Apokalypse des Johannes
► 5. Siegelbild

Der Mensch wird in der vergeistigten Erde drinnen leben und zu gleicher Zeit verbunden sein mit der Kraft der Sonne, und er wird der Überwinder des Mondes sein. Das wird, indem es geschaut wird, dargestellt durch diese symbolische Figur: das Weib, das die Sonne in sich trägt und den Mond zu ihren Füßen hat. [1] Aber dasjenige, was im Fleische geblieben ist, wird auf der Nebenerde dargestellt durch das Tier mit den 7 Köpfen. Es erscheinen wiederum die Tierköpfe, die einstmals da waren. Alles dasjenige, was im Menschen veranlagt wird durch den ätherischen Leib, das nennt man in der Mysteriensprache einen Kopf. Dasjenige aber, was physisch im Menschen bewirkt wird durch irgend ein Glied des Ätherleibes, das nennt man ein Horn. [2] Wir werden sehen, daß diejenigen Wesenheiten, welche sich diese 7 Köpfe bewahrt haben, weil sie stehen geblieben sind in der Entwickelung, daß die in der Tat im Abgrund einen physischen Leib angenommen haben, der aus 10 verhärteten physischen Leibesgliedern besteht. [3]

Bei der Eröffnung des fünften Siegels wird uns etwas Bedeutendes gesagt: «Und da es das fünfte Siegel auftat, sah ich unter dem Altar die Seelen derer, die erwürget waren um des Wortes Gottes willen und um des Zeugnisses willen, das sie hatten.» (Apk. 6, 9) – Was geschieht mit einer Seele, die sich zur fünften Stufe hin entwickelt? Sie wird in ihrer niederen Seele gewürgt; was dem Menschen an Unreinem anhaftet, wird abgetan, und die Seele erscheint hierbei im Gewand der Unschuld: «Und ihnen wurde gegeben einem jeglichen in weißes Kleid…» (Apk. 6, 11) Die Seele ist weiß, ist unschuldig geworden, wenn sie sich zu der fünften Stufe hinaufentwickelt hat. [4]

In der atlantischen Zeit nimmt der Mensch das Göttliche wahr im Fest-Flüssigen, das heißt mehr in der äußeren physischen Materie, im vierten nachatlantischen, im griechisch-lateinischen Zeitraum, nimmt der Mensch das Geistige wahr in den wunderbaren Gebilden des Flüssig-Luftförmigen, und jetzt – also im fünften nachatlantischen Zeitraum, wo es die Bewußtseinsseele wahrnehmen wird – werden wir erleben, wie immer mehr und mehr im Bewußtsein auftauchen wird dasjenige, was luftförmig-feurig, was luftförmige Wärme ist; das wird vor dem Menschen in gewaltigen geistigen Bildern dasjenige aufsteigen lassen, was die Griechen seelisch erlebt haben und was die Bewohner der Atlantis physisch erlebt haben. Ein Zeitraum steht also in der Menschheitsentwickelung bevor, in dem mit der Klarheit der Gedanken Visionen über die Erdenvorzeiten und über die Herkunft des Menschen und alles, was damit zusammenhängt, auftauchen werden. Dieses Schauen ist dasjenige, wo wir, weil es uns so naheliegt, geradezu den Apokalyptiker im Herzen schauen.

