Jahve

Gehen wir auf die Bedeutung des Jahve-Jehova-Namens zurück, dann finden wir, daß Jehova so viel heißt wie «Wehen», daß die Luft dahinweht. Im Worte Jahve ist nichts anderes ausgedrückt als der wehende Atem, mit dem der Ichgeist in den Menschen einzieht. [1]

In der Bibel steht das Wort: «Und Gott hauchte dem Menschen lebendigen Odem ein, und er ward eine lebendige Seele.» Das vervollkommnete sich immer mehr, bis es zu dem Worte «Ich» wurde, bis der Geist anfing, aus dem Inneren des Menschen selber zu sprechen und anfing, sich zu rufen aus dem Inneren des Menschen heraus: «J-a-h-v-e.» Das ist zu gleicher Zeit der ewige Wesenskern in jedem einzelnen Menschen: «Ich bin, der ich bin, der da war und der da sein wird.» «Ich bin» ist der tiefste innere Wesenskern, der damals sich eingesenkt hat und in alle Ewigkeit bleiben wird als Individualität. Dieses war die erste Ausgießung der Gottheit. Man nennt sie die Ausgießung des Geistes, die Ausgießung Jahves. Diese Ausgießung des Geistes wird in den Mythen der religiösen Völker so dargestellt, daß dieser Gott in dem dahinfahrenden Winde lebt, in dem, was in der Luft säuselt, was sich in der Luft hinbewegt über den Erdkreis. Aus der germanischen Sage und auch aus der jüdischen, hebräischen Sage, in der Jahve dargestellt wird als Sturm- oder Windgott, geht hervor, daß man es zu tun hat mit einer Gottheit, die ihren äußeren Körper in dem Luftstrom hat und die sich dem Menschen eingegossen hat. Diese Ausgießung des Geistes, die in der lemurischen Zeit stattgefunden hat, war keine einheitliche Ausgießung. Sie hätten da sehen können, daß viele Geister sich aus der geistigen Umgebung der Erde auf die Erde herniedersenkten. Indem wir von Jahve sprechen, haben wir es nicht mit einer einzigen Gottheit zu tun, sondern mit vielen Volksgottheiten. [2]

(Der Name) Jahve oder Jehova ist ja auch nur ein Ersatz für den unaussprechlichen Namen des Göttlichen, denn was mit diesen Buchstaben zusammengesetzt wurde, ist in der Tat nicht zu vokalisieren, ist nicht über die Lippen zu bringen, denn sobald es über die Lippen gebracht wird, wird er zu etwas anderem als das, was als das göttlich-geistige Wesen gemeint ist, das sich erst in der kommenden Zeit als das geistige Wesen des Menschen entwickeln wird. [3]

Die hebräische Geheimlehre hat dieses Ich den unaussprechlichen Namen Gottes genannt. «Jahve» bedeutet nichts anderes als: «Ich bin». [4] Warum war dieser Name unaussprechlich? Weil, wer ihn in jenen alten Zeiten aussprach, durch die Gewalt der Laute die alltägliche Gesinnung, das alltägliche Bewußtsein abgedämpft erhielt. Eine andere Welt stand vor ihm auf, und gefährlich war es, den Namen auszusprechen, weil die gewöhnliche Besinnung schwinden mußte. [5] Jahve oder Jehova, wie ihn bewußt ausspricht das hebräische Volk, ist der in einem Punkt zusammengefaßte «Große Geist», der hinter allen Dingen und Wesenheiten dem uralten Hellsehen erschien. [6]

