Bei einer gar nicht sehr weitgehenden Trainierung können Sie schon bemerken, wie gewisse Gedanken auf den ganzen Organismus zurückstrahlen in der Erinnerung. Da sind die verschiedensten Organe beteiligt. Wenn es sich zum Beispiel handelt um die Erinnerung, sagen wir sehr abstrakter Gedanken, da ist außerordentlich stark beteiligt daran die Lunge, die Lungenoberfläche. Wenn es sich mehr um gefühlsgefärbte Gedanken handelt, da ist sehr stark die Leberoberfläche daran beteiligt. So daß wir wirklich im einzelnen gut beschreiben können, wie die einzelnen Organe des Menschen beteiligt sind an dieser Rückstrahlung, die dann als Gedächtnis, als Erinnerungsvermögen auftritt. Wir dürfen nicht, wenn wir das Seelische ins Auge fassen, sagen: Im Nervensystem allein liegt der Parallelorganismus für das seelische Leben; im ganzen menschlichen Organismus liegt diese Parallelorganisation für das menschliche Seelenleben. Es schlägt gewissermaßen überall das, was wir erleben, an die Oberfläche, wird reflektiert, und das führt zu den Erinnerungen. Aber es geht auch etwas hinein, in den Organismus. Im gewöhnlichen Leben setzt sich das um, macht eine Metamorphose durch, so daß das Organ eine Absonderung hat. Aber nicht alles wird in dieser Weise in organischen Stoffwechsel und dergleichen umgesetzt, sondern die Organe nehmen in sich etwas auf, was in ihnen dann latent wird, eine innere Kraft bildet. So zum Beispiel alle Gedanken, die wir aufnehmen von der Art, daß sie, ich will sagen, mehr an die Anschauung der Außenwelt anknüpfen, daß wir uns durch diese Gedanken Bilder der äußeren Gegenstände bilden: die Kräfte, die in diesen Gedanken entwickelt werden, werden gewissermaßen in der Lunge, im Inneren der Lunge aufgespeichert. Und nun wissen Sie, daß das Innere der Lunge ja in Regsamkeit kommt durch den Stoffwechsel, durch die Gliedmaßenbewegung, und da bilden sich diese Kräfte so um, daß während des Lebens zwischen Geburt und Tod unsere Lunge gewissermaßen ein Reservoir von Kräften ist, in das der Stoffwechsel-Gliedmaßenorganismus fortwährend hineinspielt. [1] Wenn wir sterben, so sind ja solche Kräfte aufgespeichert. Selbstverständlich, der physische Stoff fällt ab, aber diese Kräfte, die gehen nicht verloren, die gehen mit uns durch den Tod und durch das ganze Leben zwischen Tod und einer neuen Geburt hindurch. Und wenn wir in eine neue Inkarnation eintreten, so sind es vorzugsweise diese Kräfte, die in der Lunge waren, welche unser Haupt äußerlich formieren, welche äußerlich uns die Physiognomie unseres Hauptes aufdrücken. Was der Phrenologe studieren will an der äußeren Hauptesform, das müßte man vorgebildet suchen im Inneren der Lunge der vorigen Inkarnation.
Wenn man nun dieses in der Lunge Aufgespeicherte nicht in der richtigen Weise beherrscht, dann wird es so ausgepreßt wie ein Schwamm und dann entstehen aus dem, was eigentlich erst in der nächsten Inkarnation kopfformend herauskommen sollte, vorzugsweise solche abnormen Erscheinungen, die man gewöhnlich als Zwangsgedanken bezeichnet oder auch in irgendwelcher Weise als Illusionen. Es ist ein interessantes Kapitel einer höheren Physiologie, bei Lungenkranken zu studieren, welche merkwürdigen Vorstellungen da auftreten im Hochstadium der Lungenkrankheiten. Die Gedanken, die da herausgepreßt werden, sind deshalb Zwangsgedanken, weil sie schon die formende Kraft in sich haben. [2]
[1] | GA 205, Seite 100ff | (Ausgabe 1967, 247 Seiten) |
[2] | GA 205, Seite 102f | (Ausgabe 1967, 247 Seiten) |
GA 205: | Menschenwerden, Weltenseele und Weltengeist – Erster Teil:. Der Mensch als leiblich-seelische Wesenheit in seinem Verhältnis zur Welt (1921) |