Gedankenkontrolle als Mittel der Geistesschulung

Im alltäglichen Leben ist der Mensch nicht der Führer seiner Gedanken; sondern er wird von ihnen getrieben. Das kann natürlich auch gar nicht anders sein. Denn das Leben treibt den Menschen. Und er muß als ein Wirkender sich diesem Treiben des Lebens überlassen. Während des gewöhnlichen Lebens wird das gar nicht anders sein können. Will man aber in eine höhere Welt aufsteigen, so muß man sich wenigstens ganz kurze Zeiten aussondern, in denen man sich zum Herrn seiner Gedanken- und Empfindungswelt macht. [1]

Die Theosophie verlangt von ihren Zöglingen strenge Kontrolle des Denkens, so daß sie alle Willkür, alles Irrlichtelierende vom Denken abstreifen, daß nicht mehr sie, daß vielmehr die Dinge durch sie sprechen. Die Schule Hegels war zugleich eine Schule der Gedankenkontrolle. Und weil so wenige Menschen Gedankenkontrolle wirklich üben, ja, weil selbst die wenigsten, die sich Philosophen nennen, wissen, um was es sich dabei handelt: deswegen muß Hegel von so vielen mißverstanden werden. Wer die kleine Schrift Paul Asmus’ «Das Ich und das Ding an sich» liest und versteht, der wird mehr gewinnen, als er durch das Studium dickleibiger philosophischer Werke von Autoren gewinnen könnte, die über die Grundfragen der Erkenntnis sprechen und nie die Grundbedingung für solches Mitsprechen erworben haben: ein sich streng kontrollierendes, intuitives, produktives Denken. [2]

Zitate:

[1]  GA 12, Seite 30   (Ausgabe 1969, 88 Seiten)
[2]  GA 34, Seite 495   (Ausgabe 1960, 627 Seiten)

Quellen:

GA 12:  Die Stufen der höheren Erkenntnis (1905/1908)
GA 34:  Lucifer – Gnosis. Grundlegende Aufsätze zur Anthroposophie und Berichte aus den Zeitschriften «Luzifer» und «Lucifer – Gnosis» 1903 – 1908 (1903-1908)