Jahve ist gewissermaßen die Gestalt, in welcher das althebräische Altertum den Herrn, den Regenten der Erdentwickelung sieht. Gleich zu Beginn der Genesis wird uns dargestellt, daß Jahve den Menschen aus der Substanz der Erde macht. Adam heißt: der aus Erde gemachte, der Erdene. [7] Man beachtet aber heute viel zu wenig, daß es dem althebräischen Altertum eigen ist, sich ganz und gar mit der Erde, mit dem, was vom Inneren der Erde kommt, als zusammenhängend zu betrachten. In allen Einzelheiten wird hingedeutet auf dieses Zusammenhängen der alten Juden mit dem, was aus der Erde entstammt. Gesagt wird, daß sie bei ihren Zügen einer Wolke oder einer Feuersäule folgten, in dem Sinne, wie durch die Kräfte der Erde eine solche Feuersäule bewirkt werden kann. Und ebenso hat man sich die Wasser- und Nebelsäule nicht vorzustellen bewirkt durch atmosphärische Kräfte, sondern als von unten, von der Wüste aus bewirkt. Mit den Vorgängen der Erde hängen zusammen die Zeichen für Jahve oder Jehova im althebräischen Altertum. Und den Ursprung der «großen Flut» selber muß man in dem suchen, was an Kräften der Erde in der Erde pulsiert, was nicht von außen durch die kosmischen Verhältnisse bewirkt ist. (Vergleiche dazu auch: Erdinneres). Das war der große Protest des althebräischen Volkes gegen die umliegenden Völker, daß es den Gott der Erde anerkennen wollte. Alles das aber, was von oben kommt, was von außen zur Erde her kommt, das empfand man als dasjenige, was gewissermaßen nicht bis zur Aufgabe der Erdenbildung vorgerückt ist, sondern was zurückgeblieben ist im Stadium der Mondenbildung. Man faßte es zusammen unter alledem, was die «Schlange» auf der Erde bewirkt hat, was bewirkt hat der in der Mondenentwickelung zurückgebliebene Luzifer. [8]

Jahve ist gerade der Gott, der aus Erde den Menschen formt, das heißt aus den Kräften, aus den Elementen der Erde. Schauen wir hin auf die griechische Weltanschauung, wie Prometheus dasitzt und den Menschen formt. Pallas Athene kommt herzu und bewirkt aus geistigen Höhen die Verbindung des Menschen mit dem Geistesfunken. Prometheus formt die Seele im Symbolum des Schmetterlings. Der Jahvegott formt den Menschen aus Erde, und er, der Jahvegott, der im Laufe seiner Entwickelung zum Erdenherrn geworden war, haucht ein dem Menschen aus seiner eigenen Substanz die lebendige Seele. So verbindet sich Jahve durch seinen Hauch mit dem, was er aus Erde geformt hat. Und er will wohnen in seinem Sohne, in seinem lebendigen Hauche, in Adam und seinen Nachkommen, den Erdensöhnen, denjenigen Wesen, deren Hülle aus Erde zu formen der Jahvegott als seine Aufgabe betrachtete. [9] Jahve wirkt in den Mondenkräften der Erde, ist also von einem anderen Gesichtspunkte aus eine Mondengottheit. [10]

Weil luziferische Geister der Weisheit, Kyriotetes auf der Sonne die Möglichkeit gewonnen hatten, Ätherströme auszusenden, mußten andere Geister der Weisheit darauf verzichten, von der Sonne aus zu wirken, sie mußten vielmehr sich herbeilassen, ihre Kräfte dazu zu verwenden, um das Gleichgewicht herzustellen. Das heißt: eine Weltenkolonie, eine Planetenkolonie wurde begründet auf dem Monde. [11]

