Bewegungen des Körpers

Wodurch bewege ich meine Hand? Ich fasse zuerst den Gedanken: Ich will die Hand bewegen. – Hätte ich bloß den Gedanken, so würde der Gedanke zwar in mir leben, aber er würde nie eine physische Hand in die Höhe bewegen können, geradesowenig, wie der bloße Gedanke zum Beispiel eine Flasche in die Höhe heben könnte. Wollen Sie die Flasche bewegen, so müßte zu dem Gedanken noch eine Kraft hinzukommen, die der Vermittler ist zwischen dem Gedanken und meinem physischen Körper. Und diese Kraft nennen wir eine astralische Kraft. Das ist eine Kraft, wie es sie in der astralen Welt gibt. Ich würde meinen Arm nicht bewegen können, wenn nicht zwischen meinem Gedanken und meinem physischen Körper, zu dem mein Arm gehört, in mir eine astrale Kraft wäre, die den Vermittler bildet zwischen meinem Gedanken und meinem physischen Körper, meinem physischen Arm. Der Mensch mußte, bevor er einen physisch-mineralischen Körper aufbaute, wie er ihn heute hat, erst einen Astralkörper sich schaffen, einen Wunschkörper, welcher der Vermittler sein kann zwischen seinem Gedanken und seinem physisch-mineralischen Wesen. [1]

Ein Bein wird unmittelbar durch die Ich-Wesenheit gehoben. Nur verläuft das alles so, wie die Tätigkeit des Schlafens. Das Bewußtsein weiß nichts davon. Daß hier Nerven eingeschaltet sind, die dann zum Zentralorgan gehen, das unterrichtet uns bloß davon, daß wir ein Bein haben. Dieser Nerv hat als solcher nichts zu tun mit der Wirkung des Ich auf das Bein. Es ist eine unmittelbare Korrespondenz zwischen dem Bein und dem Willen, der beim Menschen verknüpft ist mit der Ich-Wesenheit, beim Tier verknüpft ist mit dem astralischen Leib. Alles, was die Physiologie zu sagen hat zum Beispiel auch mit Bezug auf die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des sogenannten Willens, das müßte umgedacht werden dahingehend, daß man es zu tun hat mit der Fortpflanzungsgeschwindigkeit, die sich bezieht auf die Wahrnehmung des betreffenden Gliedes. [2]

Am intensivsten unbewußt ist dasjenige, was sich auf die Bewegung der unteren Gliedmaßen bezieht. Da schläft der Mensch in gewisser Beziehung ganz. Da ist gewissermaßen der Mensch immer seiner bewußten Natur abgekehrt. Da sendet ihm die eigene Natur nur das zurück, was Reflexion ist. Sie verfolgen ja natürlich auch die Bewegungen Ihrer Beine, aber eben durch den Nervenapparat; wie der Wille hineinschießt, das verfolgen Sie nicht, sondern bekommen es nur in der Reflexion in die Wahrnehmung herein. Alles was die Arme betrifft, hat mehr Verwandtschaft mit dem menschlichen Bewußtsein, als dasjenige, was die Beinbewegung betrifft. Der elementarisch empfindende Mensch wird daher sehr häufig schon ganz naturgemäß die Arme ein wenig zu Hilfe nehmen, wenn es sich um die Sprache handelt, die ja mit dem mittleren Menschen sehr viel zu tun hat. [3] Das Gefühlsmäßige suchen wir in die Rede hineinzubringen durch diese Unterstützung. Das wurde gefühlt, indem man Sprache und Armbewegung zusammenfassend mit dem Mars in eine gewisse Beziehung gebracht hat. Der Mars steht ja nicht in so inniger Verbindung mit der Erde, wie der Mond, und dasjenige, was dem Sprachorganismus und dem Armorganismus zugrunde liegt, steht auch nicht mit dem irdischen Menschen in einer so innigen Verbindung wie das, was dem Beinorganismus und dem Unterleibsorganismus zugrunde liegt. Jemand der ganz ungeschickte Hände hat, der also zum Beispiel gar nicht mit den Fingern geschickte Bewegungen ausführen kann, der wird auch kein feinsinniger Denker sein, er wird sich viel eher für den Materialismus eignen. Unsere Fingerbewegungen sind in hohem Maße Lehrer der Elastizität unseres Denkens. [4]

(Bei einer Lähmung) ist die Ich-Organisation nicht mehr lose wie im gesunden Zustande mit dem Gliede vereinigt, so daß sie sich in der Bewegung mit ihm verbinden und gleich wieder loslösen kann; sie taucht sich dauernd in das Glied ein und kann sich nicht mehr aus ihm zurückziehen. Die gesunde Bewegung ist eine angefangene Lähmung, die sogleich in ihrem Anfange wieder aufgehoben wird. [5] Unsere menschliche Bewegung ist eigentlich eine magische Wirkung, die darin besteht, daß durch den Geist etwas in Bewegung gesetzt wird. Wir haben nach unten gehend im Menschen eine Tendenz, Zyanverbindungen (giftige Verbindungen des Kohlenstoffes mit dem Stickstoff) zu schaffen, die im Status nascendi aufgehoben werden durch die Gallenabsonderungen. Aber in diesem Moment zwischen dem Entstehen und dem sogleich Aufgelöstwerden der Zyansäureverbindungen ergreift der Wille das Muskelsystem. Im Paralysieren dieses Prozesses liegt die Möglichkeit für den Willen, einzugreifen, so daß der Mensch sich bewegen kann. Es liegt fortwährend im Menschen nach unten gehend die Tendenz, die organische Substanz zu zerstören durch eine Vergiftung. [6]

In der geistigen Welt, bevor wir uns anschicken, hier geboren zu werden, sind wir eigentlich in einer fortwährenden Bewegung, und Bewegung ist dort unser eigentliches Element. Würden wir diese Bewegung fortsetzen wollen, so würden wir niemals in die physische Welt hineinkommen können. Und wir werden davor behütet, sie fortzusetzen, indem sich unsere Kopforganisation anpaßt dem übrigen Organismus, so daß also gewissermaßen unsere Kopforganisation zum Wagen wird, auf dem wir hereinfahren in die physische Welt, der aber dann stille wird, wenn er hereingefahren ist, und dann bequem auf dem übrigen Organismus ruht. [7]

Zitate:

[1]  GA 89, Seite 99   (Ausgabe 2001, 234 Seiten)
[2]  GA 201, Seite 134   (Ausgabe 1987, 286 Seiten)
[3]  GA 201, Seite 138f   (Ausgabe 1987, 286 Seiten)
[4]  GA 201, Seite 140f   (Ausgabe 1987, 286 Seiten)
[5]  GA 27, Seite 22f   (Ausgabe 1984, 142 Seiten)
[6]  GA 302a, Seite 136f   (Ausgabe 1983, 160 Seiten)
[7]  GA 302a, Seite 63f   (Ausgabe 1983, 160 Seiten)

Quellen:

GA 27:  Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen. Von Dr. Rudolf Steiner und Dr. Ita Wegman (1925)
GA 89:  Bewußtsein – Leben – Form. Grundprinzipien der geisteswissenschaftlichen Kosmologie (1903-1906)
GA 201:  Entsprechungen zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos. Der Mensch – eine Hieroglyphe des Weltenalls (1920)
GA 302a:  Erziehung und Unterricht aus Menschenerkenntnis (1920-1923)