Kehlkopf

Kehlkopf, SeitenansichtKehlkopf, Vorderansicht

(Abbildung: Kehlkopf, Seiten- und Vorderansicht mit Schilddrüse (schraffiert))

Nehmen wir zum Beispiel an, man richtet als solch ergebener Mensch (als Meditant), der sich dann weiter erzieht, den Sinn auf den menschlichen Kehlkopf in irgendeiner Weise, dann erscheint einem der menschliche Kehlkopf in einer merkwürdigen Weise, wie ein Organ, das ganz im Anfang des Werdens ist, das eine große Zukunft vor sich hat, und man empfindet es unmittelbar durch das, was der Kehlkopf selber als seine Wahrheit ausspricht, daß er wie ein Same ist. Und es muß einmal – das weiß man unmittelbar durch das, was der Kehlkopf ausspricht – für die Menschheitsentwickelung etwas kommen, wo der Kehlkopf ganz umgestaltet ist, wo er so sein wird, daß, während der Mensch jetzt durch den Kehlkopf nur das Wort aus sich hervorbringt, er einmal den Menschen gebären wird. Das Organ, das künftig sich dazu entfalten wird, den ganzen Menschen hervorzubringen, wenn er vergeistigt sein wird. [1] Am Anfang der Entwickelung stehen der Kehlkopf und das Herz des Menschen. Das Herz bereitet sich vor, ein willkürlicher Muskel zu werden. Ein willkürlicher Muskel hat quergestreifte Muskelfasern. Das Herz hat solche quergestreifte Fasern, obwohl es heute noch nicht willkürlich ist. Es ist aber auf dem Wege dazu, ein willkürlicher Muskel zu werden. Auch der Kehlkopf wird in der Zukunft eine andere Funktion haben. Der Kehlkopf, der heute Worte der Seele hervorbringt, wird später die Fortpflanzung auf sich nehmen. Das Feuerprinzip ist die Rede, und das Feuerprinzip der Rede wird ein schöpferisches Prinzip sein; daher das Schwert im Munde (in der Vision des Apokalyptikers). [2]

1. Siegelbild

Der Kehlkopf ist ein Organ, welches Geistwirkungen zum Ausdruck bringt, aber nicht individuelle Geistwirkungen. Und es zeigt sich nun für den Geistesforscher, daß der Kehlkopf eben erst ein solches Organ ist, durch das der Mensch sich gleichsam einer Gruppenseele einordnet, einer Gruppenseele, die er noch nicht bis zum Individuellen herunter tragen kann; daß dieser Kehlkopf aber auf dem Wege ist, individuelle Wirkungen des Menschen aufzunehmen. Der Mensch wird seinen Kehlkopf nämlich so umarbeiten, daß er ganz Individuelles auch durch den Kehlkopf zum Ausdruck bringen kann. Das ist gleichsam nur eine prophetische Vordeutung auf dasjenige, was wir nennen müssen die Bildung eines Organs als Keimorgan, das sich in der Zukunft umbildet. Wenn wir dies beachten, dann werden wir es begreiflich finden, daß wir keine individuelle Macht haben über dasjenige, was unser Kehlkopf zustande bringt, daß das eine wie durch Gnade gegebene Macht ist, daß wir da erst hineinwachsen müssen mit unserer Individualität. So wie wir mit unserer eigenen Ichheit in uns selber stehen, so wurzeln wir mit unserem Kehlkopf in einem Allgemeinen, im ganzen Makrokosmos. Darin fließt uns noch aus dem Makrokosmos dasjenige zu, was uns aus ihm heraus zum Menschen macht. Durch unser Herz machen wir uns selber zum Menschen, durch unseren Kehlkopf macht uns der Makrokosmos zum Menschen. Wenn wir in einer neuen Verkörperung in den Mikrokosmos hineinwachsen, so wachsen wir hinein in eine Organisation, deren Mittelpunkt das Herz ist; aber wir wachsen nicht nur in den Mikrokosmos hinein, sondern diese Leiblichkeit wird fortwährend vom Makrokosmos unterhalten, in sie strömen die Kräfte des Makrokosmos ein. Durch unseren Kehlkopf strömt dasjenige aus dem Makrokosmos herein, was ein höchster geistiger Ausdruck ist. Daher entspricht es einer großen Wahrheit, daß gleich am Anfang in der Bibel gesagt wird, daß der Mensch bis zu dem Zeitpunkt mit seinem Erdenwerden wartete, da ihm aufgebaut werden konnte die Krönung seiner Atmungsorgane im Kehlkopf vom Geist selber, von Gott selbst ihm gegeben: Und Gott hauchte dem Menschen den lebendigen Odem ein, und also ward der Mensch eine lebendige Seele. – Auf diesen Moment wird da hingedeutet, wo einfließt das, was mit dem Göttlichen, mit dem Makrokosmos zusammenhängt. Mit dem Herzen ist das Menschliche im Zusammenhang, mit dem Kehlkopf das Göttliche.

