Arius – Streit mit Athanasius

Nun müssen wir uns darüber klar sein, daß dieses Hineinschlagen des Ich in die Verstandes- oder Gemütsseele etwas außerordentlich Bedeutsames darstellt. Dieses Hineinschlagen des Ich, das um das Jahr 333 stattfindet, das erschüttert doch in der Tiefe der Seele und in der allerernstesten Weise gerade die Menschheit, die in Betracht kommt für das Empfangen der spirituellen Einflüsse. Was haben wir denn in der Zeit, als gewissermaßen hinter den Kulissen der äußeren Ereignisse das Hereintreten des Ich in die Menschenseele stattfand, was haben wir denn da für hervorragende äußere Ereignisse, und wie müssen diese alle im Lichte dieses Hereintretens des Ich angesehen werden? Ja da beginnt plötzlich für den Menschen das ganze Verhältnis des Göttlichen zum Menschen unverstanden und wankend und strittig zu werden. Wir haben in diesem Zeitpunkt den bedeutsamen Streit zwischen Arius und Athanasius. Mit dem Hereinschlagen des Ich in die Verstandes- oder Gemütsseele tauchen im Innersten des Menschen, wenn auch noch etwas unbewußt, die Unklarheiten auf und damit die Frage: Wie lebt denn eigentlich das göttliche Ich in der Menschennatur? – In dieser Zeit wurde der Mensch wankend darüber, wie er sich das Verhältnis des Göttlichen zur Welt und zum Menschen selber zu denken hatte. Und da standen sich die beiden Anschauungen des Arius und des Athanasius in schroffer Weise gegenüber. Wir sehen dann, wie in Westeuropa die Ansicht des Athanasius die Oberhand gewinnt, und wie die Anschauung des Arius einem allmählichen Untergang entgegengeht. Arius sieht auf der einen Seite den Menschen, wie er immer höher und höher steigt und sozusagen dem Göttlichen immer näher kommen soll, und er sieht auf der anderen Seite die göttliche Wesenheit; und er hat neben diesen großen Weltenprinzipien nun das Mysterium von Golgatha zu verstehen, die Natur Christi. Er will sich die Frage beantworten: Wie steckt in Christus selber die menschliche und wie die göttliche Natur? Hat man in Christus wirklich ein göttliches Wesen zu sehen oder nicht? – Und er beantwortet eigentlich diese Frage mit Nein. Er steht im Grunde genommen auf dem Boden, der dann bei einem großen Teil der europäischen Bevölkerung der allgemeine geworden ist: die Grenzscheide aufzurichten zwischen dem Menschen und Gott, die Innewohnung Gottes im Menschen nicht eigentlich zugeben zu wollen und einen Abgrund zu setzen zwischen Gott und dem Menschen. Für die Weiterentwickelung der Menschheit es dazumal notwendig war, die ganze Frage im Sinne des Athanasius zu entscheiden, der in dem Christus eben ein unmittelbar göttliches Wesen sah, der in dem Christus den wirklichen göttlichen Sonnengeist sah, wenn das auch in späterer Zeit wegen der Abneigung, den Christus kosmologisch vorzustellen, in den Hintergrund trat. Aber in der ganzen Geistesart des Athanasius lag das, daß er den Christus wirklich als einen dem Vatergott gleichen Gott ansah. Diese Anschauung hat dann weitergewirkt, sie hat nur ihre Spitze verloren im Jahr 869 durch das achte Konzil in Konstantinopel, das im Grunde genommen dadurch die Lehre des ersten Konzils von Nicäa zerstört hat, daß die Trichotomie für ketzerisch erklärt worden ist. Damit beginnt dann auch die Dekadenz des kirchlichen Christentums, denn damit war das Hineinwachsen in die Geistigkeit für spätere Jahrhunderte innerhalb der katholischen Kirchenentwickelung durchaus abgeschnitten. [1]

Zitate:

[1]  GA 346, Seite 101f   (Ausgabe 1995, 343 Seiten)

Quellen:

GA 346:  Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, V. Apokalypse und Priesterwirken (1924)