Denn das Schauen, das unmittelbar bevorsteht, ist das, was er in dem Bilde andeutet: Das Weib, mit der Sonne bekleidet, den Drachen unter ihren Füßen, ein Knäblein gebärend Apk. 12, 1). [5] Die Priester, die in der Mitte der atlantischen Zeit die Geburt des Christus als männliches Wesen in der Sonne sahen, sie sahen vorher in der Sonne ein weibliches Wesen. Das ist der bedeutungsvolle Umschwung, der sich vollzog in der Mitte der atlantischen Zeit, daß man vor der Mitte der atlantischen Zeit innerhalb der geistigen Sonnenaura das kosmische Weib sah, «das Weib, mit der Sonne bekleidet». Dies ist wirklich dasjenige, was dazumal dem Geschehen im Überirdischen, im Himmel entsprach: «das Weib, mit der Sonne bekleidet, das dann ein Knäblein gebiert». Dieses Bild hat (dann) die mannigfaltigsten Formen angenommen: Isis mit dem Horuskind, die Christus-Gebärerin mit dem Christus-Kind; diese Dinge haben wunderbar tief gerade im griechisch-lateinischen Zeitalter (dessen Ende erst 1412 war) gelebt in vielen Metamorphosen, die noch traditionell erhalten sind. Heute, wo wir in bezug auf das seelische Erleben solche Zärtlinge geworden sind, können wir gar nicht ermessen, wie wogend und stürmend die Seelenerlebnisse der Menschen in früheren Zeiten waren. Denn gegenüber dieser Tatsache, daß dem Menschen das Ich aus dem Kosmos geschenkt wurde, empfand der Mensch dazumal auf der Erde so, daß alles das, was seine frühere Natur gewesen war, nun eine andere wird. Früher war er ja im wesentlichen auf seinen astralischen Leib angewiesen, auf dasjenige, was im Astralischen lag, und das wirkte in dem Seelisch-Geistigen so, daß der Mensch während dieser alten Zeit die Vorstellung hatte: Hier steht der Mensch, da oben ist die Sonne, das Ich ist noch nicht da, aber von der Sonne wirkt herunter das Astralische. Der Mensch trägt von der Sonne den astralischen Leib in sich, den astralischen Leib, der noch nicht durch das Ich beherrscht wird, der innerlich noch zwar verfeinerte, aber tierähnliche Emotionen trägt.– Jetzt ist er ein ganz anderer Mensch gewordenen, der Ich-Gewordene, der vorher nur von dem astralischen Leib durchsprudelt war. Das alles kam von der Sonne her. Im Sonnenwesen fühlte der Mensch den Ursprung dessen, was im eigenen astralischen Leib als Emotionen brodelte, aber auch alles dasjenige, was dem Menschen überhaupt sein seelisches und geistiges Wesen gab. Die nächste Phase, wie man die Sonne später gesehen hat: Deutlich sich herausschöpfend, das Antlitz klarer werdend, die Figur eines Weibes annehmend, noch undeutlich dasjenige, was dem Menschen bringen soll die Beherrschung durch das Ich. Immer kleiner wird der Raum, dasjenige, was sich da unten tierisch windet; endlich kommt die Zeit, wo eben das Weib da ist in der Sonne, das Knäblein gebiert, und unter den Füßen des Weibes nun dasjenige, was früher da (im Ganzen) war, also wo das Ichgebärende Weib von der Sonne aus das Bild zeigt, den Drachen zu beherrschen: die astralische Welt der früheren Epoche, die jetzt unter ihren Füßen ist. Da begann dazumal in der Sonne der Streit Michaels mit dem Drachen, und der führte dazu – das sah man durchaus in physischer Erscheinung –, daß alles dasjenige, was da in der Sonne war, sich langsam zur Erde hinbewegte und Erden-Ingredienz Erdeninhalt wurde, dadurch den Menschen nun in seinem Unbewußten beherrschend, während in sein Bewußtsein immer mehr einzog das Ich. [6] Dieses Bild wird immer schwächer und schwächer, je mehr die atlantische Entwickelung vorrückt. Und am Ende der atlantischen Entwickelung tritt ein, daß sich aus dem Meere erheben die neuen Kontinente, die Kontinente, welche die Kräfte enthalten, durch die die Menschen der nachatlantischen Zeit in ihre verschiedenen Verirrungen gekommen sind. Aus dem Meere steigt es auf, das Tier mit den sieben Köpfen (Apk. 13, 1) und siebenfaches Land steigt aus dem Meere empor, den Menschen hinunterziehend durch das, was aus seinen Emotionen geistig von der Erde ausdünstet. In der Form dieses aus dem Meere heraufsteigenden siebenköpfigen Tieres erscheint ja auch dem Apokalyptiker die atlantische Katastrophe, und es wird wieder erscheinen in der Zukunft, wenn dasjenige, worauf der Apokalyptiker hindeutet, in dem Michaelischen Zeitalter wieder eintritt. Es sind durchaus reale Vorgänge, von denen der Apokalyptiker spricht, die uns sehr angehen in bezug auf das geistige Leben der Menschheit. [7]

5. Siegelbild

Zitate:

[1]  GA 104, Seite 186   (Ausgabe 1979, 284 Seiten)
[2]  GA 104, Seite 188   (Ausgabe 1979, 284 Seiten)
[3]  GA 104, Seite 190   (Ausgabe 1979, 284 Seiten)
[4]  GA 104a, Seite 53   (Ausgabe 1991, 144 Seiten)
[5]  GA 346, Seite 172f   (Ausgabe 1995, 343 Seiten)
[6]  GA 346, Seite 175ff   (Ausgabe 1995, 343 Seiten)
[7]  GA 346, Seite 178f   (Ausgabe 1995, 343 Seiten)

Quellen:

GA 104:  Die Apokalypse des Johannes (1908)
GA 104a:  Aus der Bilderschrift der Apokalypse des Johannes (1907/1909)
GA 346:  Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, V. Apokalypse und Priesterwirken (1924)