazumal (in der Atlantis) mit der fünften Rasse (eine atlantische Rasse entspricht einem nachatlantischen Kulturzeitraum) gegangen ist, daß sie die Bildungsfähigen geliefert hat, und mit der sechsten und siebenten, daß sie in den Niedergang kamen, so wird es auch in unserer Zeit sein. Jetzt leben wir noch mit aller Sehnsucht hin zur sechsten Kultur, zu dem, was so geschildert werden muß, daß es aus der spirituellen Ehe zwischen dem Westen und dem Osten sich bildet. Da wird die sechste Kulturstufe die Grundlage sein für das, was nach dem großen Krieg aller gegen alle als neue Kulturen (nach der 7. Kultur) aufgehen wird, ebenso wie nach der atlantischen Zeit unsere Kulturen aufgegangen sind. [6]

Dasjenige, was unsere 5. nachatlantische, der Bewußtseinsseele gewidmete Kultur, als sechste ablösen wird, das wird schon von einem ganz kleinen Kreise von Menschen, die sich verteilen werden in die ganze übrige Menschheit, (schon während der 5. Epoche) geleistet. Aber das kann nur dann geleistet werden, wenn doch der freie Wille der Menschen eingreift. Denn nachdem einmal das Ich eingeschlagen hat in die Menschennatur, muß der Mensch auch den freien Willen für die Entfaltung des Ich entwickeln. [7]

Die 6. Epoche wird ein ganz anderes Geschlecht sehen, edel und schön im Gegensatz zu der abgespaltenen Dekadenz, die aus einem Geschlecht abscheulich häßlicher, tierischer, sinnlicher, lasterhafter Menschen bestehen wird, viel mehr Abscheu erregender, als in der jetzigen Menschheit möglich ist, weil diese sich wieder hinunterentwickelt. [8] Wenn nun in dieser Epoche das Geistselbst, das Manas zum Ausdruck kommen wird, dann werden wir nicht dieses Geistselbst als unser Selbst ansprechen können, sondern dann werden wir sagen: Ja, unser Ich hat sich bis zu einer gewissen Stufe entwickelt, so daß hereinleuchten kann wie aus höheren Welten unser Manas wie eine Art Angeloswesen, das wir nicht selbst sind, das in uns hereinleuchtet und Besitz ergreift von uns. Und erst auf dem Jupiter wird es so erscheinen, daß es unser eigenes Wesen ist wie unser Ich. [9]

Es wird harte Kämpfe geben, um den Christus-Impuls durchzuführen. Heute denkt man, mit der Zuchtrute des Hohnes, mit der Zuchtrute der Kritik, zu begegnen demjenigen, der versucht, aus den geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen die Wahrheit zu sagen. Im 6. Zeitraum wird man anfangen, diese Leute zu heilen. Das heißt, man wird bis dahin Arzneien erfunden haben, die man denen zwangsgemäß beibringen wird, welche davon reden, daß es eine Norm des Guten und des Bösen gibt, daß Gut und Böse etwas anderes ist als Menschensatzung. [10]

Das Zeitalter der Gemütsbewegungen (6. Kulturepoche) wird dann die Seele weiterbilden, um ihr zu ermöglichen, in bewußter Weise in die niedere devachanische Welt (siehe: Devachan unteres) hineinzukommen. Christus wird sich da einer Anzahl von Menschen in der niederen Devachanwelt in einer Lichtgestalt als tönendes Wort offenbaren, einsprechend in die empfänglichen Gemüter der Menschen aus seinem astralen Lichtleibe jenes Wort, das schon im Urbeginn in astraler Gestalt wirkte, wie es Johannes in den Anfangsworten seines Evangeliums darlegt. [11]

