Götter obere und untere

DenMenschen, die die Einweihung gesucht haben, war die Tatsache bekannt, daß man die Geisteswelt trifft, wenn man einerseits den äußeren Schleier (Sinneswelt) und andererseits den inneren Schleier (die Erinnerung) durchdringt. Deshalb finden wir bei den alten Völkern der Erde die Unterscheidung zwischen oberen Göttern und unteren Göttern; und in den Mysterien aller Zeiten wurde gesagt, daß man auf einer bestimmten Stufe der Einweihung vor die unteren und oberen Götter hintrete; aber es wurde auch immer in einer ganz verschiedenen Weise behandelt die Welt der oberen Götter und die Welt der unteren Götter. [1]

In der Atlantis entwickelte sich eine Kultur, welche im wesentlichen unter dem Einflusse eines alten Hellsehens stand, so daß die Menschen jener Zeit die instinktartige Fähigkeit hatten, sowohl durch den äußeren Schleier der Sinneswelt zu der oberen Geistwelt hindurchzuschauen, wie auch durch ihr eigenes Seelenleben hindurch zu den unteren Göttern zu blicken. [2] Und von demjenigen, der in die (griechischen) Mysterien eingeweiht wurde, sagte man mit Recht: Er lernt kennen die oberen und die unteren Götter. – Die oberen Götter, das waren diejenigen des Zeuskreises; aber sie hatten nur Herrschaft über dasjenige, was vor den Sinnen ausgebreitet ist und was der Verstand begreifen kann. Der Mensch ist mehr als dieses. Der Mensch wurzelt mit seiner Wesenheit im Reiche der unteren Götter, im Reiche der chthonischen Götter. [3] Wenn die Initiierten der alten Mysterien nach außen gesucht haben und, wie sie sagten, die oberen Götter fanden, dann wendeten sie den Blick zurück in das menschliche Innere, und sie fanden da, wie sie sagten, die unteren Götter. Aber zuletzt kamen sie auf einer Entwickelungsetappe an, wo die Welt der oberen Götter und die Welt der unteren Götter eine war, wo das Oben das Unten und das Unten das Oben wurde, wo es auf diese doch nur vom Räumlichen herkommenden Bestimmungen nicht mehr ankam. [4]

Die in schönster Harmonie, in schönster Einheit lebenden Götter, die da waren vor dem alten Saturn, stellten sich selber vor, sie dachten. Nur waren ihre Gedanken nicht so wie die menschlichen Gedanken, daß man sie irreal nennen muß, sondern sie waren Wesenheiten, waren andere Götter. So daß wir Göttergenerationen haben, die ursprünglich durch sich selbst in ihrer Realität sind, und andere, die einfach die realen Vorstellungen der unmittelbar mit Saturn, Sonne und Mond verknüpften Götter sind. Das sind die Gottheiten, welche umschweben die in ihrer Entwickelung befindliche Weltenkugel von Saturn, Sonne und Mond. Die eine Göttergeneration ist die Vorstellungswelt der anderen, verhält sich tatsächlich zu der anderen, wie sich unsere Gedanken zu unserem realen Seelendasein verhalten. Diese Götter, die nur die Gedanken der anderen sind, haben wir bisher, wegen gewisser Eigenschaften die luziferischen Wesenheiten genannt, und wir müssen im weiteren Umfang alles zu den luziferischen Wesenheiten rechnen, von dem wir sagen können: die ursprünglichen Götter hatten das Bedürfnis, sich selbsterkennend vorzustellen. Deshalb stellten sie sich wie kosmische Gedanken oder Gedankenwesen den luziferischen Wesenheiten gegenüber, wie heute dem Menschen seine Gedanken gegenüberstehen. Und wie sich der Mensch im Grunde genommen erst in seinen Gedanken erkennt, so lernten sich die ursprünglichen Götter an Luzifer und seinen Scharen erkennen. So sind in der Tat die luziferischen Wesenheiten zurückgebliebene Wesenheiten, aus den ursprünglichen Göttern herausgeworfene Wesenheiten, die da waren, damit ein Spiegel der Selbsterkenntnis für die fortschreitenden Göttergestalten vorhanden war. Wir tragen in unserem Mikrokosmos ein Abbild dieses Götterzwiespaltes. Er zeigt sich uns darin, daß unser ganzes umfängliches Selbst mit all dem, was unbewußt in uns ist, aus dem auch unser Leibesorganismus hervorgegangen ist, aus der ursprünglichen Göttergeneration stammt. Das jedoch, was wir erleben mit unserem Bewußtsein, das, was wir überschauen können mit unserem gewöhnlichen alltäglichen Bewußtsein, stammt von der Göttergeneration, die nur die Vorstellung ist von der ursprünglichen. Daher empfinden wir das Unreale, das bloß gedankenhafte Vorüberhuschende unseres Bewußtseinslebens. [5] Dann wurde dem griechischen (Mysterien-) Schüler klar, daß er von diesem normalen Bewußtsein absehen und sich zu den alten Göttern, die man auch die unterirdischen nannte, wenden mußte, zu denjenigen Göttern, an deren Natur Dionysos seinen Anteil hatte. Nur so konnte er zu der Erkenntnis des wahren Wesens des Menschen kommen. Eines nur gibt es innerhalb der Erdentwickelung, wodurch etwas ganz Neues, ein neues Element der Hellsichtigkeit, aber auch ein neues Element des von okkulten Kräften durchdrungenen Gemütes und Wirkens in uns eintreten kann. [6]