Wie in der mineralischen Welt im Monde etwas wirksam ist, was das Gleichgewicht hält dem von der Sonne ausströmenden luziferischen Prinzip, so wirkt ein geistiges Mondprinzip vom Mond aus der Versuchung des Luzifer entgegen, die an den Menschen herangetreten ist im Verlaufe der Erdentwickelung. So daß wir damit nun auch hinweisen können auf den Mond als den Träger von finsteren Geistern, die aber da sein müssen, damit den vorwärtsdrängenden Lichtträgern, die zugleich die versuchenden Geister der Menschheit sind, das Gleichgewicht gehalten werde. Im hebräischen Altertum wurde im Grunde genommen das Geheimnis vom Mond und seinem geistigen Prinzip zuerst der Menschheit enthüllt. Die althebräische Geheimlehre schaut hin auf die Sonne und sagt sich: In der Sonne wirken die unsichtbaren Geister der Weisheit, die nur für den geistigen Blick sichtbar sind, nicht aber für den physischen Blick. Für diesen strahlt herunter das Prinzip des Luzifer. Was äußerlich zu sehen ist an dem Sonnenprinzip, ist Luzifer; darinnen aber wirkt geheimnisvoll, unsichtbar für den physischen Blick alles das, was erreichbar ist durch die Geister der Weisheit, Kyriotetes, die das Tor dazu bilden. Abgetrennt und geopfert hat sich einer dieser Geister der Weisheit und seinen Platz auf dem Mond aufgeschlagen, um von da aus so zu wirken, daß das Licht gebändigt, aber auch das Geistige des Luzifer getilgt wird. So erschien dem hebräischen Altertum in Jahve das, was gleichartig ist mit den Geistern der Weisheit der Sonne, und wir können sagen: Wie das Sonnenlicht vom Mond im Raum zurückgeworfen wird, so war für die wirklichen Kenner des hebräischen Altertums Jahve die Zurückstrahlung jener geistigen Wesenheit, die einstmals, wenn die Menschen reif werden, von der Sonne herstrahlen wird, deren Erscheinen die Rishis und Zarathustra und die Osirisdiener vorausgesagt haben. Wie im Raume das Sonnenlicht vom Mond zurückgestrahlt ist, so zeigte sich in Jahve oder Jehova wie eine Reflexion das Prinzip des Sonnengeistes, den Sie mit einem Namen, wie Sie wollen bezeichnen können: mit Vishvakarman, wie ihn die alten Inder, mit Ahura Mazdao, wie ihn Zarathustra, mit Osiris, wie ihn die alten Ägypter, oder mit Christus wie ihn die vierte nachatlantische Kulturperiode bezeichnet hat. Das ist die esoterische Auffassung des Jahve: es ist der vom Mondenprinzip zurückgestrahlte und, weil in der Zeit zurückgestrahlte, vorher angekündigte Christus. [12]

Zitate:

[1]  GA 55, Seite 261f   (Ausgabe 1959, 278 Seiten)
[2]  GA 96, Seite 282f   (Ausgabe 1974, 350 Seiten)
[3]  GA 61, Seite 342   (Ausgabe 1962, 536 Seiten)
[4]  GA 97, Seite 106   (Ausgabe 1981, 340 Seiten)
[5]  GA 198, Seite 15   (Ausgabe 1984, 320 Seiten)
[6]  GA 123, Seite 71   (Ausgabe 1959, 264 Seiten)
[7]  GA 148, Seite 174   (Ausgabe 1980, 342 Seiten)
[8]  GA 148, Seite 175   (Ausgabe 1980, 342 Seiten)
[9]  GA 149, Seite 66f   (Ausgabe 1960, 120 Seiten)
[10]  GA 148, Seite 176   (Ausgabe 1980, 342 Seiten)
[11]  GA 136, Seite 193   (Ausgabe 1984, 246 Seiten)
[12]  GA 136, Seite 204ff   (Ausgabe 1984, 246 Seiten)

Quellen:

GA 55:  Die Erkenntnis des Übersinnlichen in unserer Zeit und deren Bedeutung für das heutige Leben (1906/1907)
GA 61:  Menschengeschichte im Lichte der Geistesforschung (1911/1912)
GA 96:  Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft. Christliche Esoterik im Lichte neuer Geist-Erkenntnis (1906/1907)
GA 97:  Das christliche Mysterium (1906/1907)
GA 123:  Das Matthäus-Evangelium (1910)
GA 136:  Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen (1912)
GA 148:  Aus der Akasha-Forschung. Das Fünfte Evangelium (1913/1914)
GA 149:  Christus und die geistige Welt. Von der Suche nach dem heiligen Gral (1913/1914)
GA 198:  Heilfaktoren für den sozialen Organismus (1920)