Gedankenformen

Die Gedanken sind auf dem Astralplan Wirklichkeiten. Jeder Gedanke, den wir in die Welt setzen, nimmt, wie das Kind im Mutterleibe physische Materie annimmt, Astralstoff an, verdichtet sich zu bestimmten Formen. Es gibt Wesenheiten, für welche die Gedanken der Menschen eine willkommene Gelegenheit sind, sich zu verkörpern, sich einen astralischen Leib zu verschaffen. Diese Wesenheiten haben eine Gier, sich astralisch zu materialisieren. Die Wollust am einfachsten Schwatzen, die Mitteilungssucht, die nicht aus der Absicht entspringt, andern etwas Edles mitzuteilen, gibt nämlich recht schlimmen Wesenheiten Gelegenheit, sich zu verkörpern, die dann auch allerlei greuliches Zeug treiben, weil sie sich in solcher Masse verkörpern.

Im Okkultismus sagt man: Auf dem physischen Plan ist eine Lüge eben eine Lüge, auf dem Astralplan aber ist sie ein Mord. Dies verhält sich nämlich so: Erzählen Sie etwas, so erzeugen Sie eine entsprechende Gedankenform. Aber auch die Tatsache, von der erzählt wird, strahlt eine Gedankenform aus. Wenn nun Ihre Gedankenform der anderen entspricht, wenn sie mit ihr übereinstimmt, dann strömen die beiden Formen auf dem Astralplan zusammen und verstärken sich. Damit haben Sie das Leben dieser Wesenheit verstärkt. Aber bei einer Unwahrheit stimmt die Gedankenform, die von Ihrer Aussage ausströmt, nicht überein mit derjenigen, die von der Sache selbst ausgeht. Die Formen platzen aufeinander und zerstören sich. So wirkt die Unwahrheit, die Lüge, lebenzerstörend und tötend auf andere. [1]

Bei einer Lüge wird eine Gedankenform erzeugt, die der ersteren (dem wahren Sachverhalt) entgegengesetzt ist. Die beiden Gedankenformen prallen zusammen und zerstören einander. Die Explosion erfolgt im Astralleib des Lügners. [2]

Der Ätherleib ist der Träger des Gedankens. Was Gedanke im Inneren ist, ist Äther von außen, so wie die Begierde im Inneren Astrales von außen ist. Aber erst wenn das reine Denken beginnt, wird in die Astralimpulse Äthermaterie hineingestrahlt. Solange die Gedanken noch nicht rein sind, haben wir rings um die Ätherform herum Astralmaterie. Also was man Gedankenformen nennt, ist zusammengesetzt aus einem Kern von Äthermaterie, umringt von Astralmaterie. [3]

Wenn der Mensch in seiner gegenwärtigen Kultur so weit gekommen ist, daß er nicht mehr den Leidenschaften unterworfen ist, wenn kühle Gedanken über die Vorgänge in der Welt von ihm auf den Astralplan hinaufgehen, dann zeigen sie sich dort als Hohlräume, sie sparen die Materie aus. Die Materie, die durch den Gedanken in den Astralraum ausströmt wirkt im Gegensatz zur physischen Materie so: sie verdrängt das, was da ist. Das ist die astrale Materie, die da verdrängt wird. Wenn nun ein Gedanke in den Astralraum dringt, so bildet sich eine dichtere Schicht um den durch den Gedanken entstandenen Hohlraum herum. Um diesen Hohlraum herum treten farbige Erscheinungen auf. Es fängt an, um den Hohlraum herum zu glimmen, aufzuglänzen. Das ist die Gedankenform, die wir zunächst sehen. Die astrale Materie wird ringsherum verdichtet und wird dadurch heller. Dieses Hellere, was da rings um den Gedanken herum entsteht, verschwindet bald; aber wenn der Gedanke mit einem mächtigen Leidenschaftsimpuls verbunden ist, dann hat er eine Verwandtschaft mit der verdichteten Astralmaterie und belebt sie. So schaffen Menschen, die noch sehr unentwickelt, aber sehr leidenschaftlich sind, im Astralraum lebendige Wesen, wenn sie denken. [4]

Die unedleren Wesenheiten, die der Mensch durch Gedanken, die mit Leidenschaften erfüllt sind, erzeugt, sind Hemmnisse und bewirken Rückschritt. Aber alles, was der Mensch unsinnlich erreicht durch Enthusiasmus und so weiter, das wirkt fördernd im Astralraum. Die durch den leidenschaftlichen Gedanken auf dem Astralraum zusammengedrängte Materie ist dieselbe, die den vorherigen Planeten, den Mond umgab. Für gewisse Wesenheiten, die auf dem Monde zurückgeblieben sind, hat diese Astralmaterie eine große Anziehungskraft. Wir sind fortwährend umgeben von Wesenheiten, deren höhere Natur verwandt ist mit unserer niederen. Wenn der Mensch selbstsüchtige Gedanken schafft, so ist das für diese Wesenheiten, den sogenannten Asuras, sehr willkommen. Wir liefern durch niedrige Gedankenformen diesen asurischen Wesenheiten Nahrung. [5] Alle die Dinge, die in der Menschheit wirksam sind, geschehen von innen, nicht von außen. Was in irgendeiner Zeit Gedanke und Empfindung ist, ist in der nächsten Zeit äußere Form. Und die Individualitäten, welche die Menschheit leiten, müssen viele Jahrhunderte vorher in die Menschheit die Gedankenform einpflanzen, die nachher äußerliche Wirklichkeit sein soll. Da haben Sie die Funktionen der Gedankenformen, die angeregt werden durch solche symbolische Gestalten (wie zum Beispiel Arche Noah, salomonischer Tempel). Sie haben eine sehr reale Bedeutung. Heute ist der Mensch in den Maßen von 50 zu 30 zu 300 gebaut (die Proportion der Arche Noah). Künftig wird er ganz anders gebildet sein. Wie wird nun heute dem Menschen die Gedankenform gegeben, wonach er die künftige Form des Menschen bildet? Die Maße des Salomonischen Tempels stellen dar, wenn sie sich in der physischen Form realisiert haben, in tiefer Symbolik die ganze Organisation der physischen Form des Menschen der nächsten, der sechsten Rasse. [6]