Das, was in diese außenstehenden Göttergeneration in einem Momente hineingezogen ist, das war in der Tat der Christus, der bei der Johannestaufe im Jordan in den Leib des Jesus von Nazareth eingezogen ist. Mit diesem Christus zieht eine Götterwesenheit in das physische Leben ein auf demselben Weg, den diejenigen Götter einzuschlagen hatten für das Erdenleben, die eigentlich früher nur von den anderen Göttern vorgestellte Wesen waren. Aber jetzt zieht zum ersten Male eine reale Wesenheit ein, eine Wesenheit, die substantiell selbständig ist. Es geschieht während der Sonnenentwickelung diese Scheidung zwischen zwei verschiedenen Göttergenerationen, von denen sich die eine anschickt, als die wirklichen alten Götter weiterzuleben mit den Elementen Erde, Wasser und Luft. Die andere Göttergeneration findet das zu schwierig, in diese dichten Elemente hinein sich zu versetzen, und lebt bloß weiter mit dem, was wir die ätherischen Elemente nennen, erst mit der Wärme, dann mit dem Licht und dem chemischen und Lebensäther. Wir können diese zwei nebeneinanderlaufenden Götterströmungen auch so bezeichnen, daß die eine den schwierigeren Weg wählt, durch die dichteren Elemente zu gehen, daß aber die andere den leichten Weg wählt, gleichsam umflattert die anderen Götter in dem chemischen und Lebensäther und ihre Leiber daraus bildet. [7]

So wie sich die oberen Götter zu den unteren verhalten, so ist Jahve oder Jehova die Vorstellung von dem realen Christus und gleicht ihm für denjenigen, der die Dinge durchschaut, vollständig. [8]

