Lamm mystisches

Das Ich tritt heraus aus dem physischen und dem Ätherleib (im Schlafe), gestaltet sich in Gemäßheit der Kräfte der universellen Geistwesenheiten. Es wird so, wie es werden kann nach dem, wie es im physischen Leibe lebt. Würde es erwachen zum Bewußtsein des Geistesmenschen, Atma, dann würde es nicht bloß zu sich sprechen, wie der astralische Leib zu sich sprechen würde, wenn er plötzlich mit dem Bewußtsein des Lebensgeistes, Buddhi ausgestattet würde, sondern würde das Ich mit dem Bewußtsein ausgestattet, das in dem zurückgebliebenen physischen Leib wirkt, das die Kräfte von oben nach unten sendet in dem zurückgebliebenen physischen Leib, würde der Mensch also mit diesem Bewußtsein ausgestattet in seinem Ich, wenn es im schlafenden Zustand herausgetreten ist, dann würde der Mensch nicht nur eine Summe von Richtersprüchen über sich erleben, sondern dann schaut er, was er als Bild jetzt wird und was dann als Keim wirkt für seine folgenden Erdenleben. Ich finde für diese Tatsache keinen anderen Ausdruck, wenn ich sie in einen Satz prägen will, als daß ich sage: Das Ich wird das Opfer seiner selbst, das Opfer des im Leibe wirkenden Geistes. Und mir scheint, daß diese zwei Sätze: Schlafend wird der astralische Mensch der Richter seiner Seele –, und: Das Ich wird das Opfer seiner selbst –, daß diese zwei Sätze außerordentlich wichtig sind für das vollständige Verständnis der menschlichen Wesenheit. [1] Wir finden, wie treffend durch das Bild des Lammes diese Opfernatur des Menschen während des Schlafes ausgedrückt wird. [2]

Diejenigen Geheimnisse, welche Wesenheiten haben und beherzigen müssen, um die Früchte der Liebe, der Erdenerfahrung zu zeitigen, waren diesen Geistern der Umlaufszeiten verborgen. Deshalb heißt es in der Schrift: «Sie verhüllten ihr Antlitz vor dem mystischen Lamm!» Denn das «mystische Lamm» ist der Sonnengeist, der das Geheimnis hat, nicht nur die Geister hinwegzuheben von der Erde, sondern die Leiber von der Erde zu erlösen, sie zu vergeistigen, nachdem sie durch viele Inkarnationen hindurchgegangen sind. Der Besitzer des Liebesgeheimnisses, das ist der Sonnengeist, den wir den Christus nennen; und weil er nicht nur ein Interesse hat an der Individualität, sondern unmittelbar an jeder einzelnen Persönlichkeit der Erde, nennen wir ihn deshalb das «große Opfer der Erde» oder das «mystische Lamm». [3]

Nun gibt es Wesenheiten, deren unterstes Glied der Ätherleib ist; das sind auch siebengliedrige Wesenheiten, die dann über dem Geistesmenschen, Atma noch ein achtes Glied haben (siehe: Angeloi). Es gibt Wesenheiten, deren unterstes Glied das Ich ist, die also in unserem Sinne einen physischen Leib, Ätherleib und Astralleib nicht haben, sondern die sich so offenbaren, daß das Ich nach außen drängt, ohne die drei Hüllen, Wesenheiten also, die nach außen überall Iche hinschicken. Die haben dafür noch ein achtes, neuntes und zehntes Glied; die sind in der Apokalypse beschrieben als «Wesenheiten ganz voller Augen». Dann gibt es Wesenheiten, die mit dem Geistselbst, mit Manas, als unterstem Glied anfangen. Die haben noch ein elftes Glied. Und endlich gibt es Wesenheiten, die mit dem Lebensgeist anfangen, die haben dann noch ein zwölftes Glied. Es gibt also Wesenheiten, die, so wie der Mensch als unterstes Glied einen physischen Leib hat, als unterstes Glied die Buddhi haben, und die dafür ein höchstes Glied haben, das wir am besten mit der Zahl Zwölf bezeichnen. Das sind hohe erhabene Wesenheiten, die weit hinaufragen über alles, was der Mensch sich nur vorstellen kann.

Widder 12. Glied
Stier 11. Glied
Zwillinge 10. Glied
Krebs 9. Glied
Löwe 8. Glied
7. Atma Jungfrau 7. Glied
6. Buddhi Waage 6. Glied
5. Manas Skorpion
4. Ich Schütze
3. Astralleib Steinbock
2. Ätherleib Wassermann
1. Physischer Leib Fische

Diese Wesenheiten sind in bezug auf ihr Leben nicht darauf angewiesen, von außen zu empfangen, sondern sie sind Kraftzentren, nach außen gebend, schöpferisch. Das zwölfte Glied bei diesen Wesenheiten ist auch ein Ätherleib, aber ein Ätherleib, der Leben ausströmt, der so wirkt in der Welt, daß er das Leben nicht empfängt, sondern hingibt, es fortdauernd zu opfern in der Lage ist. [4]

