Julianus Apostata

Als nun der Kaiser Konstantin das Römische zum Herrschenden machte unter dem Vorwande, daß er das Christentum zum Herrschenden machen wollte, da wurde vollends (alles Wissenschaftliche und Geistige) abstrakt, da wurde es so abstrakt, daß man verstummte, wie der in der athenischen Philosophenschule gebildete Julian der (spätere) Apostat, der mit blutendem Herzen hinschaute auf dasjenige, was Konstantin angerichtet hatte an Verknöcherung der Begriffe, Verknöcherung des alten Lebendigen; und er, der Julian, nahm sich vor, dieses Leben zu erhalten, das ihm noch erschienen ist in den athenischen Philosophenschulen. [1]

Julian, der ein religiöser Mensch war, konnte vor allen Dingen nicht ja sagen zu dem, was aus dem Christentum durch den Konstantinismus geworden war. Wir sehen, wie erst ganz schwach, aber eben doch schon etwas bemerkbar in der Vermischung des Christentums mit dem untergehenden Römertum, wie da der Materialismus des Abendlandes seine ersten Strahlen wirft. Unter diesem Einflusse entstand auch jenes Bild des Christus Jesus, das im Anfange gar nicht vorhanden war, das durchaus nicht im Ursprunge des Christentums liegt: das Bild des Christus Jesus als des Gekreuzigten (siehe dazu: Kruzifix). Das ist der Christus, welcher nicht mehr in seiner geistigen Wesenheit aufgefaßt werden kann, sondern allein in seiner leiblich-körperhaften Wesenheit. Mit diesem Bild des Erlösers ist von einer eigentlich geistigen Auffassung des Christentums der Abschied genommen worden. [2] Die Römer haben aus dem Christentum gemacht, was man nur «Die Galiläer» nennen kann. Als das Christentum immer weniger und weniger verstanden wurde, sprach man immer mehr und mehr von dem Galiläer; immer weniger wußte man von dem Christus, immer mehr gab man auf die menschliche Persönlichkeit des «Galiläers».

Als Julianus (auf seinem Feldzuge) von einer römischen Lanze getroffen wurde, fiel das Wort, das seither niemals verstanden worden ist, das aber aus der damaligen Tradition heraus verstanden werden kann: Leider nicht der Christus (als Sonnengeist), der Galiläer hat gesiegt! – Denn in diesem Sterbemomente stand vor Julian Apostatas prophetischem Blick die Aussicht, daß nun immer mehr und mehr die Anschauung von dem göttlichen Christus verschwinden werde, und der «Galiläer», der nur aus dem Galiläerstamm heraus stammende Mensch, allmählich wie ein Gott verehrt werden wird. Die ganze Ent­wickelung, die dann immer weiter heraufkam, bis in der neueren Zeit, im 19. Jahr­hundert, die Theologie den Christus in dem Jesus vollständig verloren hatte, sie sah, mit einem ungeheuren Seherblick dazumal, in seinem dreißigsten Lebensjahre, Julian der Apostat voraus. Apostat (=Abtrünniger) war er in bezug auf das, was eigentlich erst kam. Der Apostat war eigentlich ein Apostel in bezug auf das, was ein Erfassen des Mysteriums von Golgatha im Geiste war und wieder werden muß. [3]

Julian, der letzte der heidnischen Cäsaren, hatte in den Nachklängen der Mysterien noch einiges von den Kräften der Sonne erfahren. Und da er dieses Wissen wieder geltend machen wollte, wurde er auf dem Zuge nach Persien ermordet. So stark waren die Mächte, die in den ersten christlichen Jahrhunderten verschwinden machen wollten das Wissen von diesen (geistigen) Dingen. [4]

Als ein Schüler der Mysterien, die schon in der Abendröte waren, wußte er sich nicht mehr recht in die Zeit hineinzustellen, deshalb ging er dem Märtyrertum eines Inspirierten entgegen, der nicht mehr recht weiß, welche Geheimnisse geheimgehalten werden müssen und welche mitgeteilt werden dürfen. Wie noch jeder, der unbefugt aus­ge­sprochen hat, was nicht ausgesprochen werden darf, ereilt worden ist von seinem Schicksal, so geschah es auch dem Julianus; er ist durch Christenhand auf dem Zuge gegen die Perser gefallen. [5]