Wenn wir hinaufrücken in die erste geistige, in die imaginative Welt, da sehen wir die Gedanken gleichsam von uns abtröpfeln, und dann sehen wir: die Gedankenformen werden Wesen. Diese herausgetropften Gedanken des physischen Planes, sie werden sehr, sehr lebhaft, sie werden sehr lebendig. Sie haben eine Art von regelmäßigem Sich-Bewegen. Namentlich haben diese Gedanken etwas sehr, sehr Eigentümliches: Sie leben innerlich, wenn sie so aus uns heraus sind. Ein recht dummer Gedanke, wenn er einmal heraus ist, der lacht! Er lacht in dem Maße, in dem er dumm ist! Und so ähnlich sehen Sie auch die anderen Gedanken. Sie zeigen ein inneres Leben, ein sehr lebendiges Mienenspiel. Die ganze Gnomenwelt (siehe: Elementarwesen des Festen) ist von demselben Charakter, trägt dieselbe innere Wesenheit an sich wie diese Gedankenformen. Es gehören diese Gnomen zu derselben Klasse, zu der unsere Gedankenformen gehören, die Vorstellungen wiedergeben, die sich auf den physischen Plan beziehen. [7]

Wenn wir einen Liebesgedanken aussenden, so bildet er eine wunderschöne Gedankenform, aussehend wie eine Blume, die sich sanft öffnet und den, dem der Liebesgedanken gilt, ganz umfaßt. Denkt man einen Haßgedanken, so bildet er eine spitze, eckige Form, oben geschlossen, um zu verwunden. Die geschlossene Gedankenform des Hasses läßt die göttliche Gedankenform keinen Ausweg finden, so daß sie ungehört bleiben muß. [8]

Unser Ich ist auch eine geistige Potenz, eine geistige Wesenheit. Was dieses Ich nun aus sich herausbringt, so wie der astralische Leib das Karma aus sich herausbringt, sind nun nicht Dinge, die immer mit dem Menschen verbunden bleiben, sondern das sind Dinge, die sich von dem Menschen loslösen, was wir kennen als Gedanken- und Gefühlsformen. Sie lösen als geistige Formen sich los und leben draußen weiter. [9]

Wenn wir zunächst die mehr selbstsüchtigen Gedankenkräfte ins Auge fassen, so zeigen sich diese in bezug auf ihre Wirksamkeit in der Welt als störende Kräfte der Welt. Sie treten wirklich in die geistige Welt wie zerstörerische Kräfte ein. Alle selbstlosen Gedankenkräfte dagegen greifen als mehr aufbauende Kräfte in das geistige Leben der gesamten Erdentwickelung ein. Aber indem gerade diese selbstlosen Gedankenkräfte sozusagen sich vom Ich des Menschen absondern, lassen sie im Menschen gewisse Spuren zurück. Sie sind dadurch zu bemerken: Je mehr selbstlose Gedanken- und Empfindungskräfte das Ich absondert, desto mehr bekommt der Mensch das, was man nennen kann seine eigene Form, seine Gebärde, sein Mienenspiel und so weiter, kurz, den ganzen Ausdruck seines Wesens in seine eigene Gewalt. [10]

Zitate:

[1]  GA 94, Seite 137f   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[2]  GA 95, Seite 154   (Ausgabe 1978, 164 Seiten)
[3]  GA 93a, Seite 93   (Ausgabe 1972, 286 Seiten)
[4]  GA 93a, Seite 146f   (Ausgabe 1972, 286 Seiten)
[5]  GA 93a, Seite 147f   (Ausgabe 1972, 286 Seiten)
[6]  GA 93, Seite 335   (Ausgabe 1979, 370 Seiten)
[7]  GA 163, Seite 96f   (Ausgabe 1975, 152 Seiten)
[8]  GA 95, Seite 153   (Ausgabe 1978, 164 Seiten)
[9]  GA 133, Seite 145   (Ausgabe 1964, 175 Seiten)
[10]  GA 133, Seite 148f   (Ausgabe 1964, 175 Seiten)

Quellen:

GA 93:  Die Tempellegende und die Goldene Legende. als symbolischer Ausdruck vergangener und zukünftiger Entwickelungsgeheimnisse des Menschen (1904/1906)
GA 93a:  Grundelemente der Esoterik (1905)
GA 94:  Kosmogonie. Populärer Okkultismus. Das Johannes-Evangelium. Die Theosophie an Hand des Johannes-Evangeliums (1906)
GA 95:  Vor dem Tore der Theosophie (1906)
GA 133:  Der irdische und der kosmische Mensch (1911/1912)
GA 163:  Zufall, Notwendigkeit und Vorsehung. Imaginative Erkenntnis und Vorgänge nach dem Tode (1915)