Karmische Reihen
► Plato

hatte es eigentlich schwer, hindurchzutragen durch die folgenden Zeiten, durch die übersinnliche Welt dasjenige, was er in seiner Plato-Inkarnation in seiner Seele trug. Denn obzwar der Platonismus da und dort aufleuchtete: wenn Plato heruntersah auf dasjenige, was sich unten als Platonismus entwickelte, so bedeutete das für ihn vielfach eine furchtbare Störung seines übersinnlichen Seelen- und Geisteslebens. Nicht als ob man dasjenige, was als Platonismus fortlebte, deshalb verurteilen oder abkritisieren wollte. Selbstverständlich, die Seele des Plato lebte Stück für Stück immer mehr und mehr dasjenige in die folgenden Zeitalter hinüber, was eben in ihr lag. Aber gerade Plato, der ja noch verbunden war mit alten Mysterien des Altertums, von dem ich sagen konnte, daß seine Ideenlehre ja eine Art persischen Einschlags hatte, gerade Plato hatte es schwer, als er die Zeit absolviert hatte – es war bei ihm sogar eine ziemlich lange Zeit –, um zu einer neuen Inkarnation zu kommen, er hatte es eigentlich schwer, in die christliche Kultur einzutreten, in die er doch eintreten mußte. Und außerdem war Plato durch und durch Grieche mit all dem orientalischen Einschlag, den die Griechen hatten und den die Römer gar nicht hatten. Plato ist Grieche. Die Zivilisation, innerhalb welcher er sich allein verkörpern kann, als er reif ist zur Verkörperung ist römisch und christlich. Und so war es auch für Plato schwierig, aus all der Aktivität, die er als Plato-Wesen in sich trug und jetzt in den Ergebnissen wieder hereinbringen mußte, in die Welt irgendwie unterzutauchen. Er mußte die Aktivität zurückstellen. Und so verkörperte er sich im 10. Jahrhundert des Mittelalters als die Nonne Hroswitha, jene ja vergessene, aber grandiose Persönlichkeit des 10. Jahrhunderts, die das Christentum in einem wirklich platonischen Sinne eigentlich aufgenommen hat, die im Grunde genommen ungeheuer viel vom Platonismus in das mitteleuropäische Wesen hineingetragen hat. Das konnte im Grunde genommen damals nur eine Frau tun. Würde nicht mit dem Frauenkolorit Platos Wesen erschienen sein, es hätte nicht das Christentum annehmen können in dieser Zeit. Aber auch das Römertum, das ja damals in aller Bildung war, mußte aufgenommen werden, ich möchte sagen, zwangsmäßig aufgenommen werden. So sehen wir denn in dieser Nonne Hroswitha von Gandersheim zu jener merkwürdigen Persönlichkeit sich entwickeln, die lateinische Dramen schreibt in terenzischem Stil, die wirklich außerordentlich bedeutend sind. [1] Es lebt in dieser Frau sozusagen die ganze Bildung der damaligen Zeit. Wir sehen, daß die Individualität, als sie wiederum auf die Erde zu kommen reif ist im 19. Jahrhundert, daß diese Individualität sich zu einer solchen ausbildet: die ganze Spiritualität Platos wird zurückgehalten, staut sich vor der Intellektualität des 19. Jahrhunderts, will nicht heran. Und damit das leichter wird, sitzt ja die Frauenkapazität der Nonne Hroswitha in derselben Seele. So daß diese Seele in der Weise auftritt, daß ihr alles dasjenige, was sie aus ihrer Fraueninkarnation, aus ihrer bedeutenden, leuchtenden Fraueninkarnation hat, es leicht macht, den Intellektualismus doch da, wo es ihr gefällt, abzustoßen. Und so entsteht neu in dem 19. Jahrhundert auf Erden diese Individualität, die hineinwächst in die Intellektualiät des 19. Jahrhunderts, aber diese Intellektualität eigentlich nur immer von außen etwas an sich herankommen läßt, innerlich aber ein gewisses Zurückzucken davor hat; dafür aber in einer nicht intellektualistischen Weise den Platonismus vorschiebt im Bewußtsein und überall, wo sie nur kann, davon redet, daß Ideen in allem leben. Dieses Leben in Ideen wurde dieser Persönlichkeit etwas ganz Selbstverständliches. Aber der Körper war so, daß man immer das Gefühl hatte: Der Kopf kann eigentlich nicht das alles ausprägen, was da an Platonismus herauswill. Auf der anderen Seite konnte diese Persönlichkeit in einer schönen, in einer herrlichen Weise dasjenige aufleben lassen, was sich hinter der platonischen Liebe verbirgt. Diese Persönlichkeit ist Karl Julius Schröer. [2] Nun aber diese platonische Spiritualität mit dem Zurückstoßen des Intellektualismus, platonische Spiritualität, die in diesen Körper hineinwill, das machte einen merkwürdigen Eindruck. Man sah Schröer so, daß man ganz deutlich wahrnahm: ganz ist diese Seele nicht in dem Körper drinnen. Und als er dann älter wurde, da konnte man sehen, wie diese Seele, weil sie doch eigentlich nicht recht in den Körper der damaligen Gegenwart hineinwollte, sich Stück für Stück aus diesem Körper zurückzog. Zunächst wurden die Finger geschwollen und dick, dann zog sich die Seele immer weiter zurück, und Schröer endete ja in Altersschwachsinn. [3]

Zitate:

[1]  GA 238, Seite 157ff   (Ausgabe 1960, 184 Seiten)
[2]  GA 238, Seite 160f   (Ausgabe 1960, 184 Seiten)
[3]  GA 238, Seite 163   (Ausgabe 1960, 184 Seiten)

Quellen:

GA 238:  Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge - Vierter Band. Das geistige Leben der Gegenwart im Zusammenhang mit der anthroposophischen Bewegung (1924)