Apokalypse des Johannes
► Krieg aller gegen alle

Der große Krieg aller gegen alle wird aber etwas viel Schlimmeres sein als der heutige Krieg mit den Waffen. Der Krieg der Seelen wird es sein, der Seelen, die sich nicht mehr verstehen, der Krieg der Klassen, der Stände. Diese Zukunftskatastrophe ist schwer zu verstehen für ein heutiges Bewußtsein. Heute liegen diese Dinge (des Mißbrauchs der Wachstumskräfte) nicht so offen zutage; heute bewirkt das Element des Selbstgefühls, der sich überschlagenden Ichheit im Menschen, die Ausdörrung, die Verödung derjenigen Erdgegenden, die diesen Egoismus aufs höchste getrieben haben. Wahr ist es durchaus daß auf der Erdoberfläche dieser Krieg aller gegen alle sich vorbereitet, indem ein Zusammenhang besteht zwischen der egoistischen Vertrocknung der Seelenkräfte und der Erstarrung der produktiven Erdkräfte. [1] Die Katastrophe, die uns trennt von der nächsten großen Periode, die kommen wird – nach der fünften die sechste und siebente Periode –, die wird dann nicht bloß ein so äußerliches Naturereignis sein, wie die Eiszeit eines war und wie alles das war, was durch die Erzählungen von der Sintflut angedeutet ist, sondern es wird sich die Scheidung der fünften von der sechsten Periode mehr zeigen auf dem moralischen Felde. Ein Krieg aller gegen alle, auf den ich schon öfter hingedeutet habe, wird als eine moralische Katastrophe die fünfte von der sechsten großen Erdperiode trennen, allerdings verbunden mit Naturereignisse aber die Naturereignisse werden mehr zurücktreten. Die fünfte Kulturperiode wurde eingeleitet von dem, was vom Mars kommt durch Samael, den Streitgeist, indem Streitelemente aus der geistigen Welt heruntergeholt wurden. Und im Beginne des Bewußtseinsseelenzeitalters sehen wir auch in unserem kleineren Zyklus, wie unser fünftes Zeitalter in sich etwas enthält von der Vorbedeutung, der prophetischen Vorbedeutung dessen, womit, das große Zeitalter abschließen wird, nachdem auf den fünften der sechste und siebente Kulturzeitraum gefolgt sein werden. [2] Die Menschenseelen finden sich von Epoche zu Epoche immer wieder in anderen Leibern, und dadurch, daß diese Seelen einst sehen werden den Streit, der zwischen den menschlichen Seelen herrschen wird, die in die letzte nachatlantische Zeit hineingeboren sein werden, dadurch wird das für sie eine Lehre sein zur Befreiung vom Egoismus. So werden sie hinüberwachsen in eine Zeit, wo sie die Früchte der Ichheit haben werden, aber ohne ihre Schäden. Und dann wird eine Zeit kommen, die gleichsam ähnlich sein wird den alten hellsehenden Zuständen der Atlantis, aber mit freiem Selbstbewußtsein. Der Mensch hat dann in diesen sieben Kulturen der nachatlantischen Zeit gelernt, was er in der physischen Welt erobern kann; nur im physischen Leibe kann dieses Selbstgefühl erwachen, aber niederzwingen muß der Mensch wieder den physischen Leib. Nach dem Kriege aller gegen alle wird der Mensch angelangt sein auf einer Stufe in einer solchen Leiblichkeit, wo er nicht mehr Sklave, sondern wo er Herr sein wird seines physischen Leibes. [3]

Alles, was den Menschen streben läßt, sein Ich zu verlieren, mit ihm aufzugehen in ein Allbewußtsein, ist ein Erzeugnis der Schwäche. Das ist gerade die Erdenmission, die sich durch die Liebe ausdrückt, daß das Ich dem Ich frei gegenüberstehen lernt. Keine Liebe ist vollkommen, die hervorgeht aus Zwang, aus dem Zusammengekettetsein. Einzig und allein dann, wenn jedes Ich so frei und selbständig ist, daß es auch nicht lieben kann, ist seine Liebe eine völlig freie Gabe. So wird das Ich das Unterpfand sein des höchsten Zieles des Menschen. So ist es aber zu gleicher Zeit, wenn es nicht die Liebe findet, wenn es sich in sich verhärtet, der Verführer, der ihn in den Abgrund stürzt. Dann ist es dasjenige, was die Menschen voneinander trennt, was sie aufruft zum großen Kriege aller gegen alle, nicht nur zum Kriege der Völker gegen die Völker – denn der Volksbegriff wird dann gar nicht mehr die Bedeutung haben, die er heute hat –, sondern zum Kriege des einzelnen gegen den einzelnen auf den mannigfaltigsten Gebieten des Lebens, zum Krieg der Stände gegen die Stände, der Kasten gegen die Kasten, der Geschlechter gegen die Geschlechter. Auf allen Gebieten des Lebens wird also das Ich zum Zankapfel werden, und daher dürfen wir sagen, daß das Ich auf der einen Seite zum Höchsten und auf der anderen zum Tiefsten führen kann. Deshalb ist es scharfes zweischneidiges Schwert. Und derjenige, der da den Menschen gebracht hat das volle Ich-Bewußtsein, der Christus Jesus, er wird symbolisch in der Apokalypse mit Recht dargestellt als derjenige, der das scharfe zweischneidige Schwert im Munde hat (siehe unten: erstes Siegelbild). [4] Was eintreten wird nach dem Krieg aller gegen alle, bereitet sich jetzt schon vor. Die Menschen, die berufen sind hinüberzutragen über den Krieg aller gegen alle die Entwickelung für die Zukunft, werden jetzt schon vorbereitet durch die theosophische Weisheitslehre. Immer mehr wird die spirituelle Weisheitsströmung sich geltend machen in umfassender Weise. [5] Sehen wir uns den Menschen an nach dem Kriege aller gegen alle. Wir können ihn uns denken als einen Menschen mit strahlenden guten Zügen und edlem, wohlwollendem Ausdruck. Das wird solchen zuteil werden, die zur rechten Zeit die spirituellen Impulse aufgenommen haben. Alle moralischen, intellektuellen und spirituellen Kräfte werden in Zukunft uns im Äußeren des Menschen sichtbar entgegentreten. Das, was heute aufgenommen wird, ist in den Seelen versiegelt; das wird aber im siebenten Zeitraum, nach dem Krieg aller gegen alle, entsiegelt werden. [6]

Zitate:

[1]  GA 104a, Seite 78f   (Ausgabe 1991, 144 Seiten)
[2]  GA 346, Seite 94   (Ausgabe 1995, 343 Seiten)
[3]  GA 104a, Seite 79   (Ausgabe 1991, 144 Seiten)
[4]  GA 104, Seite 157f   (Ausgabe 1979, 284 Seiten)
[5]  GA 104a, Seite 106   (Ausgabe 1991, 144 Seiten)
[6]  GA 104a, Seite 109   (Ausgabe 1991, 144 Seiten)

Quellen:

GA 104:  Die Apokalypse des Johannes (1908)
GA 104a:  Aus der Bilderschrift der Apokalypse des Johannes (1907/1909)
GA 346:  Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, V. Apokalypse und Priesterwirken (1924)