Julianus hatte im 4. Jahrhundert die Aufgabe, gewissermaßen einen letzten Anstoß dazu zu geben, die spirituellen Weisheitsschätze früherer Epochen der Menschheits­entwickelung ein letztes Mal zum gewaltigen Aufflammen zu bringen und sie zu bewahren vor dem Schicksal, das sie leicht hätten finden können, wenn es nur dem aufstrebenden (romanisierten) Christentum überlassen geblieben wäre, mit diesem Weisheitsschatz zu wirtschaften. [6] Julianus war inspiriert worden in den eleusinischen Mysterien. Er hat dann auf seine Seele wirken lassen, was da herausgekommen ist als die Offenbarungen der Geister der Form (siehe: Elohim = Lichtgeister). [7] Man kann eine solche Gestalt nicht verstehen in seiner ganzen welthistorischen Bedeutung, wenn man nicht weiß, daß er einer der letzten von denjenigen war, welche die Sonne noch anders gesehen haben, als der heutige Mensch sie sieht. Viel intensiver, wie heute noch manche im Monde fühlen, so fühlten die alten Menschen, wenn sie aufwachend der Sonne ansichtig wurden, dann reden sie nicht nur vom Sonnenlicht, dann empfanden sie: Aus diesem Himmelswesen strömt mit dem Strahl in uns ein dasjenige, was uns wärmend und uns durchleuchtend durchdringt, was uns zur Persönlichkeit macht. Das fühlte noch Julianus, und er glaubte, daß das den Menschen erhalten werden könne. Und das war sein Irrtum; das war auch seine große Tragik. [8]

Das Sehen des Sonnengeistes war dem Menschen möglich bis zum 4. Jahrhundert nach Christus, weil sie bis dahin noch innig mit ihrem Ätherleib verbunden waren. Wenn nun auch der Christus selbst schon auf Erden war, so sah man doch bis in das 4. Jahrhundert die Sonne so, daß man gewissermaßen noch das Nachbild durch den ätherischen Leib sah. Und sie verstanden nicht, was das heißen soll, was die Lehrer und Führer jener anderen Mysterien sagten: der Christus wäre auf der Erde. Ein solcher Mensch war Julianus. [9]

Von den geistigen Sonnenkräften aber bekommt der Mensch die Ich-Kraft, die Selbstbewußtheit, die sich mit den Mondenkräften und so weiter verbindet, um das ganze Wesen des Menschen zustande zu bringen. Wir haben aber zunächst zwei Sonnen, die geistige, die das Ich gibt, und die physische, die durch ihre Licht- und Wärmestrahlen die physische Erde belebt. Dann aber müssen wir eine dritte Sonne erfassen, nämlich die Vermittlerin der höchsten geistigen Kräfte, die die außersonnlichen Kräfte mit den innersonnlichen verbindet, die seit dem Mysterium von Golgatha auf die Erde ihre Gnadenkräfte sendet. Diese geistige Sonne ist das Christus-Prinzip, das, was der Mensch in sich erleben kann, wenn er den paulinischen Satz erfaßt: «Nicht ich, sondern der Christus in mir.» Diese dritte Sonne wurde den Einzuweihenden immer in den christlichen Einweihungsstätten offenbart. Eine große Tragik lag darin, daß ein Mann von dieser dritten Sonne wußte und sie doch nicht innerlich ganz erleben konnte, das war Julian Apostata. [10]

