Kausalkörper

Das erste Schicksal des Menschen nach dem Tode ist also dieser Rückblick (in einem Totalbild) auf das verflossene Leben, der verschieden lang ist und durchschnittlich etwa dreieinhalb Tage dauert. Dann kommt eine Art zweiten Sterbens, indem sich das Ätherische vollkommen auch vom Astralleib löst, und dann eine Art Ätherleichnam zurückbleibt. Dieser Ätherleichnam löst sich sehr bald, wenn auch bei jedem Menschen verschieden schnell, im allgemeinen Weltenäther auf, jedoch nicht vollständig; eine Art Essenz aus dem verflossenen Leben bleibt, die das Ich mitnimmt und die ein unvergängliches Gut ist, das dem Menschen verbleibt für alle folgenden Verkörperungen. Nach einer jeden Verkörperung fügt sich gleichsam ein neues Blatt zu den vorangegangenen. Man nennt das in der Theosophie den Kausalkörper, und in der Qualität dieses Kausalkörpers liegt die Ursache dafür, wie sich die späteren Verkörperungen gestalten. [1]

In der dritten Menschenrasse, in der lemurischen Zeit, fing der Mensch an, eine dreiteilige Natur zu haben. Damals entwickelten sich die ersten Wesen zu dem, was wir heute als Menschen kennen. Wie waren nun aber jene Wesen? Das, was wir in Wahrheit sind, das, was ewig ist in uns, das war vorher rein geistiger Natur. Unsere höhere Natur lag vorher im Schoße des Weltenurgrundes beschlossen. Sie ist ewig und unvergänglich, nicht in der Gestalt, die sie angenommen hat, sondern in der innersten Wesenheit. Bevor unsere Geistnatur Besitz ergriffen hat von der menschlichen Natur, war sie ein rein geistiges Wesen und bildete einen Bestandteil dessen, was als zentrale Sonne, als Geisteslicht der Welt vorhanden ist. Das, was bis zum physischen Menschen herunterkam, war noch nicht das, was heute im Menschen ist, das war nur ein Spiegelbild seines wirklichen Wesens; es bewohnte nur spirituelle Weltensphären, die Sphären des ersten Logos. Als Geistwesen ruhten wir im Logos, als erste Funken in der Flamme des zentralen Lichtes. Dann senkte sich unsere Geistwesenheit tief in das, was für uns vorbereitet war als Träger, und das, was sich herabsenkte, das, was lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit in den verschiedensten Formen, das ist das dritte Element der menschlichen Natur. Das bezeichnen wir als die eigentliche Individualität des Menschen. Der Mensch besteht also aus dem Gattungswesen, das für alle auf der Erde lebenden Menschen die gleiche Gestalt hat. Da unterscheiden sich die Menschen nicht voneinander. Das ist die physische Natur des Menschen. Die andere Natur, die seelische – Freude und Schmerz, Begierde und Leidenschaft –, das ist sein persönliches Wesen. Das entsteht und verschwindet und entsteht von neuem in der astralen Welt. Daß solche Persönlichkeiten entstehen können, dazu ist die Anlage gegeben in dem Strome, den ich als den zweiten Strom beschrieben habe. Daneben haben wir die Individualität oder auch den Kausalkörper. Warum nennen wir die Individualität auch Kausalkörper? Die Kausalkörper waren immer vorhanden. Sie sind unvergänglich. Sie haben, bevor sie diese Körper bewohnten, einen anderen Körper bewohnt in den früheren Rassen, bis zurück zur lemurischen Menschenrasse, die auf der Insel Lemuria lebte. Immer hat sich dieser Kausalkörper verkörpert, aber er ist ein erstes Mal eingezogen in ein menschliches, psychisches Körperwesen in der lemurischen Zeit. Vorher war er noch nicht in die Materie und noch nicht in die Psyche verstrickt. Er führte ein spirituelles Dasein, das er wieder führen wird, wenn er seine verschiedenen Lektionen, die er zu machen hat, durchgemacht haben wird. Das, was wir Kausalkörper nennen, das ist das, was unser Ewiges bildet