Die beiden Welten, die äußere Welt der Geistigkeit und die innere Welt der Geistigkeit, sie fließen zuletzt in eine zusammen. Wir können geradezu bildhaft schon auf diese eine geistige Welt hinblicken. Der Mensch blickt die Natur an; sie offenbart sich ihm in Sinnesqualitäten. Beginnt der Mensch seinen Willen in Bewegung zu setzen, schreitet er durch die Welt, dann wird er gewahr, daß diese Willenskraft in die Bewegung seines Auges hineinwirkt, daß in das Wesen seines Auges schon für die Sinnesempfindung dasselbe hineinfließt, was die Bewegung seiner Beine lenkt. Wenn der Mensch schon äußerlich tief genug untertaucht in das Sinnliche, so wird er dasselbe gewahr, was er in Beziehung bringt durch die Äußerungen seines Willens mit der äußeren Welt. Dieses einheitliche Zusammenfließen der Sinneswelt, es ist ein oberflächliches, aber doch eben ein Abbild des Zusammenfließens der Welt der äußeren Geistigkeit und der inneren Geistigkeit. Durch das Auffinden dieser beiden Welten, die eine einzige Welt sind, wird der Mensch wieder seines geistig-seelischen Ursprungs gewahr. [9]

Episches bedeutet die oberen Götter, die als weiblich empfunden werden. Als Musen empfunden werden. Die dramatische Dichtung ging hervor aus der Darstellung des aus den Tiefen heraufwirkenden Gottes Dionysos. Zuerst ist es die einzige Person des Dionysos, dann er und seine Helfer, der Chor, der sich herumgruppiert, um gleichsam ein Reflex zu sein desjenigen, was nicht Menschen tun, sondern was eigentlich die unterirdischen Götter tun, die Willensgötter, die sich der menschlichen Gestalten bedienen, um auf der Bühne nicht Menschenwillen, sondern Götterwillen agieren zu lassen. [10]

Der Ausdruck eines Initiaten der alten Zeiten: «Ich bin heruntergeführt worden zu den unteren Göttern» wäre für den modernen Initiaten gleich wie: «Ich habe die Natur der menschlichen Krankheiten kennen gelernt.» [11]