Was hatte denn Julianus für seine Seele gewonnen, daß er die eleusinische Einweihung durchgemacht hatte? Er hatte aus unmittelbar seelischer Anschauung kennen gelernt die Tatsachen des kosmischen Werdens, die Tatsachen des Weltwerdens. Er hatte kennen gelernt den geistigen Ursprung der Welt, kennen gelernt wie sich auslebt der geistige Ursprung der Welt im planetarischen, im Sonnensystem; hatte gelernt gewisse Dinge zu verstehen, die eigentlich der ganzen Welt dazumal, mit Ausnahme einiger weniger griechischer Eingeweihter, ganz unverständlich geworden waren: den Zusammenhang des Sonnenwirkens und Sonnenwesens mit dem alten Hermes – Logos. Verstehen gelernt hatte er gewisser­maßen so etwas wie das pythagoreische Wort: «Du sollst niemals gegen die Sonne reden!», womit natürlich nicht gemeint sein kann die äußere physische Sonne, sondern jener Geist, der sich hinter der Sonne verbirgt. Er hatte also gewußt, daß es alten heiligen Traditionen entspricht, in dem Geistig-Seelischen, das der Sonne zugrunde liegt, den einheitlichen Grund der Welt zu sehen, aber vor allen Dingen dasjenige zu sehen, womit der Mensch eine Beziehung herstellen muß, wenn er zu den Quellen des Daseins dringen will. Vor des Julianus Seele stand dieses alte Sonnengeheimnis, stand die Wahrheit, daß diese physische Sonne nur der äußere Körper ist für ein geistig-seelisch Sonnenhaftes, welches in der menschlichen Seele durch die Initiation lebendig werden kann, dieser Seele sagen kann, was das Gemeinsame ist des Kosmos, der großen Welt und des menschlichen geschichtlichen Lebens hier. Klar war es dem Julianus geworden, daß es niemals Einrichtungen geben könne hier in der Welt, die bloß hervorgehen aus jener menschlichen Vernunft, die an das menschliche Gehirn gebunden ist, daß nur derjenige berufen ist, irgendwie über die Einrichtungen der Welt mitzureden, der Zwiesprache halten kann mit dem Sonnenlogos; denn ein gemeinsames Gesetz mußte er sehen in der Bewegung der Gestirne und in demjenigen, was hier auf der Erde unter den Menschen, in den großen Bewegungen der Menschen im geschichtlichen Werden vorgeht. Nun muß man sagen, selbst noch solch einem Kirchenvater wie dem heiligen Chrysostomos (ein Studienkollege und späterer eifriger Feind Julians) ist es ja klar gewesen, daß es ein altes Sonnengeheimnis gibt.

Julianus war im Grunde genommen eigentlich kein Gegner des Christentums, er war nur ein Anhänger der Fortpflanzung des Hellenismus. [11] Bezwingung des Bösen, Bezwingung der Materie mit dem Begriff, das lag im Manichäismus. Daß im tiefsten Sinne erfaßt werden muß die Frage des Sündenfalles, die Frage des Bösen und damit im Zusammenhang die Frage nach dem Christus Jesus, das stand vor des Julianus Seele, das wollte er sich holen aus einer persischen Einweihung (bei den Schülern des Manes, der 88 Jahre vorher hingerichtet wurde), die er dann nach Europa tragen wollte. [12]

Eigentlich war dieser Julianus gerade durch seine Initiation ein Mensch von der aller allertiefsten Wahrheitsliebe, von jener Wahrheitsliebe, von der natürlich solche Menschen wie der Kaiser Kontantin (der Große) nicht die geringste Ahnung haben. Und man möchte sagen: Die Wahrheit, ernst genommen, tritt einem bei Julianus in einer solch starken Weise entgegen, daß man kaum dieses Aufleben des Wahrheitsernstes später noch öfter in der abendländischen Menschheitsentwickelung findet. [13]

