Hellsehen – Entdeckungsprivileg des Erstwahrnehmers

Es gibt in der geistigen Welt ein ganz bestimmtes Gesetz, dessen ganze Bedeutung wir uns durch ein Beispiel klarmachen wollen. Nehmen Sie einmal an, in irgendeinem Jahre hätte ein beliebiger, geschulter Hellseher dies oder jenes in der geistigen Welt wahrgenommen. Nun stellen Sie sich vor, daß zehn oder zwanzig Jahre später ein anderer ebenso geschulter Hellseher dieselbe Sache wahrnehmen würde, auch dann, wenn er von den Resultaten des ersten Hellsehers gar nichts erfahren hätte. Wenn Sie das glauben würden, wären Sie in einem großen Irrtum, denn in Wahrheit kann eine Tatsache der geistigen Welt, die einmal von einem Hellseher oder einer okkulten Schule gefunden worden ist, nicht zum zweiten Mal erforscht werden, wenn der, welcher sie erforschen will, nicht zuerst die Mitteilung erhalten hat, daß sie bereits erforscht ist. Wenn also ein Hellseher im Jahre 1900 eine Tatsache erforscht hat, und ein anderer im Jahre 1950 so weit ist, um dieselbe wahrnehmen zu können, so kann er das erst, wenn er zuvor gelernt und erfahren hat, daß einer sie schon gefunden und erforscht hat. Es können also selbst schon bekannte Tatsachen in der geistigen Welt nur geschaut werden, wenn man sich entschließt, sie auf gewöhnlichem Wege mitgeteilt zu erhalten und sie kennenzulernen. Das ist das Gesetz, das in der geistigen Welt für alle Zeiten hindurch die universelle Brüderlichkeit begründet. Es ist unmöglich, in irgendein Gebiet hineinzukommen, ohne sich zuerst zu verbinden mit dem, was schon von den älteren Brüdern der Menschheit erforscht und geschaut worden ist. Es ist in der geistigen Welt dafür gesorgt, daß keiner ein sogenannter Eigenbrötler werde und sagen kann: Ich kümmere mich nicht um das, was schon vorhanden ist, ich forsche für mich allein. Man kann (also) sagen: Befruchten nur einmal, für ein erstes Sehen, die göttlichen Wesenheiten eine Menschenseele, und hat diese einmalige, jungfräuliche Befruchtung sich vollzogen, dann ist es notwendig für die andern, den Blick erst auf das zu richten, was sich diese erste Menschenseele erworben hat, um ein Anrecht zu haben, sich ein gleiches zu erwerben und es zu schauen. – Dieses Gesetz begründet zuinnerst eine universelle Brüderlichkeit, eine wahre Menschenbruderschaft. Von Epoche zu Epoche ist so das Weisheitsgut durch die okkulten Schulen gewandert und von den Meistern treulich aufbewahrt worden. Und auch wir müssen diesen Schatz tragen helfen und Brüderlichkeit halten mit denen, die schon etwas erreicht haben, wenn wir hinauskommen wollen in die höheren Gebiete der geistigen Welt. [1]

Zitate:

[1]  GA 109, Seite 167f   (Ausgabe 1979, 304 Seiten)

Quellen:

GA 109:  Das Prinzip der spirituellen Ökonomie im Zusammenhang mit Wiederverkörperungsfragen. Ein Aspekt der geistigen Führung der Menschheit (1909)