Wenn einmal die Naturwissenschaft unterscheiden lernen wird die Regenerationskräfte im Menschen von dem, was in der Tierheit vorhanden ist, dann wird sie erkennen, wie die schöpferischen Kräfte, die im Erdenleben walten, um den Menschen über die Tierheit herauszuführen, nur wachen, wenn der Mensch schläft. Es schlafen also des Menschen eigentliche Schöpferkräfte, wenn der Mensch wacht. Aus alledem können wir entnehmen, daß in Selbsterkenntnis des Menschen schöpferische Kräfte, die eigentlich menschlichen Kräfte, nur dann wahrgenommen werden können, wenn der Mensch hellsichtig wird während des Schlafens, das heißt, in einem, dem sonstigen Schlafe gleichen Zustand hellsichtig aufwacht.
In einer gewissen Weise wird man aus den Prozessen, die sich am schlafenden Menschen zeigen, nach und nach naturwissenschaftlich Hinweisungen finden auf diese Kräfte, die den Menschen heraufheben über die Tierheit. Aber es werden eben immer nur Hinweise bleiben. Denn diese Kräfte stellen sich gerade, wenn sie sich heute dem hellsichtigen Bewußtsein darstellen, als solche dar, daß sie ihre wahre, ureigentliche Gestalt nicht nach außen den Sinnen zeigen können. Man wird einmal auf diese Kräfte Schlüsse ziehen können aus naturwissenschaftlichen Tatsachen. [1]
Die Welt, die uns umgibt, die wir als Naturkräfte kennen, müssen wir uns, so wie sie im mineralischen, pflanzlichen, tierischen Reich uns entgegentritt, bis ins Nichts heruntergemindert denken, dann aber noch weiter, unter das Nichts heruntergemindert: dann kommen die Kräfte heraus, welche die schöpferischen Kräfte sind, wenn der Mensch schläft. [2] (Siehe auch: Homöopathie, diese beruht auf diesem Prinzip.) Aber diese Kräfte sind mit anderen Kräften verwandt, welche im Menschen sich auch mit einer gewissen, man möchte sagen, Unbewußtheit entwickeln; das sind die Kräfte, welche zusammenhängen mit der menschlichen Fortpflanzung. Wir wissen, daß mit einem gewissen Alter über diesen Kräften das Bewußtsein erwacht, daß gleichsam von einem bestimmten Alter an der menschliche Organismus durchsetzt wird vom Bewußtsein aus mit den Kräften, die später die sinnliche Liebe der Geschlechter genannt werden. Was vorher waltet wie schlafende Kräfte, die erst mit der Geschlechtsreife erwachen, das sind, wenn sie in ihrer ureigenen Gestalt betrachtet werden, genau dieselben Kräfte, die im Schlaf die zerstörten Kräfte im Menschen wieder herstellen. Verdeckt sind diese Kräfte nur, weil sie vermischt sind mit der anderen menschlichen Natur. Es walten unsichtbar im Menschen Kräfte, welche schuldvoll erst werden, wenn sie zum Erwachen kommen, welche schlafen oder höchstens träumen bis die Geschlechtsreife eintritt. So verspürt derjenige, der unter diesen Eigenschaften die in das Kindesalter wie zurückgezogenen Generationskräfte erkennt, den Odem der Götter, der göttlichen Kräfte, die so wunderbar sich ausnehmen, weil sie, indem sie später des Menschen niedere Natur darstellen, solange sie in Unschuld walten, einen göttlichen Hauch wirklich darbieten. Diese Dinge muß man empfinden, fühlen.
So zerfällt uns die menschliche Natur gleichsam in zwei Teile. Wir haben eigentlich in jedem Menschen zwei Menschen vor uns: den einen Menschen, der wir sind vom Aufwachen bis zum Einschlafen, und den anderen Menschen, der wir sind vom Einschlafen bis zum Aufwachen. In dem einen Menschen sind wir fortwährend bemüht, unsere Natur bis zur Tierheit herabzuquälen mit allem, was nicht Erkenntnis ist, was nicht rein im Geiste erfaßt wird. Dies ist während unseres Wachzustandes. Was uns aber über diesen Menschen erhebt, waltet zunächst als holdselige Kraft unschuldsvoll während der Kindheit innerhalb der Generationskräfte, und waltet, wenn diese Kräfte erwachen, im Schlafe, wenn regeneriert wird, was durch das Tagwachen zerstört worden ist. So haben wir einen Menschen in uns, der verwandt ist mit den schöpferischen Kräften im Menschen, und einen Menschen, der diese Kräfte zerstört. Dieser zweite Mensch, in dem die menschenschöpferischen Kräfte walten, ist ungemischt eigentlich nie da, denn während des Schlafens bleibt ja der physische Leib und Ätherleib durchsetzt von den Nachwirkungen des Tages, von den Zerstörungskräften. Wenn diese Zerstörungskräfte aber endlich fortgeschafft worden sind, so wachen wir ja wieder auf. [3]
So ist es seit dem lemurischen Zeitalter, seit dem eigentlich die gegenwärtige Menschheit ihre Entwickelung begonnen hat. Damals fand der luziferische Einfluß auf den Menschen statt. Aus diesem luziferischen Einfluß kam neben allem anderen dasjenige, was heute den Menschen fortwährend zwingt, sich zur Tierheit herabzuquälen. Dasjenige aber, was der Menschennatur beigemischt ist, was der Mensch eigentlich noch nicht erkennt, die schöpferischen Kräfte, das waltete vor dem luziferischen Impuls als Menschentum in der ersten lemurischen Zeit, da war der Mensch noch ganz und vollkommen durchsetzt von diesen schöpferischen Kräften. Wenn wir das Menschengeschlecht verfolgen von diesem Zeitpunkt der lemurischen Zeit an, so haben wir durch alles hindurch, was dann gekommen ist, immer diese Doppelnatur des Menschen vor uns. [4]
| [1] | GA 146, Seite 111 | (Ausgabe 1962, 163 Seiten) |
| [2] | GA 146, Seite 113 | (Ausgabe 1962, 163 Seiten) |
| [3] | GA 146, Seite 115ff | (Ausgabe 1962, 163 Seiten) |
| [4] | GA 146, Seite 117f | (Ausgabe 1962, 163 Seiten) |
| GA 146: | Die okkulten Grundlagen der Bhagavad Gita (1913) |