Wenn Sie die Naturforscher der älteren Zeit, wie Paracelsus, betrachten, dann werden Sie sehen, daß diesen ein Begriff fehlt; die menschliche Kulturentwickelung hatte damals den Begriff noch nicht hervorgetrieben, der heute unsere Weltanschauung beherrscht: den Begriff des Mechanismus. Der Begriff des Mechanismus ist der, welcher am spätesten erfaßt ist. Was Maschine ist, das hat der Mensch am spätesten erfaßt. Erst nach Giordano Bruno und Paracelsus fängt das wissenschaftliche Denken an, den Begriff der Maschine auszubilden, den Begriff des Mechanischen. Wir sehen, wie im Laufe der Zeiten die menschliche Verstandes-entwickelung nacheinander die Begriffe: Geist, Seele, Leben, Mechanismus gefaßt hat. Nun folgt in unserer Rassenentwickelung (in der Anwendung) das Umgekehrte. Nachdem die menschliche Entwickelung die Begriffe gefaßt hatte, wendete sie sie an auf die äußeren Dinge selbst, und die erste Epoche in dieser Beziehung ist die Anwendung des Begriffes der Maschine auf die umliegende Wirklichkeit. Man will nicht nur die Maschine begreifen, sondern man wendet den Begriff der Maschine auch an auf das Einzelwesen. Der Philosoph Descartes wendet den Begriff des Mechanismus auf die Tierwelt an. Er unterscheidet nicht zwischen dem Tier und leblosen Dingen, sondern er betrachtet die ganze Tier- und Pflanzenwelt als Wesen, die Automaten gleich sind, als vollständig in reiner mechanischer Tätigkeit aufgehende Wesen. Das kommt von nichts anderem, als weil die Menschheit so weit gekommen war, den Begriff des Mechanischen zu erfassen, aber noch nicht verstand, den Begriff der Seele und des Geistes auf das einzelne Wesen anzuwenden, sondern lediglich den Begriff des Mechanischen auf die Natur anzuwenden verstand. Das war die Epoche des mechanischen Verstehens der Welt und die Epoche des Nichterkennens alles Höheren der Welt zu gleicher Zeit. Diese Epoche dehnt sich bis in unsere Zeit hinein aus. [1]
Man spricht davon, daß mit der Überwindung des philosophischen Zeitalters das naturwissenschaftliche in der Mitte des 19. Jahrhunderts heraufgezogen ist. Und man spricht auch so, daß dieses naturwissenschaftliche Zeitalter heute noch andauert, indem zugleich viele betonen, man habe sich zu gewissen philosophischen Intentionen wieder zurückgefunden. Das alles entspricht (nur) den Erkenntniswegen, die die neuere Zeit eingeschlagen hat, nicht aber den Lebenswegen. Mit seinen Vorstellungen lebt der Mensch noch in der Natur, wenn er auch das mechanische Denken in die Naturauffassung hineinträgt. Mit seinem Willensleben aber lebt er in so weitem Umfange in einer Mechanik des technischen Geschehens, daß dies dem naturwissenschaftlichen Zeitalter seit lange eine ganz neue Nuance gegeben hat.
Der Mensch verbindet sich mit gewissen Erdenkräften, indem er seinen Organismus in diese Kräfte hineinorientiert. Er lernt aufrecht stehen und gehen, er lernt mit seinen Armen und Händen sich in das Gleichgewicht der irdischen Kräfte hineinstellen. Nun sind diese Kräfte keine solchen, die vom Kosmos hereinwirken, sondern die bloß irdisch sind. In Wirklichkeit ist nichts eine Abstraktion, das der Mensch erlebt. Er durchschaut nur nicht, woher das Erlebnis kommt, und so bildet er aus Ideen über Wirklichkeiten Abstraktionen. Der Mensch redet von der mechanischen Gesetzmäßigkeit. Er glaubt, sie aus den Naturzusammenhängen heraus abstrahiert zu haben. Das ist aber nicht der Fall, sondern alles, was der Mensch an rein mechanischen Gesetzen in der Seele erlebt, ist an seinem Orientierungsverhältnis zur Erdenwelt – an seinem Stehen, Gehen und so weiter – innerlich erfahren. Damit aber kennzeichnet sich das Mechanische als das rein Irdische. Denn das Naturgesetzmäßige, in Farbe, Ton und so weiter ist im Irdischen aus dem Kosmos zugeflossen. Erst im Erdenbereich wird auch dem Naturgesetzmäßigen das Mechanische eingepflanzt, wie ihm der Mensch mit seinem eigenen Erleben erst im Erdenbereich gegenübersteht. Das weitaus meiste dessen, was heute durch die Technik in der Kultur wirkt und in das er mit seinem Leben im höchsten Grade versponnen ist, das ist nicht Natur, sondern Unter-Natur. Es ist eine Welt, die sich nach unten von der Natur emanzipiert. [2] Der Mensch muß die Stärke, die innere Erkenntniskraft finden, um von Ahriman in der technischen Kultur nicht überwältigt zu werden. Sie kann es nur, wenn der Mensch in der geistigen Erkenntnis mindestens gerade so weit hinaufsteigt zur außerirdischen Über-Natur, wie er in der Technik in die Unter-Natur heruntergestiegen ist. [3]
Wir alle stehen mitten darin im mechanischen Zeitalter, das uns die Eisenbahnen, Schiffe, Telegrafen und sonstigen Erfindungen gegeben hat. Was heißt zum Beispiel, in einer elektrischen Bahn zu fahren? Es heißt man ist umgeben von einer rein mechanischen Zusammenfügung. Das erzeugt eine Imagination, doch kann sie unbewußt bleiben; aber die ist da und wirkt in der Seele und ist geeignet, den Glauben an das Leben der Seele nach dem Tode uns zu rauben. Dieses Leben wird da mit den Wurzeln ausgerissen. [4]
Die Erde wird im wesentlichen dadurch zerstört werden, daß die Menschen den Tod mit ihren mechanischen Künsten in die Erde in einem so starken Maß hineintragen. Sie wird nicht mehr leben können, weil der Tod dasjenige überwiegt, was hinübergerettet werden kann über den Untergang der physischen Erde in die Jupiterwelt. Aber aus dem, was Menschen geschaffen haben, indem sie den Tod mit dem Leben verwoben haben, werden sie seelischen Inhalt wiederum erhalten haben, den sie nun hinübertragen in die Jupiterwelt. [5] (Siehe auch: Jupiterdasein).
[1] | GA 53, Seite 101f | (Ausgabe 1981, 508 Seiten) |
[2] | GA 26, Seite 255f | (Ausgabe 1976, 270 Seiten) |
[3] | GA 26, Seite 257 | (Ausgabe 1976, 270 Seiten) |
[4] | GA 150, Seite 53 | (Ausgabe 1980, 146 Seiten) |
[5] | GA 179, Seite 45 | (Ausgabe 1977, 164 Seiten) |
GA 26: | Anthroposophische Leitsätze. Der Erkenntnisweg der Anthroposophie – Das Michael-Mysterium (1924/1925) |
GA 53: | Ursprung und Ziel des Menschen. Grundbegriffe der Geisteswissenschaft (1904/1905) |
GA 150: | Die Welt des Geistes und ihr Hereinragen in das physische Dasein. Das Einwirken der Toten in die Welt der Lebenden (1913) |
GA 179: | Geschichtliche Notwendigkeit und Freiheit. Schicksalseinwirkungen aus der Welt der Toten (1917) |