Während also alle Götter und Geister nur für das schauende Bewußtsein gefunden werden können über der physischen Welt, wird der Christus gefunden innerhalb dieser physischen Welt, trotzdem er von gleicher Art und Wesenheit ist wie die göttlich-geistigen Wesenheiten. Im Äußeren sind also nur auffindbar die anderen Götter; er ist der Eine, der zugleich im menschlichen Innern auflebt, der sozusagen die äußeren Götterwelten verläßt und einkehrt in das menschliche Innere. Damit war etwas sehr Bedeutsames geschehen in der Welt- und Menschheitsentwickelung. Hatte man einen Gott im Innern gesucht, da hatte man früher heruntersteigen müssen zu den unterirdischen Göttern, die hinter dem Schleier der Seelenerlebnisse verborgen sind; in dem Christus hat man einen solchen Gott, der im Äußeren gefunden werden kann und im Innern. Das ist das Wesentliche, was im vierten Zeitraum der nachatlantischen Zeit nach dem indischen, nach dem persischen und dem ägyptischen Zeitraum eingetreten ist. Was mehr im Abstrakten im alten Indien gedacht, geschaut worden ist, daß die göttlich-geistige Welt eine einheitliche ist, daß das «Tat» und Brahman, die von zwei Seiten der Seele ausströmen, eine Einheit sind, das wurde lebendiges Leben durch das Christus-Ereignis. Vorher konnte man sich sagen: Das Göttliche, das man auf dem Wege nach außen findet, und das Göttliche, das man auf dem Wege nach innen findet, sind eines. Jetzt konnte man sich sagen: Man steige nur herunter in das menschliche Innere. Wenn man an Christus teilhaftig ist, so findet man ein Wesen, das Apollo und Dionysos in einer Wesenheit ist. Wir haben gesehen, daß die geistigen Wesenheiten, die in der Außenwelt sind als göttlich-geistige, gleichsam vertreten werden für den Menschen durch die mächtigste ihrer Wesenheiten, durch den Christus, der als äußeres Wesen zugleich ein inneres Wesen wird. Wie ist es denn mit den anderen Wesenheiten, die wir in einer gewissen Beziehung als luziferische Wesenheiten bezeichnet haben? Könnte man etwa auch sagen, daß die Wesenheiten, die also unter der Führung des Dionysos standen, sich ebenso in das menschliche Seelenleben hinein entwickeln, und etwa von der anderen Seite her sich irgendein Dionysos, eine luziferische Wesenheit, als Mensch verkörpert hat? Kann man dasselbe sagen? Nein, das kann man nicht sagen. Das ist eben die Erfahrung der geistigen Entwickelung, daß man von dieser Welt nicht dasselbe sagen kann. Und hier kommen wir an etwas, was ganz kernhaft und wesentlich mit aller Menschheits- und Weltenentwickelung zusammenhängt. Gingen wir in sehr, sehr alte Zeiten der Menschheits- und Weltenentwickelung zurück, dann fänden wir, daß die Seele nach außen blickt und daß sie die göttlich-geistige Welt draußen sieht; daß sie nach innen blickt und die göttlich-geistige Welt drinnen sieht; daß die Seele die apollinische Welt draußen, die dionysische Welt im eigenen Innern findet, mit griechischen Ausdrücken gesagt. Wenn man dann vorschreitet in der Menschheits- und Weltenentwickelung, dann sieht man ein anderes Resultat. Für die allerältesten Zeiten, wo der weitaus überwiegende Teil der Menschen schauend war, war die Sache so, wie ich es eben dargestellt habe. Draußen sah man die oberen, drinnen die unteren Götter; und man hatte diese zwei Wege hinein in die geistige Welt. Wenn wir spätere Zeiten in Frage ziehen, dann haben wir eine Menschheit vor uns, die in bezug auf die schauenden Fähigkeiten schwächer geworden ist. Die Menschen haben immer mehr und mehr das ursprüngliche, alte, dumpfe, dämmerhafte Schauen verloren. Aber nehmen wir eine Zeit, in welcher wenig Menschen noch ein natürliches Schauen hatten. Diese Menschen – wir brauchen da gar nicht weit zurückgehen, wir finden in der chaldäisch-ägyptischen Welt auch solche Menschen – sahen, wenn sie durch den Teppich der Sinnenwelt durchdrangen, die oberen Götter, und wenn sie in ihr eigenes Inneres hinabstiegen, die unteren Götter. Deutlicher und gewaltiger hatten diese Eindrücke diejenigen, die in einem gewissen Grad eingeweiht waren. Zu erwähnen ist, daß es zu allen Zeiten auch solche Eingeweihte gab, welche voll die Einheit der beiden Welten erkannten. Das sind aber die Spitzen der Menschheit. [12] Nehmen Sie zum Beispiel einen in der alten jüdisch-hebräischen Welt Eingeweihten. Gerade in dieser Welt Eingeweihte, die konnten, wenn sie nicht in besonders hohem Grade eingeweiht waren, die Erfahrung machen, daß sie bei ihrem geringen Schauen hineinsahen in die Welt, in der ihnen Jahve nicht bloß ein Begriff, eine Vorstellung war, sondern eine ätherische Wirklichkeit, eine Wesenheit, die wie ein Mensch zu ihnen sprach für den schauenden Blick. Während also für das Volk Jahve eine Verkündigung war, etwas, wovon man nur sagte, daß es da ist, war er für den Eingeweihten eine Wirklichkeit. Dagegen wäre es für einen solchen in der alten hebräischen Welt Eingeweihten schwieriger geworden, dann etwas zu finden, wenn er in das eigene Seelenleben hinuntergetaucht wäre, wenn er das Gebiet der unteren Götter gesucht hätte. Da hätte er sich sagen müssen: Ja, da dringe ich nicht auf Grund; da finde ich überall mein seelisches Leben, ich kann nicht durch die dichte Kruste meines Seelenlebens zu den unteren Göttern hindurch. So also hatten sich die unteren Götter in ein gewisses unbekanntes Dunkel zurückgezogen. Es war die Zeit des Herabkommens des