Aus drei Strömungen ist das Menschenwesen zusammengeflossen. Drei Entwicklungen mußten durchgemacht werden, bis sie im Menschen zusammenkommen konnten. Einen Ursprung hat das Gattungswesen, einen anderen Ursprung hat das Seelische und einen anderen Ursprung hat das Geistige, das spirituelle Wesen. Dasjenige, an das das ganze Sein sich kettet, das ist unser Kausalkörper, das Ewige. Dieser kommt aus rein geistigen Sphären her und soll wiederum zurückkehren zu rein geistigen Sphären; aber er soll so zurückkehren, daß er innerhalb des Erdendaseins, das er durchmacht, gelernt hat, daß er Ergebnisse gesammelt hat, um sie zurückzutragen in das Reich des Spirituellen. Er soll, in sich bereichert, wiederum in das Spirituelle zurückkommen. [2]

Der Astralkörper und der niedere Mentalkörper lösen sich nach dem Tode auf. Es bleibt nur die eine Seele in uns, welche immer wieder in einer neuen Verkörperung wiederkehrt, wenn da eine Entwicklung am Ziele angelangt ist, um dann einzutreten in eine neue Entwicklung. Diese eine Seele ist aus dem Stoff des Kausalkörpers gewoben, in welchem wir die Rückerinnerung an frühere Leben haben können und darin die ganze Entwicklung erkennen. Jeder wird einst alle seine verflossenen Zustände der Entwicklung an sich vorüberziehen sehen. Das kommt daher, weil etwas immer bleibt, nämlich die feinste Stofflichkeit des Kausalkörpers. [3] Es ist möglich, daß die Rückerinnerung an frühere Verkörperungen, die in einer Inkarnation verlorengeht, später wieder erwacht, vielleicht nach einer oder auch nach mehreren Inkarnationen. Die Mittel des Kausalkörpers kann man erst benutzen, wenn man (im Devachan) in der Ebene über der Kausalsphäre erwacht. [4] Die bleibende Wesenheit des Menschen ist objektiv sichtbar in der dritten Aura. Diese ist die Aura des Kausalkörpers, desjenigen Körpers also, der durch alle Inkarnationen hindurchgeht. Der Kausalkörper ist bei unentwickelten Menschen, die nur wenig von dem Bleibenden verstehen, nur angedeutet. Wenn man die Auren eines unentwickelten Menschen betrachtet, so findet man nur wenig von dem Kausalkörper. Diejenigen Menschen, welche tieferen Wahrheiten nachgehen, entwickeln diese kausale Aura. Je mehr sich der Mensch entwickelt, desto mehr entwickelt sich diese kausale Aura. Es gliedert sich dann eine Art von Strahlensystem ein, so daß der höherentwickelte Mensch Strahlen aussendet, die in seiner kausalen Aura zu bemerken sind. Wenn wir die Aura eines Adepten haben, so ist sie viel größer als ein Haus, so daß der ganze Mensch unendlich viel größer erscheint als der physische Mensch für das physische Auge. Die kausale Aura, die wir beim Hochentwickelten sehen können, ist auch angedeutet bei Unentwickelten, und nicht etwa als ein kleines Körperchen, sondern auch groß, aber sie leuchtet noch nicht. Sie ist beim Unentwickelten ein schwach glimmendes Licht und wird immer leuchtender, je mehr sich der Mensch entwickelt. Strahlen kommen dadurch hinein, daß der Mensch immer mehr Inhalt bekommt. Je mehr der Mensch in sich das entwickelt, was bleibend ist, was wiedererscheinen wird, desto mehr hat er Leuchtkraft in sich. Es ist das objektiv Sichtbare dessen, was der Mensch von einer Inkarnation in die andere hinüberträgt. [5] Beim Tode des Menschen von heute trennen sich der Ätherleib mit dem Astralleib und dem Ich von dem physischen Leib. Eine Zeitlang (einige Tage) bleibt der Ätherleib noch bei den höheren Prinzipien, und während dieser ersten Zeit nach dem Verlassen des physischen Leibes tritt vor die Seele des Menschen sein ganzes letztes Leben wie in einem großen Tableau (siehe: Lebenstableau). Das rührt davon her, daß der Ätherleib nicht nur der Träger der Lebensfunktionen ist, sondern auch der Träger des Gedächtnisses. Während des Lebens ist er aber durch das physische Gehirn eingeengt, er kann seine Funktionen nicht entfalten. Sobald aber die physischen Schranken fallen, so liegt das ganze Gedächtnis wie ausgebreitet vor der Seele des Menschen. Dies dauert so lange, bis der Ätherleib sich nach einigen Tagen auch von dem Astralleib und dem Ich loslöst. Es löst sich aber nur das «Ätherisch-Materielle», während dieses Erinnerungsbild von dem Menschen mitgenommen wird. Diese Essenz des Ätherleibes behält der Mensch, und die Summe dieser Essenzen aus allen Erdenleben ist der Kausalkörper. [6]