Julianus dachte in großen Zusammenhängen; er hatte Gedanken, die durchaus die Menschheit umspannten. Bei einem solchen Menschen wie Julianus wird es ganz besonders klar, wie klein die menschlichen gewöhnlichen Gedanken eigentlich sind. Es entstand vor seiner Seele der Gedanke: In die Eleusinien bist du eingeweiht – ist es vielleicht möglich, dir zu erzwingen, dich in die persischen Mysterien und in die Mysterien, die in der Manichäer-Lehre anklingen, einweihen zu lassen? Vielleicht gewinnst du daher die Möglichkeit, die (geistig) kontinuierliche Entwickelung, die du anstrebst, zu fördern! – Das ist ein gigantischer Gedanke. Aber so, wie der Zug Alexanders des Großen noch etwas anderes zugrunde liegt als die Trivialität, Eroberungen in Asien zu machen, so lag dem Zuge des Julianus nach Persi(s besser Mesopotamien) auch etwas anderes zugrunde, als nur in Persien Eroberungen (zur Sicherung des Römerreiches) zu machen: Er wollte sehen, ob er mit Hilfe der persischen Mysterien tiefer in seine Aufgabe eindringen könne. [14] Man hat eigentlich nichts Neues im 19. Jahrhundert gegen das Christentum vorgebracht. Julianus hat schon alles vorgebracht. Er hat es nur aus einer gewissen Genialität heraus gesagt, während es im 19. Jahrhundert gesagt worden ist mit einem riesenhaften Fleiß, mit einer gründlichen theologischen Gelehrsamkeit und mit einer gründlichen theologischen Sophistik. So kann man sagen: Julianus hat einen titanischen Kampf aufgenommen. Er hat zuletzt noch versucht, indem er den Manichäismus lebendig hat machen wollen, eine kontinuierliche Entwickelung herbeizuführen. Wir leben in einer Zeit, über die man nicht hinauskommen wird in gesunder Weise, wenn man nicht in einer neuen Weise verstehen wird, was solch ein Geist wie Julianus der Apostat wollte. Zu seiner Zeit war eben noch nicht die Möglichkeit gekommen – und das ist seine große Tragik –, das alte Initiations­prinzip zu versöhnen mit dem tiefsten Wesen des Christentums. In unserer Zeit ist die Möglichkeit gekommen (durch den Ablauf des finsteren Zeitalters Kali Yuga), und es darf nicht versäumt werden, sie in Wirklichkeit umzusetzen, wenn die Menschheit nicht in eine Niedergangsentwickelung kommen soll. [15]

Man kann in einem wirklich tiefen Sinn sagen: Julian der Apostat war vielleicht ein besserer Christ als Konstantin, der ja erstens nicht initiiert war, und dann das Christentum in ganz äußerlicher Weise annahm. Aber Julianus hatte eine Ahnung davon: Willst du den Christus finden, so mußt du ihn durch die Mysterien finden; dann wird er dir das Ich geben, das zu Aristoteles’ Zeiten noch nicht gegeben werden konnte. [16] Er wurde zu einem Gegner des Christentums, weil das Christentum seiner Zeit es ablehnen wollte, den Christus mit der Sonne in Zusammenhang zu bringen. [17] Er sah, wenn er in alte Zeiten zurückblickte, wie die Menschen entweder direkt oder auf dem Umwege durch die Mysterien unter der Leitung der außerirdischen Gewalten und Wesen und Mächte standen. Und jetzt sah er das Christentum im Konstantinismus diejenige Form annehmen, welche auf die christliche Organisation, auf die christliche Gesellschaft anwendete die alten Grundformen des Imperium Romanum. Er sah gewissermaßen das Göttlich-Geistige unter das Joch des Imperium Romanum gespannt. Das war ihm das Furchtbare. [18]

In einer Zeit, in der diejenigen Menschengruppen schon sehr stark Macht hatten, die solche Wahrheiten (das dreifache Sonnengeheimnis), wie sie sagten, für die Menge gefährlich fanden und sie ihr nicht mitteilen wollten, daß in einer solchen Zeit ein Idealist wie Julianus, den man deshalb den «Abtrünnigen» genannt hat, das der Welt mitteilen wollte und dann auf einem Umwege getötet worden ist. Wenn zu Kaiser Julianus Zeiten gewisse Geheimgesellschaften so stark ihre Geheimnisse hüteten, daß sie Julianus töten (und verleumden) ließen, dann brauchen wir uns nicht zu verwundern, wenn die Behüter gewisser Geheimnisse, die sie aber nicht herausgeben, sondern auch (heute) zur Ausgestaltung ihrer Macht vor der Menge hüten wollen, es hassen, wenn nur wenigstens die Anfänge gewisser Geheimnisse enthüllt werden. Was wollte schließlich Julianus? Er wollte den Leuten begreiflich machen: Ihr gewöhnt euch immer mehr an, nur die physische Sonne zu sehen; aber es gibt eine geistige Sonne, von der die Physische nur der Spiegel ist! – Er wollte auf seine Art das Christus-Geheimnis der Welt mitteilen. Aber man will die Zusammenhänge des Christus, der geistigen Sonne, mit der physischen Sonne verdecken. Daher werden gewisse Machthaber am wütendsten, wenn von dem Christus-Geheimnis im Zusammenhange mit dem Sonnengeheimnis gesprochen wird (noch heute!). [19]

