Karmische Reihen
► August Strindberg – Verkettung von Personen durch die verschiedensten Erdenleben

Forschungen über das Karma müssen sich selber in einer gewissen Weise aus dem Karma ergeben. Es bot sich mir einmal Gelegenheit, einen modernen Arzt zu treffen, der mir seinem Renommee, seiner schriftstellerischen Laufbahn nach gut bekannt war und der von mir sehr geschätzt wurde. Ich erwähne also hier in diesem Falle die karmischen Details, die zu den entsprechenden Forschungen führten. Also einen solchen modernen Arzt lernte ich kennen, und zwar so, daß, als ich ihn kennenlernte, er zusammen war mit einer anderen Persönlichkeit. Durch diejenige Anschauung, die ich durch das Zusammensein der zwei Persönlichkeiten gewinnen konnte, und auch durch den Eindruck, den diese andere Persönlichkeit auf mich machte, die ich lange aus ihrer Schriftstellerlaufbahn, aus ihrer ärztlichen Tätigkeit kannte, die ich schätzte und die ich hier zum erstenmal äußerlich sah, durch alles das erhielt ich die Kraft, zunächst zwar nicht diese Persönlichkeit, die ich neu kennenlernte, irgendwie ihren Lebens- und Schicksalszusammenhängen nach zu prüfen, aber sie strahlte, gewissermaßen auf den andern, den ich schon lange kannte, Licht hinüber, und es ergab sich, daß der andere – in einem früheren Erdenleben – in Ägypten gelebt hat und, was das Eigentümliche ist, im alten Ägypten mumifiziert worden ist, einbalsamiert worden ist als Mumie. Nun ergab sich sehr bald auch, daß diese Mumie noch existierte. Ich habe sie auch später irgendwo gesehen, aber viel später. Das war zunächst der Ausgangspunkt. Aber indem die Forschung entzündet war an dieser Persönlichkeit, die ich lange kannte, strahlte sie gewissermaßen weiter aus diese Forschung, und es ergab sich die Möglichkeit, im Schicksalszusammenhange des Mannes der neuen Bekanntschaft nun zu forschen. Während man nun sonst sehr leicht von einem Erdenleben eines Menschen auf das letzte zurückgeführt wird, führte hier die Intuition zurück weit ins alte Ägypten, zu einer Art Häuptling im alten Agypten; zu einem Häuptling, welcher in einem gewissen sehr starken Sinne die alte ägyptische Initiation innehatte, aber etwas dekadent geworden war als Initiierter, der anfing, die Initiation im Laufe seines Lebens nicht mehr sehr ernst zu nehmen, sogar mit einem gewissen spottenden Benehmen diese Initiation zu behandeln. Der Häuptling hatte aber einen Diener, der außerordentlich seriös war. Der Diener war natürlich nicht initiiert; aber beiden wurde die Obliegenheit, Mumien zu balsamieren und dazu die Stoffe von ziemlich weit her zu besorgen. Nun war ja das Geschäft des Mumien-Einbalsamierens namentlich im älteren Ägypten ein außerordentlich kompliziertes und erforderte intime Kenntnisse der menschlichen Wesenheit, des menschlichen Leibes. Aber es wurden auch von denen, die rechtmäßig Mumien einbalsamieren sollten, tiefe Kenntnisse über die menschliche Seele gefordert. Der Häuptling, (Persönlichkeit A), der zu diesem Geschäfte eigentlich initiiert worden war, lief nach und nach in eine Art Frivolität ein gegenüber seinem eigentlichen Berufe. So kam es, daß er diejenigen Dinge, die er durch eine Art Initiation empfangen hatte, nach und nach, man würde in der Mysteriensprache sagen: verriet an seinen Diener (die Persönlichkeit B), der sich als ein Mensch entpuppte, der den Inhalt der Initiation allmählich besser verstand als der Initiierte. Und so wurde der betreffende Diener (B) Mumien-Einbalsamierer, während der andere (A) zuletzt nicht einmal mehr zuschaute, aber selbstverständlich alles, was damit zusammenhing in bezug auf Stellung und soziale Haltung, für sich in Anspruch nahm. Dieser andere wurde nach und nach auch so, daß er kein sehr großes Ansehen mehr genoß und dadurch in mancherlei Lebenskonflikte hineinkam. Der Diener (B) aber, der sich eigentlich nach und nach zu einer sehr, sehr ernsten Lebensauffassung heraufarbeitete, wurde geradezu ergriffen, merkwürdig kongenial ergriffen von einer Art Initiation, die keine wirkliche war, die aber so instinktiv in ihm lebte. Und so wurde denn eine ganze Reihe von Mumien unter der Aufsicht und Mittat dieser beiden Leute eben einbalsamiert. [1] Nun findet man den einen, den Häuptling (A) der nach und nach eigentlich ein frivoler Initiierter geworden ist, das aber, nachdem er durch die Pforte des Todes gegangen war, empfand als eine außerordentlich bittere Erdenprüfung mit allen Nachwirkungen einer solchen Empfindung einer bitteren Erdenprüfung–, man findet ihn wieder als Augustus’ Tochter Julia, die des Augustus Stiefsohn Tiberius heiratet und die ein Leben führt, das von ihr selber natürlich gerechtfertigt erschien, das aber innerhalb der römischen Gesellschaft dazumal als ein so unmoralisches angesehen worden