Eine Eigentümlichkeit dieses Kulturzeitraumes wird sein, daß wenig maßgebend sein werden – wie bei den vorhergehenden Kulturzeiträumen – die äußeren physiognomischen Rassenmerkmale, sondern über die ganze Erde hin wird im 6. Kulturzeitraum maßgebend sein, wie stark schon die einzelnen Individuali-täten ihrem Antlitze und ihrem ganzen Wesen aufgedrückt haben werden, was die Reste der selbstlosen Gedanken- und Empfindungsformen, namentlich der aus wirklicher Weisheit gewonnenen, zurückgelassen haben. [12] In der 6. Kulturepoche, also ungefähr vom dritten Jahrtausend an, wird das Unmoralische paralysierend auf die Intellektualität wirken. Wer intellektuell ist, und dabei unmoralisch, wird seine Intellektualität auf einen Dämmerzustand herabsetzen mit der Entwickelung der Unmoralität. [13] Es wird der Hauptcharakterzug der menschlichen Entwickelung der sein, daß die Seelen der Menschen ganz bestimmte Empfindungen haben werden gegenüber dem, was moralisch, und dem, was unmoralisch ist. Besonders fein werden sich Empfindungen der Sympathie mit mitleidvollem, wohlwollendem Handeln, und der Antipathie gegen Übelwollende, in einer Größe, von der man bis jetzt keine Ahnung haben kann. [14]

Der Mensch wird dann auf der Höhe der Kultur jedes fremde Leid als sein eigenes Leid empfinden. Wenn er einen Hungernden sieht, wird er den Hunger so lebhaft empfinden bis in das Physische herunter, daß ihm dieser Hunger des anderen unerträglich sein wird. Das Wohl des einzelnen wird abhängen von dem Wohl der Gesamtheit. Auf religiösem Gebiet wird vollständige Gedankenfreiheit herrschen. Und als Wissenschaft wird ganz selbstverständlich für die Menschen nur dasjenige gelten, was Geistiges zur Grundlage hat. [15] (Beispielsweise) werden die Menschen erkennen, daß die Muskeln aus der persönlich gewordenen Sphärenharmonie heraus bewegt werden. [16]

Zitate:

[1]  GA 174b, Seite 38f   (Ausgabe 1974, 398 Seiten)
[2]  GA 174b, Seite 43   (Ausgabe 1974, 398 Seiten)
[3]  GA 92, Seite 0   (Ausgabe 1999, 198 Seiten)
[4]  GA 13, Seite 408f   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[5]  GA 94, Seite 170   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[6]  GA 104, Seite 160f   (Ausgabe 1979, 284 Seiten)
[7]  GA 127, Seite 29   (Ausgabe 1975, 256 Seiten)
[8]  GA 97, Seite 315f   (Ausgabe 1981, 340 Seiten)
[9]  GA 130, Seite 206   (Ausgabe 1962, 354 Seiten)
[10]  GA 175, Seite 241   (Ausgabe 1982, 416 Seiten)
[11]  GA 130, Seite 149   (Ausgabe 1962, 354 Seiten)
[12]  GA 133, Seite 151   (Ausgabe 1964, 175 Seiten)
[13]  GA 130, Seite 46   (Ausgabe 1962, 354 Seiten)
[14]  GA 130, Seite 43   (Ausgabe 1962, 354 Seiten)
[15]  GA 159, Seite 303f   (Ausgabe 1980, 388 Seiten)
[16]  GA 124, Seite 164   (Ausgabe 1963, 254 Seiten)

Quellen:

GA 13:  Die Geheimwissenschaft im Umriß (1910)
GA 92:  Die okkulten Wahrheiten alter Mythen und Sagen. Griechische und germanische Mythologie. Über Richard Wagners Musikdramen (1904-1907)
GA 94:  Kosmogonie. Populärer Okkultismus. Das Johannes-Evangelium. Die Theosophie an Hand des Johannes-Evangeliums (1906)
GA 97:  Das christliche Mysterium (1906/1907)
GA 104:  Die Apokalypse des Johannes (1908)
GA 124:  Exkurse in das Gebiet des Markus-Evangeliums (1910/1911)
GA 127:  Die Mission der neuen Geistesoffenbarung. Das Christus-Ereignis als Mittelpunktsgeschehen der Erdenevolution (1911)
GA 130:  Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit (1911/1912)
GA 133:  Der irdische und der kosmische Mensch (1911/1912)
GA 159:  Das Geheimnis des Todes. Wesen und Bedeutung Mitteleuropas und die europäischen Volksgeister (1915)
GA 174b:  Die geistigen Hintergründe des Ersten Weltkrieges (1914-1921)
GA 175:  Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha. Kosmische und menschliche Metamorphose (1917)