Hellsehen atavistisches

In alten Zeiten ist von den Menschen im atavistischen Hellsehen die geistige Welt so geschaut worden, daß die Schauungen in ihrem Inhalte ähnlich sind den Eindrücken, welche die sinnliche Wahrnehmungswelt macht. Dadurch, daß der Manichäismus (beispielsweise) solche Vorstellungen, ich möchte sagen von einem sinnlichen Schein des Übersinnlichen in sich aufgenommen hat, macht er auf viele den Eindruck, als ob er das Geistige vermaterialisierte, als ob er das Geistige in sinnlichen Formen vorstellte. [1]

Bis nahe zum Mysterium von Golgatha war es so, daß die Menschen sich hier ins physische Leben Fähigkeiten hereingebracht haben, die aus der geistigen Welt stammten. Daher hatten sie atavistisches Hellsehen. Dieses atavistische Hellsehen kam davon, daß gewisse geistige Fähigkeiten sich aus dem Zustand vor der Geburt hereinerstreckten in dieses Leben. Das hörte auf. [2]

Die Menschen der Vorzeit haben das atavistische Hellsehen gehabt, und was als die letzte Erbschaft des atavistischen Hellsehens geblieben ist, das ist das abstrakte Nachdenken, das abstrakte Wissen der Menschen der Gegenwart. Verdünnt aus dem früheren atavistischen Hellsehen ist dies geblieben. Der Mensch der Gegenwart kann das Gefühl haben, daß diese Verdünnung des alten atavistischen Wesens, sein Seelenhaftes nicht mehr zu tragen vermag. Dann wird er die Sehnsucht empfangen, etwas Neues in das Ich hereinzubekommen. Aber mit dem, was das Ende gebildet hat bei der Entwickelung der Menschheit von Urzeiten an bis in die Gegenwart herein, mit dem muß jetzt der Anfang gemacht werden. [3]

Zitate:

[1]  GA 184, Seite 10   (Ausgabe 1968, 334 Seiten)
[2]  GA 183, Seite 161   (Ausgabe 1967, 195 Seiten)
[3]  GA 195, Seite 62f   (Ausgabe 1962, 91 Seiten)

Quellen:

GA 183:  Die Wissenschaft vom Werden des Menschen (1918)
GA 184:  Die Polarität von Dauer und Entwickelung im Menschenleben. Die kosmische Vorgeschichte der Menschheit (1918)
GA 195:  Weltsilvester und Neujahrsgedanken (1919/1920)