ist, daß sie verbannt worden ist. Der andere, der Diener, der sich hinaufgearbeitet hatte fast zum Initiierten, aber von unten auf, wird wiedergeboren in dieser Zeit als der römische Geschichtsschreiber Titus Livius. Nun ist aber das Interessante, wie Titus Livius zur Geschichtschreibung kommt. Er hat eine ganze Anzahl Mumien einbalsamiert in alter ägyptischer Zeit. Die Seelen, die in den Körpern dieser Mumien waren, gerade diese Seelen waren vielfach als Römer, namentlich als die 7 römische Könige inkarniert. Und durch ein gewisses Gesetz, das gerade für die Wiederverkörperung von Seelen, deren Leiber mumifiziert sind, gilt, wurden verhältnismäßig bald diese Seelen wiederum zur Erde gerufen. Aber die karmische Verbindung des Dieners (B) des Häuptlings (A), mit diesen Seelen, deren Körper er einbalsamiert hat, ist eine so intime, daß er gerade von ihnen die Geschichte schreiben muß – natürlich muß er auch das andere dazunehmen, was er nicht einbalsamiert hat –, aber gerade die Geschichte derjenigen Menschen muß er schreiben, die er einbalsamiert hat. So wird Titus Livius (B) zum Geschichtsschreiber. [2] Für den A ergab sich in dem Leben zwischen Tod und einer neuen Geburt eine starke Antipathie gegen die Julia-Inkarnation, die sich in einer merkwürdigen Weise universalisierte. Man kann nun diese Individualitäten verfolgen. Man kommt ins Mittelalter herein: Man findet Titus Livius wieder als sangesfrohen Dichter, man findet den römischen Geschichtsschreiber – mit dem aus der Kenntnis des menschlichen Wesens durch das Mumifizieren hervorgegangenen Stil – in der weiteren Ausbildung dieses Stiles, der eine große Leichtigkeit hatte und der jetzt wie hinaufgetragen wird in lyrischer Leichtigkeit, man findet B wieder als Walther von der Vogelweide. Dieser hält sich in Tirol auf. Er hat manchen Gönner, er hat nun unter diesen einen bestimmten Gönner, der ein ganz merkwürdiger Mensch (A) ist, der mit allen möglichen Alchimisten, die es dazumal zu Dutzenden in Tirol gab, auf du und du stand, der Schloßherr war. Er erfuhr ungeheuer vieles und bekam den Impuls alles Okkulte intensiv zu verfolgen. Ungeheuer intensiven okkulten Sinn bekam A, und dadurch kam er in die Lage, etwas in Tirol wiederzufinden, was eigentlich damals auch nur sagenhaft bekannt war, nämlich die Bergburg, die Felsenburg, die von jemandem anderen gar nicht hätte erkannt werden können, weil sie eben nur noch in Felsen bestand – sie war aus Felsen gebildet, mit einer Höhlung hinein –, die Burg des Zwergkönigs Laurin. Und auf diese Persönlichkeit machte die Dämonennatur der Gegend der Burg des Zwergkönigs Laurin einen ungeheuer tiefen Eindruck. So daß in dieser Seele Merkwürdiges vereint ist: Initiation bis zur Frivolität getrieben, Groll darüber, Frau gewesen zu sein und dadurch in die römische Sittenlosigkeit und zugleich in die römische Heuchelei über Sitte hineingetrieben worden zu sein, und intime, aber äußere Kenntnis, von allerlei Alchimistischem; dabei aber wiederum diese erweitert zu einem freien Sinn über Naturdämonen und überhaupt über das Geistige in aller Natur. Und beide – wenn das auch nicht in der Biographie Walthers steht, so ist das doch der Fall – beide, Walther von der Vogelweide und dieser Mann, kamen damals recht oft zusammen. Walther von der Vogelweide hat manchen Impetus, manchen Einfluß von diesem Manne erfahren. [3] Die weitere Verfolgung dieser karmischen Kette führte mich wiederum in dasselbe Zimmer – aber jetzt nur intuitiv, im Geiste –, in dem ich in der Anwesenheit eines alten Bekannten von mir, den ich aber als Mumie wußte – und jetzt wußte ich: als Mumie einbalsamiert von dem anderen –, gewesen war, führte mich also die ganze Linie wiederum in dieses Zimmer. Und ich fand die Seele, die durch den alten ägyptischen dienenden Einbalsamierer, durch Titus Livius, durch Walther von der Vogelweide gegangen war, in dem modernen Arzt Ludwig Schleich wieder. Es ergab sich jetzt auch der Seelenweg des alten Häuptlings, der Julia, des Entdeckers von Laurins Zauberschloß: das ist August Strindberg. Die Persönlichkeit, bei der ich Schleich getroffen habe ist ja dieselbe, von der Schleich in seinen Memoiren erzählt, daß sie ihm Strindberg gebracht hat, wiedergebracht hat. An (ihrer) Leiche haben sie zusammen gearbeitet: diese Seele, die in diesem Körper war, die hat sie wieder zusammengebracht. [4]

Zitate:

[1]  GA 238, Seite 30uf   (Ausgabe 1960, 184 Seiten)
[2]  GA 238, Seite 33f   (Ausgabe 1960, 184 Seiten)
[3]  GA 238, Seite 35f   (Ausgabe 1960, 184 Seiten)
[4]  GA 238, Seite 37f   (Ausgabe 1960, 184 Seiten)

Quellen:

GA 238:  Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge - Vierter Band. Das geistige Leben der Gegenwart im Zusammenhang mit der anthroposophischen Bewegung (1924)