Christus auf die Erde, in welcher sich die luziferischen Geister bis zu einem gewissen Grad in die Dunkelheit zurückgezogen hatten. Und in der äußeren Menschheit konnte man in diesen Zeiten nur mehr hören: Es gibt Mysterien; diejenigen, welche in die Mysterien eingeweiht werden, die erlangen die Fähigkeit, durch die Kräfte des Seelenlebens durchzudringen in die dionysische Welt hinein. – Dunkel ahnte man etwas, was in den tiefen Geheimnissen der Mysterien von den Menschen erforscht werden kann. Aber es war eben nur etwas, wovon man andeutend sprach, wovon die wenigsten in der Zeit der Erwartung des Christus eine deutliche Vorstellung hatten. Viel deutlichere Vorstellungen hatten sie von den äußeren Göttern. Es gab viele Menschen, die noch ein lebendiges Erlebnis von diesen äußeren Göttern hatten. Nun schreitet aber die Menschheit vorwärts in der Entwickelung. Und welches ist das Ergebnis dieses Vorwärtsschreitens? Die äußere Menschheit wird ihre Geisteskultur verwandeln, immer mehr und mehr wird sich der Christus einleben in die äußere Menschheit. Aber auch in den Mysterien wird man die Natur und Wesenheit des Christus, den man heute kaum angefangen hat zu verstehen, erkennen. Der Gott also, der erblickt werden konnte zur Zarathustrazeit, wenn sich der Blick zur Sonne wendete und schauend wurde, und der herunterstieg auf die Erde, dieser Gott wird immer intimer und intimer ergriffen werden von der menschlichen Seele. Der Gott, der der Regent der äußeren Welt war, wird immer innerlicher werden. Der Christus schreitet so durch die Welt, daß er von einem kosmischen Gotte, der heruntergestiegen ist auf die Erde, ein mystischer Gott immer mehr und mehr wird, der von den Menschen in dem Inneren des Seelenlebens wird erlebt werden können. Daher konnte man zur Zeit, als Christus herunterstieg, das verwirklichen, was dann seine Jünger beschrieben, indem sie sagten: Wir haben unsere Hände in seine Wunden gelegt, haben selber sein Wort auf dem Berge gehört. – Man konnte sich auf etwas Äußeres berufen. Das war das Wesentliche, daß der Christus äußerlich da war. Man hätte ihn dazumal innerlich mystisch nicht erleben können; seine Dionysosnatur hätte man nicht erfassen können; man mußte ihn als äußerlichen historischen Christus zunächst erleben. Das aber ist der Fortschritt in dem Christus-Bewußtsein der Menschheit, daß er immer tiefer in die Seele hineinsteigt, daß die Menschen immer mehr nach innen werden sehen können, daß sie immer mehr ihre eigenen Seelenerlebnisse im Innern mystisch durchleben werden und immer mehr zu dem äußerlichen Christus den Christus in der eigenen Seele, den mystischen Christus erleben werden. Man sehe, wie in dem sogenannten Mystizismus, der auftritt in der ersten Zeit der christlichen Entwickelung durch Dionysios den Areopagiten, der ein Freund und Schüler des Paulus war, wie da der Christus zunächst durch äußere okkulte Fähigkeiten erkannt wird. Und alle Beschreibungen dieser ersten christlichen okkulten Schule sind so gehalten, daß der Christus im wesentlichen nach jenen Eigenschaften beschrieben wird, die er entfaltet in den äußeren Welten, die durch den nach außen gerichteten instinktiv schauenden Blick erfahren werden konnten. Und man steige herauf einige Jahrhunderte in der Menschheitsentwickelung und sehe, was geworden ist. Man frage bei der mittelalterlichen mystischen Entwickelung an, bei jenem tief inneren Erleben eines Meister Eckart, eines Johannes Tauler und so weiter bis herauf zu unseren neueren Mystikern – da sind Menschen, die in ihr eigenes Innere hinunterblicken. Wie man in alten Zeiten in das Innere hineinblickte, um durch dieses Innere durchzuschauen und zum Dionysos zu dringen, so dringen die Neueren hinein, können wie der Meister Eckart sagen: Zwar ist der historische Christus eine Tatsache, zwar hat er sich entwickelt in der Geschichte, aber es gibt die Möglichkeit, in das eigene Innere zu steigen und da den inneren mystischen Christus zu finden. So entwickelt sich die menschliche Seele dazu, nicht nur in der Außenwelt, sondern im Innern die dionysische Natur des Christus zu finden, den mystischen Christus. Hat man sich damals in das innere Seelenleben versenkt, dann hat man nicht den Christus gefunden, sondern den Dionysos. Heute findet man, wenn man in der entsprechenden Weise sich entwickelt hat, eine innere Christus-Wesenheit. Der Christus ist von einer außerseelischen Göttlichkeit zu einer innerseelischen Göttlichkeit geworden, die immer mehr die Menschenseele ergreifen wird, je mehr diese mit ihren Seelenerlebnissen diesem Christus sich nähern wird. [13] Hat der Christus eine Weile in der Seele gewirkt, dann wird diese Seele dadurch, daß sie von der Christus-Substanz durchdrungen wird, durch ihre Christianisierung reif, wiederum hineinzudringen in das Reich der luziferischen Wesenheiten. Zuerst konnten das die Eingeweihten des Rosenkreuzes, und nach und nach werden diese Eingeweihten des Rosenkreuzes heraustragen das, was sie erleben können über das luziferische Prinzip, und werden jene große geistige Ehe über die Welt ausgießen, die darin besteht, daß der Christus, der sich als Substanz hineinergossen hat in die menschliche Seele, nunmehr begriffen wird mit denjenigen geistigen Fähigkeiten, die heranreifen durch das Einströmen des luziferischen Prinzips in einer neuen Weise in den Geist der einzelnen Menschen. [14]