Die Bilder des Lebenspanoramas sind von großer Bedeutung, denn sie werden nun zu Kräften, die sich dem Astralleib einprägen. Sie verwandeln sich so, wie wenn sie eine Art von Nahrung für ihn wären. Aus dieser Summe von Kräften wächst der Kausalkörper heraus, der das fünfte Glied des Menschen ist. Dieser ist es, den der Mensch während der Devachanzeit und durch alle Verkörperungen hindurch beibehält. [7] Wenn dieser Kausalkörper einmal da ist, dann bleibt er; aber er hat sich aus den Erträgnissen der Leben erst zusammengesetzt. Nun begreift man den Unterschied zwischen den einzelnen Menschen. Diejenigen, die oft gelebt haben, also schon viele Inkarnationen durchgemacht haben, die haben ihrem Lebensbuche viele Blätter beigefügt, sind hochentwickelt und haben einen reichen Kausalleib. [8] Dieser Extrakt durchtränkt sich mit dem, was der Mensch an Taten verübt hat, (also) die Erlebnisse aus Kamaloka nimmt er mit und trägt sie ins Devachan hinauf. [9]

Bei einem vorgeschritteneren Menschen sind im Kausalkörper immer Strahlen vorhanden. Diese Strahlen sind nämlich der Ausdruck der aktiven Kräfte, die der Mensch seinem fortschreitenden Karma einfügt. [10]

Zunächst tritt also nach dem Tode das Bildertableau des Ätherleibes auf, dann folgt eine Art kurzer Schlafzustand, während dem sich der Kausalkörper herausbildet. Dieser selbst macht sich geltend als Strahlen, die aus den übrigen flammenartigen Gebilden herausstrahlen nach der blauen und Indigofarbe hin. 94.154Alle Erfahrungen eines Erdenlebens treten in späteren Erdenleben wieder auf als Fähigkeiten und Talente. Wenn alles, was im Kausalleib aufgespeichert ist, sich zu Fähigkeiten umgewandelt hat, tritt der Mensch den Rückweg (vom Devachan) zur Erde an. [11]

Zitate:

[1]  GA 100, Seite 45   (Ausgabe 1981, 276 Seiten)
[2]  GA 88, Seite 55ff   (Ausgabe 1999, 256 Seiten)
[3]  GA 88, Seite 74f   (Ausgabe 1999, 256 Seiten)
[4]  GA 88, Seite 183   (Ausgabe 1999, 256 Seiten)
[5]  GA 88, Seite 234f   (Ausgabe 1999, 256 Seiten)
[6]  GA 97, Seite 59f   (Ausgabe 1981, 340 Seiten)
[7]  GA 94, Seite 150   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[8]  GA 95, Seite 36   (Ausgabe 1978, 164 Seiten)
[9]  GA 96, Seite 182   (Ausgabe 1974, 350 Seiten)
[10]  GA 264, Seite 43f   (Ausgabe 1984, 476 Seiten)
[11]  GA 94, Seite 152   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)

Quellen:

GA 88:  Über die astrale Welt und das Devachan (1903-1904)
GA 94:  Kosmogonie. Populärer Okkultismus. Das Johannes-Evangelium. Die Theosophie an Hand des Johannes-Evangeliums (1906)
GA 95:  Vor dem Tore der Theosophie (1906)
GA 96:  Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft. Christliche Esoterik im Lichte neuer Geist-Erkenntnis (1906/1907)
GA 97:  Das christliche Mysterium (1906/1907)
GA 100:  Menschheitsentwickelung und Christus-Erkenntnis. Theosophie und Rosenkreuzertum – Das Johannes-Evangelium (1907)
GA 264:  Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis 1914. Briefe, Rundbriefe, Dokumente und Vorträge (1904-1914)