Kepler

Kepler hatte in seiner ägyptischen Inkarnation den Blick hinaufgelenkt zum Sternenhimmel; und was diese Individualität dort sah, das prägte sie aus in den großen spirituellen Wahrheiten der ägyptischen Astrologie. Bei ihrer Wiederverkörperung in dem Zeitalter, dem der Beruf des Materialismus zufiel, prägte dieselbe Individualität diese Tatsachen – unserem Zeitalter entsprechend – in den drei materialistisch gefärbten Keplerschen Gesetze aus. [1]

Das kopernikanische Weltsystem ist entstanden als eine Erinnerungs-anschauung an die geistigen Erlebnisse im alten Ägypten. Ebenso steht es mit dem Weltsystem Keplers. Diese Menschen haben aus ihren Erinnerungen diese großen Gesetze wiedergeboren aus dem, was sie in der ägyptischen Zeit erlebt hatten. Und nun denken wir daran, wie so etwas in der Seele als eine leise Erinnerung auflebt. Es ist so, wie wenn er das in neuer Gestalt nun wiederbringt, wenn ein solcher Geist sagt: «Nunmehr aber, nachdem mir seit anderthalb Jahren das erste Morgenrot, seit einigen Monaten der volle Tag, seit wenigen Tagen endlich die reine Sonne der wundervollsten Betrachtungen aufgegangen, hält mich nichts mehr zurück; ich will schwärmen in heiliger Glut; ich will die einfachen Menschenkinder höhnen mit dem einfachen Geständnis, daß ich die goldenen Gefäße der Ägypter entwende, um meinem Gott ein Gezelt daraus zu bauen, weit entfernt von Ägyptens Grenzen.» Diesen Auspruch hat Kepler getan, in der Weltharmonik (S. 280). Bei ihm finden wir auch den Ausspruch: «Es pocht die alte Erinnerung an mein Herz.» [2] Mit (bloßer) Intellektualität gingen die Menschen wie Kopernikus, Galilei, Kepler heran – Kepler hatte allerdings noch einige Intuitionen – und versuchten dasjenige anzuwenden, dessen spiritueller Ursprung verlorengegangen war, sie versuchten es anzuwenden auf die äußere natürliche Welt. [3] Kepler war sich klar, daß das, was er den Planetenbewegungen als «Gesetze» zuschrieb, ihm nur dadurch eingegeben werden konnten, daß die Gesetze die Gedanken göttlich-geistiger Wesenheiten seien (die drei Gesetze stehen auch bezeichnenderweise in dem Werk über Weltharmonik). [4] Er entnahm (zwar) die Gedanken der äußeren Beobachtung (anderer, denn er hatte ein außerordentlich schlechtes Sehvermögen), hatte aber in seinem inneren Erleben durchaus noch das Gefühl, daß göttliche Wesen dabei sind, wenn der Mensch aus der Natur heraus die Gedanken empfängt. Kepler fühlte sich ja im Grunde genommen wie ein halber Eingeweihter, und wie etwas Selbstverständliches wurde der in Abstraktion von ihm erfaßte Bau des Weltengebäudes von ihm künstlerisch durchempfunden. Es ist wissenschaftlich außerordentlich wertvoll, sich in den durch Kepler bewirkten Fortschritt der menschlichen Gedankenwelt zu vertiefen. Menschlich stärker wird man jedoch ergriffen, wenn man sich in Keplers Seelenleben vertieft. Ein solches Seelenleben war eigentlich in der späteren Zeit in dieser Intensität und Innerlichkeit bei keinem Naturforscher mehr vorhanden, vor allem bei keinem maßgebenden Lehrer des größeren Teils der Menschheit. In der Zeit zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert ging eben das Gefühl ganz verloren, daß in der menschlichen Seele durch den Gedanken eine Verbindung mit dem Göttlich-Geistigen gegeben ist. [5] (Siehe auch: Astronomie).

Zitate:

[1]  GA 120, Seite 166f   (Ausgabe 1975, 230 Seiten)
[2]  GA 106, Seite 170   (Ausgabe 1978, 180 Seiten)
[3]  GA 206, Seite 31f   (Ausgabe 1967, 208 Seiten)
[4]  GA 62, Seite 87   (Ausgabe 1960, 499 Seiten)
[5]  GA 217, Seite 120   (Ausgabe 1988, 206 Seiten)

Quellen:

GA 62:  Ergebnisse der Geistesforschung (1912/1913)
GA 106:  Ägyptische Mythen und Mysterien. im Verhältnis zu den wirkenden Geisteskräften der Gegenwart (1908)
GA 120:  Die Offenbarungen des Karma (1910)
GA 206:  Menschenwerden, Weltenseele und Weltengeist – Zweiter Teil:. Der Mensch als geistiges Wesen im historischen Werdegang (1921)
GA 217:  Geistige Wirkenskräfte im Zusammenleben von alter und junger Generation. Pädagogischer Jugendkurs (1922)