Wie der Mensch Leib, Seele und Geist hat, so hat auch die Sonne Leib, Seele und Geist. Julianus hat von 3 Sonnen geredet und wollte, daß man das Christentum so kennenlernt, daß man weiß: der Christus ist aus der Sonne gekommen und in den Menschen Jesus erst hineingegangen. Das wünschte die Kirche nicht, daß das die Menschen wissen! Die Kirche wollte nicht die Wissenschaft von dem Christus Jesus, sondern nur dasjenige, was sie befiehlt. Und so ist es denn geschehen, daß, als der Kaiser Julianus einen Zug nach Asien unternommen hat, er meuchlings ermordet worden ist, um ihn aus der Welt zu schaffen. Das hat dann dazu geführt, daß man immer diesen Julianus «Julianus Apostata» nennt, den Abtrünnigen, den Ketzer. Aber er wollte eben die Verbindung des Christentums mit den alten Erkenntnissen für die Menschen bestehen lassen, (denn) er dachte sich, das Christentum kommt besser fort, wenn es Weisheitsinhalt hat, als wenn es nur die Befehle der Priester in sich hat, wenn die Menschen nur glauben sollen, was die Priester sagen. [20]

Die Griechen zum Beispiel bewahrten in ihrer ganzen Weltanschauung noch die Möglichkeit, hinter der Sonne die zwei anderen Sonnen, die seelische und die geistige zu sehen. Und nur dadurch, daß nun nicht rein in griechische Weisheit und in griechisches Empfinden das Mysterium von Golgatha getaucht worden ist, sondern in römische Weisheit und in römisches Empfinden, dadurch ist es gekommen, daß man gebrochen hat mit dem Wissen von dem Zusammenhang des Christus mit der geistigen Sonne. Damit haben sich ja namentlich die christlichen Kirchenväter und die christlichen Kirchenlehrer zu befassen gehabt, dieses Mysterium von der Sonne zu verhüllen, dieses Mysterium von der Sonne für die Menschheit vergessen zu machen, es nicht herauskommen zu lassen. Es sollte gewissermaßen ein Schleier gebreitet werden durch die fortgehende Entwickelung des Christentums über die tiefe, die bedeutsame, die umfassende Weisheit von dem Zusammenhange des Christus mit dem Sonnenmysterium. Die Einrichtung, die die Kirche durch den Romanismus erfahren hat, die ist insbesondere geeignet gewesen, die Menschen so wenig wie möglich von dem Christus-Geheimnis wissen zu lassen. [21]

Julianus lernte noch etwas von der unsagbaren Herrlichkeit kennen, in welche Zarathustra hineingeschaut hat, er lernte noch etwas kennen von jener Wirksamkeit von Feuer, Licht, von kosmisch-chemischen Kräften, von kosmischen Lebenskräften, wie man sie in den alten Mysterien zuerst geschaut hat, und wovon er nur durch Traditionen noch hat lernen können. Diese Lehre kam ihm so großartig, so gewaltig vor, daß er sich zum (konstantinischen) Christentum nicht bekehren konnte. Aber er wollte dafür etwas anderes, er wollte die alten Mysterien, in die er bis zu einem gewissen Grade noch eingeweiht war, der allgemeinen Menschheit verkünden.