Wenn wir dies verstehen, dann wird uns auch folgendes klar sein. Indem der Mensch nicht nur atmet, sondern seinen Atmungsvorgang umgestalten kann zu jenen Konfigurationen, die durch das Organ des Kehlkopfes in Gesang und Sprache bewirkt werden, hat er in seinem Atmen heute etwas gegeben, was höchster Ausbildung fähig ist. Daher ist es wohl begründet, wenn wir auf der einen Seite sagen, daß sich der Mensch immer höher und höher entwickeln wird, daß er zu höherer Geistigkeit steigen wird, und wenn die orientalische Philosophie dasjenige, was zunächst die Krönung des Menschen sein wird, mit dem Worte bezeichnet, das vom Atmen genommen ist: Atma, das höchste Glied, das der Mensch einstmals als den eigentlichen Geistesmenschen ausbilden wird. Er muß aber mitarbeiten an der Ausbildung dieses Geistesmenschen, der heute nur in der Anlage vorhanden ist; da muß mitwirken, was heute als der modifizierte Atmungsprozeß in Gesang und Sprache sich darlebt. In Gesang und Sprache haben wir etwas, was im Anfang steht, was sich immer weiter und weiter ausbilden wird, was immer realer und realer sein wird, was immer weitere und weitere Kreise umfassen wird. [3]

Einwirkungen auf den Atmungsprozeß bedeuten daher schon das Hinaufsteigen in eine höhere Sphäre, und wir müssen uns klar sein, daß das mit der größten Verantwortung verbunden ist. Und ganz sachgemäß können wir darauf hindeuten, daß alle die Anweisungen, die heute so leichtfertig gegeben werden über dieses oder jenes Atmen, wirklich so gegeben werden – das kann der Geistesforscher sagen –, daß man den Eindruck hat: es spielen die Kinder mit dem Feuer. [4] (Siehe auch zu dieser Problematik: Atemübungen).

Der physische Kehlkopf ist nur die äußere Schale jenes wunderbaren Organes, das im Ätherleib vorhanden ist, das gewissermaßen die Gebärmutter des Wortes ist. Alles, was im Menschen ist, ist Metamorphose von gewissen Grundformen. Der ätherische Kehlkopf und seine Schale, der physische Kehlkopf, sind eine Metamorphose des mütterlichen Uterus. Mit einer Menschenschöpfung haben wir es zu tun, wenn gesprochen wird, mit einer ätherischen Menschenschöpfung. [5]

Kein Wesen, das nicht einen tönenden Kehlkopf und einen aufrechten Gang hat, kann ein Ich-Wesen sein. Die Tiere haben die Anlage dazu gehabt, aber sie sind zurückgegangen. Daher haben sie sich nicht umwandeln können zu solchen Wesen, die eine Sprache haben, denn sie ist geknüpft an einen aufrechten Kehlkopf. Wir können das an einer ganz groben Tatsache ermessen. Gewiss ist mancher Hund gelehriger als ein Papagei; aber der Papagei lernt mehr (zu artikulieren), weil sein Kehlkopf mehr aufrecht liegt. Papageien und Stare lernen etwas sprechen, weil sie einen aufrechten Kehlkopf haben. [6]

Kehlkopf, SeitenansichtKehlkopf, VorderansichtKopf

Der obere Teil des menschlichen Rumpfes will fortwährend Kopf werden, er kann es nur nicht. Der andere Kopf verhindert ihn daran. Daher bringt er nur fortwährend ein Abbild des Kopfes hervor, man möchte sagen, etwas, was ausmacht den Beginn der Kopfbildung. Das ist der Kehlkopf, der ja aus der naiven Sprache heraus sogar Kehlkopf genannt wird. Die menschliche Sprache ist der fortwährend vom Kehlkopf in der Luft unternommene Versuch, Kopf zu werden. Es ist außerordentlich bedeutungsvoll, wie der Mensch, indem er spricht, fortwährend in der Luft den Versuch macht, Stücke von einem Kopf hervorzubringen, und wie sich wiederum diese Stücke von dem Kopf in welligen Bewegungen fortsetzen, die sich dann stauen an dem leiblich ausgebildeten Kopf. Da haben Sie dasjenige, was die menschliche Sprache ist. [7]

Und dasjenige, was Ihnen in der neueren Physiologie entgegentritt als die eigentümlichen Bedingungen der Schilddrüse (mittlere Zeichnung oben schraffiert), das werden Sie metamorphosisch verstehen, wenn Sie in der Schilddrüse sehen können eine Art dekadentes Vorderhirn, das gewissermaßen Funktionen hat, die es beim sprechenden Menschen dem Vorderhirn abnimmt. Die Schilddrüse muß mit dem Vorderhirn zusammenwirken. [8]

Zitate:

[1]  GA 134, Seite 38f   (Ausgabe 1979, 126 Seiten)
[2]  GA 56, Seite 127   (Ausgabe 1965, 372 Seiten)
[3]  GA 119, Seite 268f   (Ausgabe 1962, 279 Seiten)
[4]  GA 119, Seite 270   (Ausgabe 1962, 279 Seiten)
[5]  GA 279, Seite 50f   (Ausgabe 1979, 276 Seiten)
[6]  GA 100, Seite 140   (Ausgabe 1981, 276 Seiten)
[7]  GA 293, Seite 197   (Ausgabe 1980, 216 Seiten)
[8]  GA 315, Seite 10ff   (Ausgabe 1966, 140 Seiten)

Quellen:

GA 56:  Die Erkenntnis der Seele und des Geistes (1907/1908)
GA 100:  Menschheitsentwickelung und Christus-Erkenntnis. Theosophie und Rosenkreuzertum – Das Johannes-Evangelium (1907)
GA 119:  Makrokosmos und Mikrokosmos.. Die große und die kleine Welt. Seelenfragen, Lebensfragen, Geistesfragen (1910)
GA 134:  Die Welt der Sinne und die Welt des Geistes (1911/1912)
GA 279:  Eurythmie als sichtbare Sprache (Laut-Eurythmie-Kurs) (1924)
GA 293:  Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik (1919)
GA 315:  Heileurythmie (1921/1922)