Es sind zum Tierkreis aufsteigende, vom Tierkreis absteigende Kräfte vorhanden. Wodurch ist der Mensch überhaupt in die Lage gekommen, daß von ihm irgend etwas aufströmen kann aus seinem Wesen heraus? Er ist dadurch in diese Lage gekommen, daß erst lange vorbereitet worden ist und dann immer weiter und weitergeschritten ist – sein Ich. Dieses Ich ist lange, lange vorbereitet worden. Denn im Grunde genommen ist alles Dasein auf dem Saturnzustand der Erde, auf dem Sonnenzustand und auf dem Mondenzustand, welches die Hüllen geschaffen hatte, die das Ich aufnehmen sollten, Vorbereitung für das Ich. Da haben andere Wesenheiten die Wohnung geschaffen für das Ich. Jetzt auf der Erde ist die Wohnung so weit geschaffen, daß das Ich im Menschen Platz greifen konnte, und von da an fing das Ich im Menschen an, die äußeren leiblichen Hüllen von innen heraus zu bearbeiten. Als das Ich im Menschen einschlug, waren die Kräfte soweit, daß die aufsteigenden und die absteigenden sich die Waage hielten, und am Menschen liegt es, diese Waage in der richtigen Weise zum Ausschlag zu bringen. – Es haben daher die Okkultisten dasjenige Sternbild, das betreten wurde in dem Moment, wo es anfing an das Ich heranzugehen, die «Waage» genannt. Bis zum Ende der «Jungfrau» wurden die Taten des Ich in unserer planetarischen Entwickelung zwar vorbereitet, aber es kam nicht bis zum Ich. Nun hatte das Ich mit dem Moment der Waage begonnen, selbst seinen Anteil zu nehmen, so daß das Ich einen wichtigen Moment seiner Entwickelung dadurch zustande gebracht hat. Nichts geschieht im Innersten des Ich, was nicht seine Folgen bis hinauf in den Tierkreis zieht. Und indem der Mensch mit seinem Ich als Mensch eigentlich die Anlage legt, um sich bis zu seinem Atma zu entwickeln, bildet er immer mehr und mehr die Kräfte aus, welche ihn instand setzen, in die Waage des Tierkreises hinaufzuwirken. Er wird seine volle Macht über diese Waage des Tierkreises erlangen, wenn er sein Ich durchgedrückt hat bis zum Atma oder Geistesmenschen. Da wird er ein Wesen sein, das etwas ausströmt, das aus dem Stadium der Zeit in das Stadium der Dauer, der Ewigkeit, übergeht. [5] Indem der Mensch so seinen Weg geht, gibt es aber andere Wesenheiten, bei denen das, was beim Menschen sozusagen höchste Wirkung ist, niederste Wirkung ist. Suchen wir jetzt diese Wesen, bei denen das Niederste ebensolche Wirkung ist wie beim Menschen die Waage im Tierkreis. Wenn wir uns den Menschen im Tierkreis aufschreiben, so haben wir ihn bis zur Waage reichend. Die Wesenheit, die mit ihrem eigentlichen Wesen ganz dem Tierkreis angehört, deren Kräfte ganz dem Tierkreis angehören und die sich im Planetenleben nur in ihrem niedersten Glied äußert, das mit der Waage bezeichnet ist – wie beim Menschen das niederste Glied mit den Fischen bezeichnet ist –, das ist diejenige Wesenheit, welche Leben verbreitet über unser ganzes Weltenall: das mystische Lamm. Wie der Mensch das Leben aufnimmt, strahlt diese Wesenheit Leben über das ganze Weltenall aus. Das ist diejenige Wesenheit, die das große Opfer zu bringen vermag, und die im Tierkreis eingeschrieben ist als die sich für unsere Welt opfernde Wesenheit. Wie der Mensch aufstrebt in den Tierkreis hinein, so sendet uns diese Wesenheit aus dem Widder, der ihr angehört wie dem Menschen die Waage, seine Opfergabe dar. Und wie der Mensch sein Ich hinaufwendet zur Waage, so strömt diese Wesenheit ihr Wesen über unsere Sphäre als Opfer. Man bezeichnet diese Wesenheit daher als das sich opfernde «mystische Lamm», denn Lamm ist dasselbe wie Widder; daher die Bezeichnung des sich opfernden Lammes oder Widders für Christus. Er steht seiner ganzen Wesenheit nach in der Sonne und ist in seinen Schöpfungen mit dem Mond und der Erde verbunden und seine Kraft liegt im Sternbild des Lammes, des Widders. Aus dem Himmel selbst ist die Bezeichnung des «Opferlammes» oder des «mystischen Lammes» herabgeholt. [6]

Zitate:

[1]  GA 208, Seite 205f   (Ausgabe 1981, 220 Seiten)
[2]  GA 208, Seite 208   (Ausgabe 1981, 220 Seiten)
[3]  GA 102, Seite 107f   (Ausgabe 1974, 238 Seiten)
[4]  GA 102, Seite 38ff   (Ausgabe 1974, 238 Seiten)
[5]  GA 102, Seite 40f   (Ausgabe 1974, 238 Seiten)
[6]  GA 102, Seite 41ff   (Ausgabe 1974, 238 Seiten)

Quellen:

GA 102:  Das Hereinwirken geistiger Wesenheiten in den Menschen (1908)
GA 208:  Anthroposophie als Kosmosophie – Zweiter Teil:. Die Gestaltung des Menschen als Ergebnis kosmischer Wirkungen (1921)