Heilkunde wahre

Während die menschliche Leiblichkeit in fortwährendem Flusse ist, glauben wir, daß sie irgend etwas Starres ist. Würde man dasjenige aber sehen, was da fortwährend als Kräfte dem Auflösungs- und Erneuerungsprozeß zugrunde liegt, dann würde mit dem gegeben sein eine medizinische Wissenschaft. Es werden (allerdings damit) nicht Krankheiten geheilt, weil es sich nicht darum handeln kann, Krankheiten so zu heilen, wie es die heutigen Menschen haben wollen. Man kann mit wirklicher medizinischer Wissenschaft nur die gesundenden Kräfte in ihrer Totalität erhalten. Die wahre Heilkunde würde darinnen bestehen, das Leben so einzurichten, daß der Mensch die Kräfte beherrscht, die seine fortwährende Ausscheidung, Auflösung und Wiedererneuerung bewirken. [1]

Wenn Sie heute Handbücher der Heilkunde ansehen, so werden Sie sehen, daß in der Regel nicht mit dem Stoffwechselsystem oder wenigstens in den seltensten Fällen mit dem Stoffwechsel begonnen wird. Aber davon muß ausgegangen werden, sonst lernt man nicht erkennen, worin überhaupt die Natur der Krankheit besteht. Sehen Sie, diese ganze Sache ist wiederum so, daß tatsächlich Ernährungsvorgänge in Heilungsvorgänge, Heilungsvorgänge in geistige Vorgänge und wieder zurück geistige Vorgänge in Heilungsvorgänge übergehen können; oder wenn die geistigen Vorgänge direkt Stoffwechselstörungen bewirken, so gehen geistige Vorgänge auch wiederum in ein Stadium über, wo sie durch den mittleren Organismus des Menschen geheilt werden müssen. Alle diese Dinge gehen im Menschen ineinander über, und die ganze menschliche Organisation ist fortwährend eine wunderbare Metamorphose. [2]

Zitate:

[1]  GA 184, Seite 293   (Ausgabe 1968, 334 Seiten)
[2]  GA 230, Seite 173f   (Ausgabe 1985, 218 Seiten)

Quellen:

GA 184:  Die Polarität von Dauer und Entwickelung im Menschenleben. Die kosmische Vorgeschichte der Menschheit (1918)
GA 230:  Der Mensch als Zusammenklang des schaffenden, bildenden und gestaltenden Weltenwortes (1923)