Apokalypse des Johannes
► Siegel apokalyptische

Die (Bilder dieser) Siegel sind wesentlich mehr als gewöhnliche Symbole. Wer das, was in ihnen dargestellt wird, einfach mit dem Verstande sinnbildlich deuten will, der ist in den Geist der Sache nicht eingedrungen. Man sollte den Inhalt dieser 7 Bilder mit seiner ganzen Seele, mit dem ungeteilten Gemüte erleben, man sollte ihn in sich nach Form, Farbe und Inhalt seelisch gestalten, so daß er innerlich in der Imagination lebt. Denn dieser Inhalt entspricht ganz bestimmten astralen Erlebnissen des Hellsehers. [1]

Sie stellen im Bilde bestimmte Erlebnisse der astralischen Welt dar. Die Siegel sind – natürlich in übertragenem Sinne – Schattenrisse astralischer Vorgänge. [2] Die sieben Siegel geben die astralischen Urbilder der Menschheitsentwickelung auf der Erde im Sinne der Geisteswissenschaft. Wenn der Seher auf dem Astralplan diese Entwickelung in die Zeiten ferner Vergangenheit und in ferner Zukunft verfolgt, so stellt sich ihm diese in den gegebenen sieben Siegelbildern dar. Er hat nichts zu erfinden, sondern lediglich die von ihm geistig wahrgenommenen Tatsachen zu verstehen. [3]

Es ist die Entwickelung der Menschheit, deren Ausdruck in der astralen Welt eine der wesentlichsten Grundlagen des okkulten Wissens bilden muß, was in diesen sieben Siegeln zum Ausdruck kommt. Der christliche Esoteriker wird sie in Schilderungen der «Offenbarung St. Johannis» in einer gewissen Weise wiedererkennen. Im Grunde bedeutet alles selbst das scheinbar Geringfügigste – auf diesen Bildern Wichtiges. [4]

Unter den körperlichen Organen und Ausdrucksformen des Menschen sind solche, die in ihrer gegenwärtigen Gestalt die abwärtsgehenden Entwickelungsstufen früherer Formen darstellen, die also ihren Vollkommenheitsgrad bereits überschritten haben (– wie beispielsweise unser Ohr); andere aber stellen die Anfangsstufen der Entwickelung dar; sie sind jetzt gleichsam die Anlagen zu dem, was sie in der Zukunft werden. Ein Organ, das in der Zukunft etwas viel Höheres, Vollkommeneres sein wird, als es gegenwärtig ist, stellt das Sprachorgan dar. Indem man dieses ausspricht rührt man an ein großes Geheimnis des Daseins, das oftmals auch das «Mysterium des schaffenden Wortes» genannt wird. Es ist damit eine Hindeutung auf den Zukunftszustand dieses menschlichen Sprachorgans gegeben, das einmal, wenn der Mensch vergeistigt sein wird, geistiges Produktions-, Zeugungsorgan wird. In den Mythen und Religionen wird diese geistige Produktion durch das sachgemäße Bild von dem aus dem Munde kommenden «Schwert» angedeutet. [5] Der Anfangszustand der Menschheit, als die Erde noch in einem Zustande der Glutflüssigkeit war, ist dargestellt dadurch, daß die Füße des Menschen auf dem Bild in einem feurigen Metallfluß sind, (und) der Zukunftszustand ist dargestellt durch das feurige Schwert, welches aus dem Munde des Menschen hervorgeht, (denn) später wird der Mensch Wärme und zuletzt Licht schaffen, so wie er jetzt seine Gedanken in Worten der Luft mitteilt. Ein solches Bild wirkt nicht bloß auf die Imagination , sondern auch auf den Willen des Menschen, wenn wir in dieser Weise den großen Kräften der Natur zuschauen. Denn dieselbe Kraft, die als Urkraft im Willen des Menschen lebt, lebt auch in der ganzen äußeren Welt. [6]

Diese Siegelbilder haben einen gewaltigen Einfluß auf die Seele des Menschen, weil sie aus den Weltengeheimnissen heraus geschöpft sind. Hängen Sie sie in einem Zimmer auf, wo solche Dinge besprochen werden, wie wir heute hier sprechen, in denen man sich zu den heiligen Mysterien der Welt erhebt, da wirken sie in höchstem Grade belebend, erleuchtend, ohne daß es die Menschen manchmal wissen. Aber sie sind eben, weil sie diese Bedeutung haben, nicht gleichzeitig dazu angetan, profaniert zu werden. Und so sonderbar es erscheinen mag: Wenn sie in einem Zimmer rundherum hängen, wo nichts Geistiges geredet wird, wo triviale Worte gesprochen werden, da wirken sie auch, aber so, daß sie den physischen Organismus krank machen. So trivial es klingen mag: sie zerstören die Verdauung. Was aus dem Geistigen geboren ist, gehört dem Geistigen an und darf nicht profaniert werden; das zeigt es selbst an durch seine Wirkung. Zeichen von geistigen Dingen gehören dahin, wo geistige Dinge sich abspielen und zur Wirkung gelangen. [7]

Zitate:

[1]  GA 34, Seite 594   (Ausgabe 1960, 627 Seiten)
[2]  GA 34, Seite 594   (Ausgabe 1960, 627 Seiten)
[3]  GA 284, Seite 91   (Ausgabe 1993, 208 Seiten)
[4]  GA 34, Seite 595f   (Ausgabe 1960, 627 Seiten)
[5]  GA 34, Seite 596f   (Ausgabe 1960, 627 Seiten)
[6]  GA 98, Seite 52f   (Ausgabe 1983, 272 Seiten)
[7]  GA 101, Seite 192   (Ausgabe 1987, 288 Seiten)

Quellen:

GA 34:  Lucifer – Gnosis. Grundlegende Aufsätze zur Anthroposophie und Berichte aus den Zeitschriften «Luzifer» und «Lucifer – Gnosis» 1903 – 1908 (1903-1908)
GA 98:  Natur- und Geistwesen – ihr Wirken in unserer sichtbaren Welt (1907/1908)
GA 101:  Mythen und Sagen. Okkulte Zeichen und Symbole (1907)
GA 284:  Bilder okkulter Siegel und Säulen. Der Münchner Kongreß Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen (1907)