Karmische Reihen
► Kardinal Mazarin

Eine Persönlichkeit, die gelebt hat am Ende des 1. christlichen Jahrhunderts, schon dazumal Philosoph war, der im ausgesprochensten Sinne zu den Skeptikern gehörte, das heißt zu denen, die eigentlich nichts in der Welt für gewiß halten. Diese Individualität – der Name der damaligen Zeit tut nicht viel zur Sache, er war ein Agrippa –, diese Individualität, die dazumal verkörpert war, faßte sozusagen alles, was die griechische Skepsis aufgebracht hatte, in ihrer Persönlichkeit zusammen. Er scherzte eigentlich sehr gern, selbst über recht wichtige Dinge. Und es ging dazumal das Christentum an ihm ganz spurlos vorüber. [1] Und als die betreffende Persönlichkeit in die Mondregion eintrat, da war es, daß ihr sehr stark der Sinn einer früheren Inkarnation aufging, die sie gehabt hatte, die besonders charakteristisch war und jetzt gewissermaßen im Rückblick nach dem Tode einen großen Eindruck machte, weil in dieser Inkarnation von der betreffenden Individualität noch viel hatte gesehen werden können von der Art und Weise, wie die Kulte Vorderasiens und Afrikas aus den alten Mysterien hervorgingen. Diese Individualität machte dann recht intensiv wieder neuerdings durch, übersinnlich, in christlicher Zeit, dasjenige, was sie durchgemacht hatte auf Erden im Zusammenhange mit manchem untergehenden Mysterienwesen Vorderasiens. Und das bewirkte dann, daß sie – sie war ja nicht vom Christentum berührt, wie ich gesagt hatte –, daß diese Individualität jetzt sah, übersinnlich sah, wie in den alten Mysterien der Christus erwartet wurde. Aber da die Mysterien – ich meine die Kulte aus den Mysterienstätten, die diese Persönlichkeit sah – schon veräußerlicht waren an den Orten, wo sie gelebt hatte, nahm diese Persönlichkeit Kulte, Einrichtungen auf, die sich im Laufe der ersten Jahrhunderte der christlichen Entwickelung in verchristlichter Metamorphose eben auf das römische Christentum übertrugen. Es handelte sich darum, daß in dieser Region nach dem Tode bei dieser Individualität ein Verständnis für das Äußerliche der Kulte und für das Äußerliche der Kircheneinrichtungen vorbereitet wurde, die ehedem heidnische waren, die aber wieder erstanden innerhalb der ersten christlichen Jahrhunderte und zum ausgesprochen römischen Kultus übergingen. Sehen Sie, das bewirkte eine ganz besondere Geisteskonfiguration bei der betreffenden Persönlichkeit. Nun sehen wir wiederum in diesem Verlauf, den da der Mensch durchmacht zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, diese Individualität ganz besonders das Karma ausarbeiten in der Merkur-Region, so daß sie nicht im innerlichen Sinne, aber im Sinne der Begabung mit äußerer Intelligenz, große Überschau bekommt über Verhältnisse. Und wenn wir dann diese Individualität weiterverfolgen, treffen wir sie auf der Erde wiederum als jenen Kardinal, der die Regierung Ludwigs XIV. besorgte, während Ludwig XIV. selber noch ein Kind war: als Kardinal Mazarin. Und er regiert Europa im Grunde genommen so wie jemand, der vorderasiatisches Wesen stark aufgenommen hat in einer viel früheren Inkarnation. Mazarin war mit einer großen Überschau begabt, ein großer Staatsmann, aber auch wiederum wie im Taumel, man möchte sagen, wie grandiose Geschicklichkeiten abliefen, aber nicht wie etwas, was aus dem tiefen Herzen kommt. [2] Diese Persönlichkeit wird wiedergeboren als eine solche, die wirklich in ihrem physischen Leben ein merkwürdiges Doppelgesicht zeigt. Eine Persönlichkeit, die nicht recht Staatsmann sein kann, nicht ganz Staatsmann sein kann, nicht ganz Kleriker sein kann, die aber intensiv in beides hereingezogen wird: das ist Hertling, der noch in seinem hohen Alter deutscher Reichskanzler geworden ist und die Reste seines Mazarintums in dieser Weise dann in karmischer Folge zu verwerten hatte; der in all die Eigentümlichkeiten, mit denen er an das Christentum herangekommen ist, in seinem christlichen Professorentum zur Darstellung bringt. [3]

Zitate:

[1]  GA 238, Seite 121f   (Ausgabe 1960, 184 Seiten)
[2]  GA 238, Seite 123ff   (Ausgabe 1960, 184 Seiten)
[3]  GA 238, Seite 125f   (Ausgabe 1960, 184 Seiten)

Quellen:

GA 238:  Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge - Vierter Band. Das geistige Leben der Gegenwart im Zusammenhang mit der anthroposophischen Bewegung (1924)