Zitate:

[1]  GA 113, Seite 92   (Ausgabe 1982, 228 Seiten)
[2]  GA 113, Seite 94f   (Ausgabe 1982, 228 Seiten)
[3]  GA 180, Seite 233   (Ausgabe 1980, 351 Seiten)
[4]  GA 209, Seite 187   (Ausgabe 1982, 200 Seiten)
[5]  GA 129, Seite 175ff   (Ausgabe 1960, 254 Seiten)
[6]  GA 129, Seite 177   (Ausgabe 1960, 254 Seiten)
[7]  GA 129, Seite 178f   (Ausgabe 1960, 254 Seiten)
[8]  GA 129, Seite 181   (Ausgabe 1960, 254 Seiten)
[9]  GA 209, Seite 188   (Ausgabe 1982, 200 Seiten)
[10]  GA 276, Seite 55   (Ausgabe 1961, 160 Seiten)
[11]  We , Seite 217   (Ausgabe 1986, 334 Seiten)
[12]  GA 113, Seite 116ff   (Ausgabe 1982, 228 Seiten)
[13]  GA 113, Seite 118ff   (Ausgabe 1982, 228 Seiten)
[14]  GA 113, Seite 122f   (Ausgabe 1982, 228 Seiten)

Quellen:

GA 113:  Der Orient im Lichte des Okzidents. Die Kinder des Luzifer und die Brüder Christi (1909)
GA 129:  Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen (1911)
GA 180:  Mysterienwahrheiten und Weihnachtsimpulse. Alte Mythen und ihre Bedeutung. Alte Mythen und ihre Bedeutung (1917/1918)
GA 209:  Nordische und mitteleuropäische Geistimpulse. Das Fest der Erscheinung Christi (1921)
GA 276:  Das Künstlerische in seiner Weltmission. Der Genius der Sprache. Die Welt des sich offenbarenden strahlenden Scheins – Anthroposophie und Kunst. Anthroposophie und Dichtung (1923)
We :  Ita Wegmann: Im Anbruch des Wirkens für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlicher Menschenkunde (1956)