Julianus sagte, daß die Sonne drei Aspekte habe: einen des irdischen Äthers (heutiges Licht), einen des dahinterstehenden Himmelslichtes und der chemischen und Wärme- oder Feuer- und Lebenskräfte (siehe: Ätherarten), und einen Aspekt ganz geistiger Wesenheit. [22]

Es ist gar nicht auszudenken, was etwa in Europa geschehen wäre, wenn nicht das Römertum, sondern das Christentum Julians gesiegt hätte, wenn gesiegt hätte sein Wille, die Initiationsschulen wiederum aufzubauen, so daß die Menschen selber hätten Einsicht nehmen können, wie der Christus in dem Jesus gewohnt hat und wie der Christus zu den anderen Volksgöttern stand. Julianus wollte nicht die heidnischen Tempel zerstören. Er wollte sogar den Tempel zu Jerusalem, den Judentempel wieder herstellen. Er wollte die heidnischen Tempel wieder herstellen, und er nahm sich auch der Christen an. Nur eben Wahrheit wollte er haben. Er wurde vor allen Dingen durch jene Schule des alten Rom gestört, die das alte Initiationsprinzip auslöschen wollte und auch in Wirklichkeit ausgelöscht hat und die bloß die Traditionen, die registrierten alten Initiationswahrheiten (als Dogma) an deren Stelle setzen wollte. Und man wußte es einzurichten, daß Julianus im richtigen Momente von einer römischen Lanze getroffen wurde. [23] Julianus wollte eine Handlung machen, die eine Bedeutung hätte für das Geschehen in der geistigen Welt selbst. Da sagte er sich: Nun, es ist geweissagt den Christen, daß der Tempel von Jerusalem so zerstört werden wird, daß kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Das ist auch geschehen, sagte er. Aber das Christentum kann nicht erfüllt werden, wenn diese Weissagung, solch eine Weissagung, zuschanden wird, wenn man ihr entgegenarbeitet! – Da beschloß er denn, mit großen Kapitalien, nach den Verhältnissen der damaligen Zeit, den Tempel zu Jerusalem wieder aufzurichten. Und es kam wirklich zustande, daß sich viele Arbeiter zusammenfanden, um den Tempel zu Jerusalem wieder aufzuführen. Nun müssen Sie die ganze Angelegenheit betrachten im geistigen Sinne: Nicht Menschen bloß, Götter wollte Julianus herausfordern! Es ist eine gar nicht zu bezweifelnde Tatsache, die sich selbst historisch erweisen läßt – so gut nur historische Tatsachen bewiesen werden können, selbst äußerlich, innerlich ist sie gewiß –, daß jeder der Arbeiter, der angefangen hat im Tempel zu Jerusalem zu bauen, eine Vision gehabt hat, daß ihm an seiner Arbeitsstätte Feuerflammen entgegengeschlagen sind, und er abgezogen ist. Das Unternehmen kam nicht zustande. Aber Sie sehen, in welch großen Gedanken Julianus das tat. [24] Jenes Jahr, in dem das Ich in den Menschen eingezogen ist, das ihn die Freiheit erringen ließ im physischen Leben, jenes Jahr 333, in dem das Christentum auf der einen Seite flüchten mußte nach dem Osten, auf der anderen Seite geflüchtet ist in das alte Römertum – das ja niemals ganz christlich sein konnte –, jenes Jahr 333 hat nicht nur den Einzug des Ich gebracht, sondern es hat auch einen Schatten, eine Finsternis geworfen, werfen müssen über die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Erdenleben. Es liegt das ja in der Evolution der Menschheit. Wäre damals das Ich nicht eingezogen in den Menschen, was wäre geschehen? Julian Apostata – den man eigentlich in Bezug auf die alten Mysterien nicht Apostat, sondern Confessor nennen sollte –, Julian Apostata hätte gesiegt. Mit der Lehre der alten Mysterien, die er hatte einführen wollen, hätte geschehen können, daß das Ich, das hereingezogen ist aus spirituellen Welten, von der Menschheit so aufgenommen worden wäre, daß man damit auch die Karmalehre begriffen hätte. Es ist das natürlich nur eine Hypothese, wir wollen nur beleuchten, was hätte geschehen können. Die Menschheit mußte aber erst stärkere Wälle überschreiten und konnte nicht auf so leichte Weise hereinkommen in das Verständnis des Christentums, wie es der Fall gewesen wäre, wenn Julian Apostata gesiegt hätte. So wurde denn die Menschheit ausgesetzt dem Heraufkommen des Tieres, den Folgen, den Ergebnissen der Zahl 666. [25] (Siehe auch in: karmische Reihen).

