Jesu Mutter

In allen tiefreligiösen Urkunden ist jedes Wort mit tiefer Absicht gesetzt. Ein Beispiel sei erläutert anhand der Frage: Wie heißt nach dem Johannes-Evangelium die Mutter Jesu? – Jeder wird antworten: Maria. Aber aus dem Johannes-Evangelium läßt sich das nicht nachweisen. Die Mutter Jesu wird im Johannes-Evangelium zuerst bei der Erzählung der Hochzeit zu Kana erwähnt, aber ohne Namen. Später wird sie noch einmal erwähnt unter den drei Frauen am Kreuze: «Es stand aber bei dem Kreuze Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, des Kleophas Weib, und Maria Magdalena.» Hier wird also nicht die Mutter Jesu, sondern ihre Schwester «Maria» genannt. Da es nicht wahrscheinlich ist, daß die Schwestern beide Maria hießen, so muß man annehmen, daß die Mutter Jesu einen anderen Namen trug. [1]

Wie Christus in die Welt trat, läßt sich folgendermaßen erkennen. Das sechste Prinzip, die Buddhi, ist geboren aus dem fünften, wenn dieses zur vollen Höhe gelangt ist, aus dem Geistselbst oder Manas, oder wie die Griechen damals das fünfte Prinzip nannten, aus der Sophia. Alle Gnostiker, die sich zum Sinne des Johannes-Evangeliums bekannten, nannten die Mutter Jesu «Sophia». Durch das Erscheinen Jesu wird der Erde das sechste Prinzip gebracht. Die Vereinigung des Lebensgeistes mit der Menschheit vollzieht sich. Dazu mußte die Sophia erst ganz reif werden. Wenn der Lebensgeist, die Buddhi, sich mit der Menschheit vereinigt, so ist die Menschheit die Sophia. In der Hochzeit zu Kana wird uns das im Gleichnis erzählt. [2]

Zitate:

[1]  GA 97, Seite 51   (Ausgabe 1981, 340 Seiten)
[2]  GA 97, Seite 58f   (Ausgabe 1981, 340 Seiten)

Quellen:

GA 97:  Das christliche Mysterium (1906/1907)