Mechthild von Magdeburg

Derjenige, der richtig zu lesen versteht, er wird gerade bei einer Mechthild von Magdeburg zum Beispiel oder bei einer heiligen Therese ganz deutlich sehen: Die gehen diesen Weg nach innen, aber sie kommen durch Riechen, Schmecken und Tasten nicht hindurch. Sie beschreiben zwar in schönen poetischen Bildern, aber doch nur dasjenige, was da heißt, man beriecht sich innerlich, man erschmeckt sich innerlich, man ertastet sich innerlich. [1]

Die schöne Poesie der Mechthild von Magdeburg oder der heiligen Therese (von Avila) die Abbilder sind, also die Inspirationsreflexe sind von demjenigen, was Prozesse sind, die durch zurückgehaltene Sexualität entstehen. Natürlich ist es den Leuten dann nicht angenehm, wenn man ihnen eine Mechthild von Magdeburg oder eine heilige Therese schildert: Ja, das sind eben Persönlichkeiten mit einer starken Sexualität, die sie aber gerade deshalb, weil sie ihnen zu stark wurde, zurückgehalten haben; dadurch entstehen gewisse Stoffwechsel-Zirkulations-prozesse, auf diese hin finden Reaktionen statt, die so auftreten, daß sie dann fixiert werden in sehr schönen Dichtungen. Ja, das Phänomen, in einem höheren Sinne betrachtet, führt außerordentlich tief hinein in die Geheimnisse des Daseins. Aber man muß sich eben hinaufschwingen können zu einer solchen Auffassung. [2]

Zitate:

[1]  GA 322, Seite 120   (Ausgabe 1969, 140 Seiten)
[2]  GA 315, Seite 94   (Ausgabe 1966, 140 Seiten)

Quellen:

GA 315:  Heileurythmie (1921/1922)
GA 322:  Grenzen der Naturerkenntnis (1920)