Zitate:

[1]  GA 204, Seite 308   (Ausgabe 1979, 328 Seiten)
[2]  GA 203, Seite 280f   (Ausgabe 1978, 342 Seiten)
[3]  GA 213, Seite 202ff   (Ausgabe 1969, 251 Seiten)
[4]  GA 233a, Seite 121   (Ausgabe 1980, 176 Seiten)
[5]  GA 126, Seite 83   (Ausgabe 1956, 120 Seiten)
[6]  GA 126, Seite 88   (Ausgabe 1956, 120 Seiten)
[7]  GA 126, Seite 101   (Ausgabe 1956, 120 Seiten)
[8]  GA 184, Seite 224f   (Ausgabe 1968, 334 Seiten)
[9]  GA 220, Seite 11f   (Ausgabe 1966, 214 Seiten)
[10]  GA 266/3, Seite 123   (Ausgabe 1998, 545 Seiten)
[11]  GA 175, Seite 296f   (Ausgabe 1982, 416 Seiten)
[12]  GA 175, Seite 307   (Ausgabe 1982, 416 Seiten)
[13]  GA 175, Seite 299   (Ausgabe 1982, 416 Seiten)
[14]  GA 175, Seite 302ff   (Ausgabe 1982, 416 Seiten)
[15]  GA 175, Seite 309   (Ausgabe 1982, 416 Seiten)
[16]  GA 175, Seite 333f   (Ausgabe 1982, 416 Seiten)
[17]  GA 175, Seite 374   (Ausgabe 1982, 416 Seiten)
[18]  GA 175, Seite 380   (Ausgabe 1982, 416 Seiten)
[19]  GA 202, Seite 197f   (Ausgabe 1980, 296 Seiten)
[20]  GA 353, Seite 137   (Ausgabe 1968, 308 Seiten)
[21]  GA 183, Seite 61f   (Ausgabe 1967, 195 Seiten)
[22]  GA 211, Seite 182   (Ausgabe 1986, 223 Seiten)
[23]  GA 213, Seite 204   (Ausgabe 1969, 251 Seiten)
[24]  GA 175, Seite 301   (Ausgabe 1982, 416 Seiten)
[25]  GA 346, Seite 112f   (Ausgabe 1995, 343 Seiten)

Quellen:

GA 126:  Okkulte Geschichte. Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge von Persönlichkeiten und Ereignissen der Weltgeschichte (1910/1911)
GA 175:  Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha. Kosmische und menschliche Metamorphose (1917)
GA 183:  Die Wissenschaft vom Werden des Menschen (1918)
GA 184:  Die Polarität von Dauer und Entwickelung im Menschenleben. Die kosmische Vorgeschichte der Menschheit (1918)
GA 202:  Die Brücke zwischen der Weltgeistigkeit und dem Physischen des Menschen. Die Suche nach der neuen Isis, der göttlichen Sophia (1920)
GA 203:  Die Verantwortung des Menschen für die Weltentwickelung durch seinen geistigen Zusammenhang mit dem Erdplaneten und der Sternenwelt (1921)
GA 204:  Perspektiven der Menschheitsentwickelung. Der materialistische Erkenntnisimpuls und die Aufgabe der Anthroposophie (1921)
GA 211:  Das Sonnenmysterium und das Mysterium von Tod und Auferstehung. Exoterisches und esoterisches Christentum (1922)
GA 213:  Menschenfragen und Weltenantworten (1922)
GA 220:  Lebendiges Naturerkennen. Intellektueller Sündenfall und spirituelle Sündenerhebung (1923)
GA 233a:  Mysterienstätten des Mittelalters. Rosenkreuzertum und modernes Einweihungsprinzip - Das Osterfest als ein Stück Mysteriengeschichte der Menschheit (1924)
GA 266/3:  Aus den Inhalten der esoterischen Stunden. Band III (1913-1923)
GA 346:  Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, V. Apokalypse und Priesterwirken (1924)
GA 353:  Die Geschichte der Menschheit und die Weltanschauungen der Kulturvölker (1924)