Geometrie moderne – innerer Widerspruch

Wer genauer zusieht, wird finden, daß in den Ableitungen moderner Metageometrie im Grunde genommen ein merkwürdiger Circulus liegt. Es ist dieser, daß man zunächst ausgeht von dem Vorstellen der euklidischen Geometrie, die sich also nicht kümmert um eine Begrenztheit des Raumes. Daraus bekommt man dann gewisse abgeleitete Vorstellungen, also sagen wir Vorstellungen, die sich eben auf so etwas wie eine Kugelfläche beziehen. Und dann kann man wiederum, indem man mit den Formen, die sich da ergeben, gewisse Relegierungen oder Umdeutungen vornimmt, von da aus Interpretationen des Raumes machen. Man sagt alles eigentlich unter Voraussetzung der euklidischen Koordinatengeometrie. Man bekommt unter dieser Voraussetzung ein gewisses Krümmungsmaß heraus. Man kommt bis zu den Ableitungen. Alles durchaus mit den Vorstellungen der euklidischen Geometrie. Dann aber wendet man sozusagen um. Man benützt nun diese Vorstellungen, die sich erst mit Hilfe der euklidischen Geometrie ergeben können, also zum Beispiel das Krümmungsmaß, um nun wiederum zu einer anderen Vorstellung zu kommen, die zu einer Relegierung führen und für das von den krummen Formen Gewonnene eben wiederum eine Deutung ergeben kann. Im Grunde genommen bewegt man sich da in einem wirklichkeitsfremden Gebiet, indem man Abstraktionen aus Abstraktionen herausholt. Berechtigt wäre die Sache nur dann, wenn empirische Tatbestände notwendig machten, sich mit dem, was man durch so etwas herausbekommt, nach den Vorstellungen dieser Tatbestände zu richten. [1]

Zitate:

[1]  GA 324a, Seite 196   (Ausgabe 1995, 1922 Seiten)

Quellen:

GA 324a:  Die vierte Dimension. Mathematik und Wirklichkeit (1905-1922)